25. Februar 2009

Siegfried Habicher: Feingeist mit Kunstsinn und Humor

Siegfried Habicher feierte am 5. Februar seinen 65. Geburtstag. Dieses Jubiläum bedeutete für ihn gleichzeitig den Abschied vom Trossinger Rathaus in ein Leben als Pensionär. Ein Leben, das mit Sicherheit noch unzählige interessante und wichtige Herausforderungen für den Landsmann parat hält.
Nein, zu jener Sorte von pflichtbesessenen deutschen Beamten oder Angestellten, die in kargen Dienstzimmern preußisch-akribisch, aber leidenschaftslos ihre Aufgaben abhaken, und die Rat und Hilfe suchende Besucher mit einem von oben verordneten kühlen Lächeln abfertigen, gehört er mit Sicherheit nicht.

Sieg­fried Habicher, seit 1988 bei der Trossinger Stadtverwaltung in erster Linie für den Bereich Kultur zuständig, ist alles andere als ein phantasie- und humorloser Akteur in einer Welt der Aktenberge, Vorschriften, Erlasse und Paragra­phen. Schließlich ist er auch kein Verwaltungs­fachmann im klassischen Sinne, sondern in erster Linie Literaturwissenschaftler und Histori­ker. Und nicht der gängige Weg über Lehre oder Fachhochschule führte ihn in die Amtsstuben des Rathauses, sondern ein Schicksal, das er mit tausenden Heimatvertriebenen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern teilt.
Siegfried Habicher – noch am Arbeitsplatz. ...
Siegfried Habicher – noch am Arbeitsplatz.
Siegfried Helmut Habicher, so sein voller Na­me, wurde am 5. Februar 1944 in Hermann­stadt geboren. Nach dem Abitur studierte er an den Universitäten in Klausenburg und Bukarest Germanistik, Rumänistik und Literaturwissen­schaften. Bis 1978 war er dann als Universitäts-Dozent für Neuere Deutsche Literaturgeschich­te und Romanpoetologie in Lehre und For­schung tätig. Nachdem unter der Diktatur des Ceaușescu-Regimes die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Rumänien für einen freiheitsliebenden und kritischen Geist immer un­erträglicher wurden, floh Habicher 1978 in die Bundesrepublik Deutschland und nahm die jahrelange Trennung von seinen Kindern und seiner Frau Traute in Kauf. Heute unterrichtet seine einstige Studentin als Oberstudienrätin am humanistischen Albertus-Magnus-Gymnasium in Rottweil Deutsch und Englisch.

In seiner „neuen Heimat“ wirkte er zunächst als Dozent in der Erwachsenenbildung, bildete sich gleichzeitig selbst umfassend weiter, ehe er 1988 nach Trossingen kam, wo er zunächst eine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Heimatmuseums „Auberlehaus“ fand. Von 1991 bis 1999 war er künstlerischer Leiter der Kulturgemeinde Trossingen; von 1993 bis 1999 führte er zudem das städtische Büro für Frem­denverkehr in leitender Position. Seit dem Jahr 2001 ist er verantwortlicher Redakteur des Mit­teilungsblattes der Stadt Trossingen.

Siegfried Habicher, der fließend rumänisch, ungarisch und englisch spricht und nebenbei als beeidigter Übersetzter aktiv ist, ist ein Freund der Wissenschaften und der Schönen Künste. Er liebt Literatur, Musik und Malerei und er gehört zu jenen immer seltener werdenden Zeitgenos­sen, die, ausgestattet mit einem feinsinnigen und spritzigen Humor, auch mal über sich selbst lachen können. Dass er bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Trossinger Verwaltung eine hohe Wertschätzung genoss und ein Kollege war, den man gerne um Rat fragte, zeigt allein die Tatsache, dass er 1993 zunächst zweiter, 1995 bis 2001 dann erster Vorsitzender des Personalrates war.

Siegfried Habicher, der mit viel Engagement im Landes- wie im Kreisvorstand der Sieben­bürger Sachsen mitwirkt, hat im Laufe seines Lebens zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, Lehrwerke und Buchbespre­chungen veröffentlicht, hat Vorträge gehalten sowie Essays für Zeitungen und Zeitschriften verfasst. Seit 1993 moderiert er die Stuttgarter Vortragsreihe und bereits 1985 gründete er die Foederatio Saxonica Transsilvana in Rottweil, einen Verein, der heitere Ehrungen verdienter und humorvoller Siebenbürger Sachsen vornimmt. Während diese Persönlichkeiten zum „Siebenbürgischen Ritter wider den tierischen Ernst“ geschlagen werden, verleiht ihnen der Verein für ihr Wirken als Humoristen auch den Doktor humoris causa. Als krönenden Abschluss und quasi als Ab­schiedsgeschenk seines Trossinger Wirkens gab S. Habicher den entscheidenden Anstoß für den im Dezember des vergangenen Jahres erschienenen Bild- und Textband „Auf den Spuren der Kunst“, in dem erstmals Architektur, Bildhau­erei, Fotografie, Grafik und Malerei in und aus der Musikstadt Trossingen ausführlich vorgestellt werden. Bürgermeister Dr. Clemens Maier würdigte bei der Präsentation des Buches Habi­chers beachtenswertes Engagement, bei dem als Leiter des Autorenteams die Fäden von der Konzeption bis zum Druck zusammen liefen, und bezeichnete den Bildband als wichtige und gelungene Publikation, die es ermöglicht, Tros­singen „auf den Spuren der Bildenden Kunst besser kennen und verstehen zu lernen.“

Jetzt räumt Siegfried Helmut Habicher, der mit seiner Familie in Rottweil lebt, sein Büro im Altbau des Rathauses, in dem er sich ab und zu auch mal – bei weit geöffnetem Fenster, damit’s hinterher keiner merkt – bei Gesprächen mit dem einen oder anderen Besucher über neue Projek­te, über Trossingen, die Kunst und die siebenbürgische Heimat, zur Inspiration eine Zigarette anzündete und in vollen Zügen genoss. Er wird vielen seiner Kolle­ginnen und Kollegen fehlen, haben sie in ihm doch in einer menschlich spürbar kühler gewordenen Zeit einen außergewöhn­lichen, im Sinne des klassischen Huma­nismus erzogenen, humorvollen, freundlichen und verständnisvollen Menschen mit Herzensbildung erleben dürfen.

Alfred Thiele

Schlagwörter: Kultur, Verbandsleben

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Neueste Kommentare

  • 25.02.2009, 19:57 Uhr von hein: Alles Gute, Gouldkiëwer(aus dem Roman "Der Sandkasten" von G. Scherg) [weiter]

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