28. Dezember 2020

Von der Kindertanzgruppe in die 2. Fußball-Bundesliga: Interview mit Amelie Schuster vom FC Bayern

Amelie Schuster, 16, kommt aus Fürth, ihre Eltern aus Siebenbürgen. Für sie ist dieses Jahr ein Traum wahr geworden – sie wurde in die zweite Frauenmannschaft des FC Bayern aufgenommen, die in der 2. Bundesliga spielt. Per Skype konnte die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland, Landesgruppe Bayern (SJD-Bayern), die aufstrebende Mittelfeldspielerin interviewen.
Du bist kürzlich nach München gezogen. Konntest du die Stadt schon entdecken oder ist dir da Corona in die Quere gekommen?

So viel von der Stadt habe ich noch nicht gesehen, weil die Woche relativ gut getaktet ist durch Training, Schule und leider auch Lernen. Aber dort, wo ich bisher war, ist es immer schön und die Menschen sind freundlich.

Wie viel macht der Sport in deinem Alltag aus? Ist die Schule darauf abgestimmt?

Ja, ich bin hier am Gymnasium München-Nord, das ist eine Sportschule. Ich habe jeden Morgen Freistunden, die ich zum Trainieren nutzen kann. Die Schule nimmt Rücksicht und hat auch ein bestimmtes System, wie ich am besten alles nachholen kann. Zusätzlich habe ich die Schulzeitstreckung, das heißt, meine Oberstufe ist in drei Jahre statt zwei aufgeteilt. Das hilft sehr, damit ich nicht zu viel auf einmal zu tun habe. Ich trainiere acht Mal die Woche, plus ein Spiel am Wochenende. Allerdings hatten wir bisher durch Corona noch keine Auswärtsfahrten. Wenn das noch dazu kommt, ist schnell ein komplettes Wochenende weg und man kommt nicht zum Lernen.
Amelie Schuster. Foto: Hilda Schuster ...
Amelie Schuster. Foto: Hilda Schuster
Wohnst du in einer Art Wohnheim?

Genau, ich bin im Haus der Athleten, das ist ein Internat. Hier sind auch viele andere von meiner Schule, auch Leute aus meiner Mannschaft. Man kennt eigentlich alle, die hier wohnen, jedenfalls die Sportler. Es hilft auch, dass viele mit mir in der Q11 sind; wir haben meistens die gleichen Lehrer und können uns gegenseitig helfen.

Hast du ein Einzelzimmer?

Ja, ein relativ großes sogar. Es ist mittlerweile echt gemütlich. Ich habe es so gut es geht eingerichtet.

War es schwer, sich einzuleben?

Viele von meinen Fußball-Freunden, die ich aus den Auswahlmannschaften schon kannte, sind auch hergekommen. Insgesamt sind dieses Jahr vier aus meiner Mannschaft ins Internat gekommen. Dadurch war es gar nicht so schwer. Aber die Situation war natürlich neu und am Anfang war es schon komisch, nicht daheim zu sein. Aber ich habe mich echt schnell dran gewöhnt.

Wie bist du denn nach München gekommen, hast du dich beworben oder wurdest du gescoutet?

Ich wurde an einem Nachmittag einfach von der Trainerin der zweiten bayerischen Mannschaft angerufen. Sie meinte: „Ich habe schon viel von dir gehört und würde dich gerne ins Probetraining einladen“. Und so ist es dann gekommen: Termin fürs Probetraining ausgemacht, dann noch einen Termin, und so hat es sich dann entschieden.

Die Saison ist zurzeit ausgesetzt, oder?

Wir hatten zwei Saisonspiele bisher, aber jetzt wird pausiert. Schauen wir mal, ob es noch dieses Jahr oder erst im März weitergeht.

Wie wirkt sich Corona auf das Training aus?

Der erste Lockdown war schon extrem dadurch, dass ich noch daheim bei meinem alten Verein war. Das war eher ein kleinerer Verein und wir haben das stark zu spüren bekommen. Da war so etwas wie Online-Training nicht möglich. Aber durch den DFB, die Nationalmannschaft und auch die bayerische Auswahl wurde viel kompensiert. Es gab viele Live-Sessions über Zoom und wir haben auch Laufpläne bekommen. Dadurch war es schon gut strukturiert, aber es ist natürlich was anderes, als wenn man auf dem Platz steht.

