20. Juli 2008

Johanna Letz: "Krethi und Plethi am Zibin"

In ihrem Buch “Der erste Hermannstädter war ein Räuber und andere unglaublich wahre Geschichten zwischen den Zeichnungen von Pomona Zipser” erzählt Johanna Letz von Siebenbürgen, einem Land, “in dem es bekanntlich gute Menschen und schöne Tiere gibt”. Ihre Geschichten werben um Liebe zur brüderlichen Kreatur und streiten für das Recht der Phantasie als Deuterin des Schicksals und seiner Geschichten.
denn sollte der Zauberton in Rattenfängers Flöte kommen, wenn nicht aus dem Schilfrohr des göttlichen Zibin? Und woher, wenn nicht aus Hammersdorf holte der Donnergott seinen berühmten Hammer? Das Buch wurde in dieser Zeitung vom 30. Juni 2007, Seite 10, besprochen. Eine einfühlsame Rezension wurde auch im Münchner Kunstjournal "UND", Heft Nr.34 (April/Mai/Juni 2008), von Johanna Kerschner unter dem Titel “Kleine siebenbürgische Mythologie” veröffentlicht. Das folgende Interview mit der Autorin führte Inge Wittstock (Hermannstadt).

Die Hermannstädter Autorin Johanna Letz lebt ...
Die Hermannstädter Autorin Johanna Letz lebt heute in München.
Im September 2001 veröffentlichte die „Hermannstädter Zeitung” die erste Fassung deiner Erzählung vom Räuber auf dem Maulbeerbaum. Jetzt ist sie die Titelgeschichte eines Buches mit humorvollen Zeichnungen von Pomona Zipser.

Ich hoffe, es wird durch Gestaltung, Illustration und Text Augen und Herz des Bücherliebhabers erfreuen.

Du lebst schon lange in München länger wohl als in Siebenbürgen, aber deine Gedanken kreisen auch in diesem Buch immer wieder um dein Ursprungsland.

Siebenbürgen habe ich vor mehr als vierzig Jahren verlassen. Unter Kopfschmerzen, wie jene Sibylle vom Zibin, die ihrem Götter-Gatten in ein nördlicher gelegenes Land folgt.

Gibt es also biografische Bezüge in den Erzählungen?

Nicht vorsätzlich eingefügte, aber sie sind irgendwie doch hinein gekommen. Ich hatte nicht vor, von mir zu sprechen.

Dolf Hienz, dein Vater, war ein bekannter Maler und Grafiker. Er ist im Krieg geblieben, du warst damals ein Kind. In der Erzählung vom „Spielemann” zitierst du „sein Lied”...

Die Lieder, die er mit warmer Stimme sang, waren echte Herzausreißer. Auch die heiteren. Übrigens enthält dieser Text auch die „Ciocârlia”. Sie erscheint als Bild der im Himmel stehenden Lerche, die mit ihrem Triller das Ohr wie mit einem Grashalm kitzelt. Ebenso verwende ich das hübsche Zigeunerlied, in welchem die Zigeunerin ihrem Mann nach Calafat davon läuft.

Was soll man vom „Hundeblick” deiner Helden halten?

Der „Hundeblick” ist eine Auszeichnung. Einem Seehund kann man nur auf die Augen blicken, nicht tiefer. Durch den echten Hundeblick aber sieht man gleichsam in den Hund hinein. Dabei erkennt man die brüderliche Kreatur-, ihre ungeschützte Seele. Mein Vater hatte diesen „Hundeblick”. Es ist schon lange her, dass er mein Vater war. Heute ist er eher mein Bruder. Ich habe die Geschichte vom „Spielemann” dem Bruder gewidmet und dabei auch an einen „Bärenbruder” gedacht.

Es gibt eine Menge Tiere in den Geschichten: Musik liebende Mäuse, respektlose Grillen, Dohlen, Pferde, Hunde und Bären. Du hast anscheinend eine besondere Sympathie für Bären. Darauf lässt deine Spende für ein neues Gehege im Hermannstädter Zoo schließen, ebenso deine Bemühungen um eine Partnerschaft mit Hellabrunn, dem Münchner Zoo.

Es war eine bittere Enttäuschung. Die Partnerschaft ist an Hermannstadt gescheitert.

In einer Zeit, als die russische Sprache nicht gerade beliebt war bei uns, hast du sie studiert und danach lange unterrichtet. Hat sich aus dieser Erfahrung etwas in deinen Geschichten niedergeschlagen?

Ich habe an den drei Universitäten Münchens sehr gerne Russisch unterrichtet und im Jahr 2001 damit aufgehört. Es gibt Bezüge zum Russischen, zum Beispiel stammt der Räubername „Nachtigall” aus einer alten russischen Ballade. Auch die unreinen Geister, vor denen sich der alte Mediascher Pfarrer fürchtet, kommen aus der östlichen Folklore.

Was würdest du als typisch sächsisch bezeichnen?

Auf diese Frage bin ich außerstande, eine brauchbare Auskunft zu geben. Zum typisch Sächsischen könnte die bei Siebenbürgern übliche Verklärung des Vergangenen gehören. So wird der tote Räuber zum „teuren Vater” und schließlich gar zum „edlen Vater Nachtigall” schöngeredet. Ich habe zwei Liedzeilen aus einem alten sächsischen Volkslied zitiert: ,,die Sonne nur scheinet zusammen, /die fern voneinander müssen sein”.

Welcher Erzählung gibst du den Vorzug?

Der letzten: „Krethi und Plethi am Zibin”. Der Ausdruck „Krethi und Plethi” wird im umgangssprachlichen Sinn gebraucht, etwa mit der Bedeutung: “Dieser und Jener, Solche und Andere”. Am Zibin treten Kreter und Trojaner auf, die um 1200 v.Chr. durch den Seevölkersturm nach Tschobanistan verblasen wurden. Es ist freilich nicht nett, meinen Lesern so viele Vokabeln zuzumuten. Manchen ist noch bekannt, dass sich die Römer für Nachfahren der Trojaner hielten.

Übrigens war das ganze Mittelalter trojageil: um etwas zu gelten, leitete man sein Geschlecht, oder die Gründung der eigenen Stadt von Troja ab. Die vielfältigen historischen und mythologischen Bezüge sind in allerlei Flitter und Späße verpackt. Auch setze ich mich dabei über sämtliche Zeit- und Sprachebenen hinweg.

Hast du Neues vor? Was wirst du in Zukunft schreiben?

Sei unbesorgt. Das Scheherezade-Syndrom ist noch nicht unter meinen Altersmalaisen. Scheherezade hatte tausend und eine Nacht hindurch Geschichten erzählt, um nicht sterben zu müssen.

Johanna Letz: Der erste Hermannstädter war ein Räuber und andere unglaublich wahre Geschichten zwischen Zeichnungen von Pomona Zipser, München: Iconopoly Verlag 2007, 88 Seiten, ISBN 978-3-00-019997-4, zu beziehen zum Preis von 16,80 Euro, zuzüglich 1,50 Euro Versand, beim Verlag Iconopoly e.K., Richildenstraße 24, 80639 München, Fax: (0 18 05) 0 60 34 67 82 05, E-Mail: publisher [ät] iconopoly.com, und über den Siebenbürger-Shop bei Amazon.

Schlagwörter: Kultur, Hermannstadt

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