4. Februar 2009
Dem Schulmann Gerhardt Braisch zum 90. Geburtstag
Der 90. Geburtstag von Gerhardt Braisch bietet Anlass, nicht allein auf ein bewegtes Leben zurück zu blicken, sondern auch eine Generation von Lehrern ins Blickfeld der Aufmerksamkeit zu rücken, die vor dem Zweiten Weltkrieg ausgebildet wurde, den Krieg erleben musste und danach unter völlig neuen Verhältnissen nicht nur ihr eigenes Leben neu auszurichten hatte, vielmehr die Aufgabe wie selbstverständlich übernommen hat, trotz der völligen Veränderung der äußeren Umstände die Traditionen siebenbürgisch-sächsischen Unterrichtswesens weiterzuführen.
Gerhardt Braisch wurde am 22. Januar 1919 in Hamlesch als jüngstes von sechs Kindern des Prediger-Lehrers Karl Braisch und der Emilie, geb. Christiani, geboren. Sie stammte aus Reps, wohin die Familie nach den „Wanderjahren“ des Vaters (Stationen waren u.a. Großau und Kleinscheuern) zog. Wenn Gerhardt später gefragt wurde, woher er komme, war die Antwort: „Von überall, aber zuhause bin ich in Reps“.
Als Zehnjähriger begann er, in Hermannstadt zur Schule zu gehen. Wie auch sein älterer Bruder besuchte er das Lehrerseminar. Einige lebenslange Freundschaften wurden in dieser Zeit begründet. Als „primus musicus“ des Seminars erhielt er 1938 eine Freikarte für das Breslauer Musikfest. Eine erste Anstellung als Lehrer fand er in Marktschelken, wo ihm die Arbeit und das Musizieren mit der Jugend sehr gut gefiel, dann in Kleinscheuern, doch wurde er zum rumänischen Militärdienst einberufen und besuchte die Offiziersschule in Târgoviște. Als er 1941 an die Front musste, zog sein inzwischen pensionierter Vater nach Kleinscheuern, um ihn zu vertreten und ihm die Stelle frei zu halten. Nach knapp zwei Jahren Kriegsdienst folgten sechs Jahre russische Gefangenschaft unter härtesten Bedingungen. Zweimal wurde er totgemeldet, woraufhin sein Vater die Vertretung aufgab. Später bezeichnete er die Kriegsgefangenschaft aber als „Universität seines Lebens“. Die Tatsache, dass er sehr schnell Russisch lernte, brachte ihm eine deutliche Verbesserung seiner Situation ein; er wurde als Dolmetscher eingesetzt.
Die Kriegsgefangenschaft sollte sich als Weichenstellung für sein Leben erweisen: In die Heimat zurückgekehrt, fand er völlig veränderte Zustände vor, ein von den Sowjets besetztes Land, in dem der Sozialismus mit Gewalt aufgebaut werden sollte. Russisch wurde Pflichtfach und die Nachfrage nach Russisch-Lehrern war so groß wie der Mangel an denselben. Gerhardt Braisch konnte seine vor dem Krieg erworbenen Erfahrungen als Lehrer mit den in der Kriegsgefangenschaft erworbenen Kenntnissen kombinieren. Er verstand es, den Schülern das nicht gerade beliebte Fach schmackhaft zu machen, indem er häufig mit ihnen russische Lieder sang und den Unterricht so lebhaft gestaltete, dass sie doch mitmachten.1954 heiratete er die Gymnasiallehrerin und Sportlerin Rita Schuster und wurde Vater von zwei Kindern. In den 1950er Jahren nahm er die Doppelbelastung eines Fernstudiums am Maxim-Gorki-Institut in Bukarest neben seinem Beruf auf sich.
Die Russisch-Kenntnisse wiesen ihm auch den Weg in eine schwierige Verantwortung zwischen den Forderungen der Machthaber einerseits und den Pflichten gegenüber Schülern und Kollegen, die für einen Absolventen der Hermannstädter Lehrerbildungsanstalt selbstverständlich waren. Er wurde Schulinspektor für die Region Kronstadt, danach Direktor an verschiedenen Schulen in Hermannstadt: Pädagogisches Lyzeum (1958-1959), erster Direktor an der „3er“- Schule auf der Kleinen Erde (1959-1960), Direktor für die deutsche Abteilung der neu gegründeten Allgemeinschule Nr. 15 (1960-1963), danach wieder „Päda“ (1963-1966).