Hast du den Plan, Profi-Fußballerin zu werden?

Definitiv ist das meine Ambition zurzeit. Aber Fußball ist so schnelllebig und allgemein kann man das nie wissen. Wenn zum Beispiel eine große Verletzung dazu kommt, muss man sich irgendwie anderweitig umschauen. Es ist definitiv Plan A, aber man muss sich die Möglichkeiten offenhalten.

Schon eine Idee, was dein „Back-up-Plan“ sein könnte?

Ja, ich möchte in der Sportrichtung bleiben. Beispielsweise in der Physiotherapie arbeiten oder Sportwissenschaften studieren. Sportjournalismus kann ich mir auch vorstellen.

Wie hast du deine Leidenschaft für Fußball eigentlich entdeckt?

Über meinen großen Bruder, der früher Fußball gespielt hat. Ich wollte auch mitmachen und habe mit meiner Mutter zugeschaut. Irgendwann habe ich einfach mitgemacht, und so hat sich alles entwickelt. Ich bin auch lange bei dem Verein geblieben, zwölf Jahre, bis ich jetzt nach München gegangen bin.

Dann steht deine Familie voll hinter dir?

Ja, total. Im Endeffekt steht man selbst auf dem Platz und muss selbst performen, aber drumherum versuchen sie definitiv, mir Belastung abzunehmen. Vor allem, dass meine Eltern und meine älteren Geschwister mich ins Training oder zur Schule gefahren haben. Als ich noch daheim war, hätte ich sonst einen Weg von knapp einer Stunde gehabt.

Sprecht ihr daheim Siebenbürgisch-Sächsisch?

Meine Eltern reden viel Sächsisch miteinander und wir verstehen es alle. Wir haben auch viel in den siebenbürgischen Tanzgruppen mitgemacht und Theater mitgespielt, wir können es also auch. Wir Kinder sprechen untereinander eigentlich nur Deutsch.

Wie würdest du erklären, dass deine Eltern aus Siebenbürgen kommen, wenn jemand deiner Kollegen fragt?

Das wurde ich tatsächlich noch nicht gefragt. Ich glaube, viele wissen das einfach nicht. Ich würde erklären, dass Siebenbürgisch-Sächsisch eine Mundart ist, sowas wie ein Dialekt, der aus Siebenbürgen in Rumänien kommt.

Du hast schon erwähnt, dass du in einer Tanzgruppe warst, wie lange denn?

Ich glaube, ich war sechs oder sieben Jahre dabei, ich weiß es gar nicht mehr genau, weil es schon eine Weile her ist.

Wie hat es dir da gefallen?

Gut, meine Geschwister haben auch mitgemacht und ich glaube, mein kleiner Bruder ist auch noch in Nürnberg in der Tanzgruppe. Es war cool und hat Spaß gemacht, und die Auftritte waren immer toll. Und auch an Weihnachten im Gottesdienst Gedichte aufzusagen fand ich schön.

Das passt jetzt wahrscheinlich nicht mehr in deinen Zeitplan, oder?

Nein, mit zwölf habe ich dann gar nichts mehr in der Tanzgruppe gemacht. Damals hat das mit der Auswahlmannschaft angefangen und ich hatte viel Training in der Woche. Das war leider zu schwer zu kombinieren.

Gehst du ab und zu noch auf Bälle?

Ja, bei Weihnachts- oder Osterbällen sind wir meistens dabei. Meine Eltern sowieso, und immer mal wieder auch ich.

Bist auch in Dinkelsbühl gerne dabei?

Klar, in Dinkelsbühl sind wir immer dabei. Meine Cousinen sind auch aktiv in der Augsburger Tanzgruppe, und wir schauen ihnen immer bei „Unser Nachwuchs präsentiert sich“ zu. Dinkelsbühl ist immer ein Riesen-Event und es ist supercool, dabei zu sein.

Wir bedanken uns bei Amelie Schuster herzlich für das Interview und wünschen ihr für ihre Zukunft alles Gute!

Schlagwörter: Kindertanzgruppe, Fürth, Fußball, Bayern, Schuster, Heimattag, Schule

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