In beiden Funktionen hat er sich sehr für die Belange der deutschen Schulen bzw. Abteilungen in der schwierigen Zeit eingesetzt. Unter anderem konnte er als Inspektor die Rückgabe des Internates der Schäßburger Bergschule durchsetzen und vielen Kollegen zur Anstellung oder Wiederanstellung verhelfen. Er war mein Russisch-Lehrer an der 15er Schule, seine Frau vermittelte rumänische Sprache und Literatur. Wichtiger noch war er für uns Schüler als Direktor: Wir kamen aus der übersichtlichen, deutschen Brukenthalschule in den riesigen Neubau an der Soldischbastei, fühlten uns dort nicht nur verloren, sondern auch den kleineren und größeren Gehässigkeiten der anderen Schüler und Lehrer ausgesetzt. Er nahm uns in Schutz, wo er nur konnte, war in unseren Augen eine Art Fels in der Brandung. Trotzdem war ich froh, als die zwei Jahre vorüber waren und die gute alte Brukenthalschule wieder „mein“ Lyzeum wurde.
Nach seiner Pensionierung (1979) reiste Braisch mit seiner Familie in die Bundesrepublik aus. In den wenigen gemeinsamen Jahren in Heilbronn nahm er zusammen mit seiner Frau rege am landsmannschaftlichen Leben teil: Er spielte Geige im siebenbürgischen Orchester, sie sang im Chor; beide waren an den ersten Aufführungen der „Siebenbürgischen Bauernhochzeit“ beteiligt.
Als stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Heilbronn war er der Landsmannschaft sehr verbunden. Auch in dieser Zeit war er für viele ausgesiedelte Landsleute hilfreich: Er übersetzte die erforderlichen Unterlagen und half beim Stellen der diversen Anträge. Den Unterzeichner dieser Zeilen haben er und Werner Unterer im Übergangswohnheim Böckingen für die Landsmannschaft geworben.
Seit dem frühen Tod seiner Frau (1987) meistert er sein Alleinsein tapfer. Der rüstige Jubilar wohnt im Zentrum von Heilbronn und versorgt sich und seine kleine Wohnung nach wie vor ohne fremde Hilfe. Er hegt reges Interesse am Weltgeschehen und gestaltet auch heute noch sein Leben selbstständig.
Als Zehnjähriger begann er, in Hermannstadt zur Schule zu gehen. Wie auch sein älterer Bruder besuchte er das Lehrerseminar. Einige lebenslange Freundschaften wurden in dieser Zeit begründet. Als „primus musicus“ des Seminars erhielt er 1938 eine Freikarte für das Breslauer Musikfest. Eine erste Anstellung als Lehrer fand er in Marktschelken, wo ihm die Arbeit und das Musizieren mit der Jugend sehr gut gefiel, dann in Kleinscheuern, doch wurde er zum rumänischen Militärdienst einberufen und besuchte die Offiziersschule in Târgoviște. Als er 1941 an die Front musste, zog sein inzwischen pensionierter Vater nach Kleinscheuern, um ihn zu vertreten und ihm die Stelle frei zu halten. Nach knapp zwei Jahren Kriegsdienst folgten sechs Jahre russische Gefangenschaft unter härtesten Bedingungen. Zweimal wurde er totgemeldet, woraufhin sein Vater die Vertretung aufgab. Später bezeichnete er die Kriegsgefangenschaft aber als „Universität seines Lebens“. Die Tatsache, dass er sehr schnell Russisch lernte, brachte ihm eine deutliche Verbesserung seiner Situation ein; er wurde als Dolmetscher eingesetzt.
Die Kriegsgefangenschaft sollte sich als Weichenstellung für sein Leben erweisen: In die Heimat zurückgekehrt, fand er völlig veränderte Zustände vor, ein von den Sowjets besetztes Land, in dem der Sozialismus mit Gewalt aufgebaut werden sollte. Russisch wurde Pflichtfach und die Nachfrage nach Russisch-Lehrern war so groß wie der Mangel an denselben. Gerhardt Braisch konnte seine vor dem Krieg erworbenen Erfahrungen als Lehrer mit den in der Kriegsgefangenschaft erworbenen Kenntnissen kombinieren. Er verstand es, den Schülern das nicht gerade beliebte Fach schmackhaft zu machen, indem er häufig mit ihnen russische Lieder sang und den Unterricht so lebhaft gestaltete, dass sie doch mitmachten.1954 heiratete er die Gymnasiallehrerin und Sportlerin Rita Schuster und wurde Vater von zwei Kindern. In den 1950er Jahren nahm er die Doppelbelastung eines Fernstudiums am Maxim-Gorki-Institut in Bukarest neben seinem Beruf auf sich.
Die Russisch-Kenntnisse wiesen ihm auch den Weg in eine schwierige Verantwortung zwischen den Forderungen der Machthaber einerseits und den Pflichten gegenüber Schülern und Kollegen, die für einen Absolventen der Hermannstädter Lehrerbildungsanstalt selbstverständlich waren. Er wurde Schulinspektor für die Region Kronstadt, danach Direktor an verschiedenen Schulen in Hermannstadt: Pädagogisches Lyzeum (1958-1959), erster Direktor an der „3er“- Schule auf der Kleinen Erde (1959-1960), Direktor für die deutsche Abteilung der neu gegründeten Allgemeinschule Nr. 15 (1960-1963), danach wieder „Päda“ (1963-1966).
In beiden Funktionen hat er sich sehr für die Belange der deutschen Schulen bzw. Abteilungen in der schwierigen Zeit eingesetzt. Unter anderem konnte er als Inspektor die Rückgabe des Internates der Schäßburger Bergschule durchsetzen und vielen Kollegen zur Anstellung oder Wiederanstellung verhelfen. Er war mein Russisch-Lehrer an der 15er Schule, seine Frau vermittelte rumänische Sprache und Literatur. Wichtiger noch war er für uns Schüler als Direktor: Wir kamen aus der übersichtlichen, deutschen Brukenthalschule in den riesigen Neubau an der Soldischbastei, fühlten uns dort nicht nur verloren, sondern auch den kleineren und größeren Gehässigkeiten der anderen Schüler und Lehrer ausgesetzt. Er nahm uns in Schutz, wo er nur konnte, war in unseren Augen eine Art Fels in der Brandung. Trotzdem war ich froh, als die zwei Jahre vorüber waren und die gute alte Brukenthalschule wieder „mein“ Lyzeum wurde.
Nach seiner Pensionierung (1979) reiste Braisch mit seiner Familie in die Bundesrepublik aus. In den wenigen gemeinsamen Jahren in Heilbronn nahm er zusammen mit seiner Frau rege am landsmannschaftlichen Leben teil: Er spielte Geige im siebenbürgischen Orchester, sie sang im Chor; beide waren an den ersten Aufführungen der „Siebenbürgischen Bauernhochzeit“ beteiligt.
Als stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Heilbronn war er der Landsmannschaft sehr verbunden. Auch in dieser Zeit war er für viele ausgesiedelte Landsleute hilfreich: Er übersetzte die erforderlichen Unterlagen und half beim Stellen der diversen Anträge. Den Unterzeichner dieser Zeilen haben er und Werner Unterer im Übergangswohnheim Böckingen für die Landsmannschaft geworben.
Seit dem frühen Tod seiner Frau (1987) meistert er sein Alleinsein tapfer. Der rüstige Jubilar wohnt im Zentrum von Heilbronn und versorgt sich und seine kleine Wohnung nach wie vor ohne fremde Hilfe. Er hegt reges Interesse am Weltgeschehen und gestaltet auch heute noch sein Leben selbstständig.
Konrad Gündisch
Schlagwörter: Kultur, Schule, Hermannstadt
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