28. April 2006

20 Jahre Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland

Am Verbandstag der Landsmannschaft vom 19. bis 20. April 1986 war es soweit: Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) wurde als Jugendorganisation der Landsmannschaft gegründet. Es war der krönende Abschluss einer mehrjährigen Vorbereitung und gleichzeitig der Beginn einer bis heute andauernden Erfolgsgeschichte. Ihr 20-jähriges Jubiläum begeht die Jugend im Rahmen des 15. Siebenbürgisch-sächsischen Volkstanzwettbewerbs am 28. Oktober 2006 in Möglingen bei Ludwigsburg. Das Ereignis ist Anlass genug für Rainer Lehni, den Bundesjugendleiter der SJD und Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, einen geschichtlichen Rückblick und einen Ausblick auf die künftige Entwicklung unserer Gemeinschaft in Deutschland zu halten.
Jugendarbeit gab es bei den Siebenbürger Sachsen in Deutschland schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. In den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fand Jugendarbeit vor allem im Rahmen des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und des Arbeitskreises junger Siebenbürger Sachsen statt. Seit 1978 wurde der Jugendarbeit im Rahmen der Landsmannschaft eine stets wachsende Aufmerksamkeit gewidmet. Engagierte Mitarbeiter wie der damalige Bundesjugendreferent Hans-Reiner Polder und der Jugendbeauftragte des Bundesvorstandes und spätere Bundesvorsitzende Dr. Wolfgang Bonfert brachten neuen Schwung in die landsmannschaftliche Jugendarbeit und legten so den Grundstein für die bis heute erfolgreiche siebenbürgisch-sächsische Jugendarbeit in Deutschland. Gab es 1978 in ganz Deutschland lediglich sechs Jugendgruppen, so stieg deren Zahl bis 1984 auf über 40 an. Die Jugend brachte sich zusehends in den Ablauf der Heimattage in Dinkelsbühl ein, führte eine Reihe von Tagungen und Seminaren durch und wurde bereits Mitte der achtziger Jahre zu einem bestimmenden Faktor in der Landsmannschaft.

Die siebenbürgische Jugend gestaltet den Heimattag in Dinkelsbühl entscheidend mit, hier beim Tanzen vor der Schranne am Pfingstsonntag 2004. Foto: Christian Melzer
Die siebenbürgische Jugend gestaltet den Heimattag in Dinkelsbühl entscheidend mit, hier beim Tanzen vor der Schranne am Pfingstsonntag 2004. Foto: Christian Melzer

Vom stellvertretenden Jugendreferenten der Landesgruppe Rheinland-Pfalz/Saarland, Hans-Christoph Bonfert, ging im Sommer 1984 die Initiative aus, ein Statut der siebenbürgisch-sächsischen Jugend in Deutschland zu schaffen. Am 7. und 8. Dezember 1985 konstituierte sich die erste Bundesjugendleitung, und wenige Monate später, am 19.-20. April 1986 besiegelte der Verbandstag der Landsmannschaft die Gründung der SJD. Seit 26. Oktober 1986 hat diese eine eigene Jugendordnung, und vom 9. bis 11. Oktober 1987 fand dann der erste Jungsachsentag statt, an dem die Jugendlichen ihre Leitung selbst wählen durften.
Im Verlauf der vergangenen 20 Jahre haben mehrere Generationen von Jugendlichen in der SJD mitgewirkt und sind aus der Jugendarbeit wieder hinausgewachsen. Stellvertretend sollen hier die bisherigen Bundesjugendleiter erwähnt werden: Hansotto Lang (1986-1988), Harald Roth (1988-1991), Haro Schuller (1991-1995), Ortwin Bonfert (1995-1998), Siegfried Schmidt (1998-2001) und Rainer Lehni (seit 2001). Viele einstige Jugendliche stehen heute mitten im Berufs- und Familienleben, einige sind durch die Jugendarbeit aber auch in die landsmannschaftliche Arbeit hineingewachsen und heute noch dort zum Wohl der Gemeinschaft aktiv. Nach dem Massenexodus der Siebenbürger Sachsen 1990/91 bildeten sich vielerorts Jugendgruppen im Rahmen der landsmannschaftlichen Kreisgruppen. Manche gibt es heute noch, andere wurden aus verschiedenen Gründen wieder aufgelöst. Jugendarbeit im Rahmen einer Kreisgruppe bedeutet, junge Siebenbürger Sachsen aus verschiedenen Heimatorten zusammenzuführen. Die heute aktiven Jugendlichen und Junggebliebenen gehören zum Teil noch der Erlebnisgeneration an, viele Aktive kennen Siebenbürgen mittlerweile aber auch nur noch vom Erzählen her. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren verstärken. Entscheidend ist der Zeitpunkt, an dem das Interesse an der eigenen Herkunft und der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft geweckt wird. In der Regel geschieht das erst nach Schulabschluss. Die SJD bildet heute ein Sammelbecken für siebenbürgische Jugendliche, in welcher den jungen Menschen unterschiedliche Bereiche der siebenbürgisch-sächsischen Identität näher gebracht werden.

Auf die vergangenen 20 Jahre zurückblickend, kann die Jugendarbeit der SJD als großer Erfolg gewertet werden. Allerdings war es eine Zeit mit Höhen und Tiefen. Wer in der SJD nur einen "Volkstanzverein" sieht, liegt völlig falsch. Volkstanz ist zwar ein Hauptbereich, leicht zu erkennen an den jährlichen Volkstanzwettbewerben, den verschiedenen Tanzseminaren auf Bundes- und Landesebene sowie den zahlreichen Tanzgruppen in den Kreisgruppen. Der Volkstanzwettbewerb erfreut sich seit Jahren einer großen Beliebtheit, auch wenn das vor einigen Jahren einmal anders aussah. In den letzten fünf Jahren hat sich dieser wieder zu einem festen Bestandteil der Tanzgruppen etabliert und wird am 28. Oktober dieses Jahres in Möglingen bei Ludwigsburg bereits zum 15. Mal in Folge stattfinden. Was die Beteiligung an den Volkstanzwettbewerben betrifft, kann der Wettbewerb von 2005 in Drabenderhöhe dank seines riesigen Erfolges als der Gelungenste überhaupt betrachtet werden. Eng mit dem Volkstanz ist natürlich die siebenbürgisch-sächsische Tracht verbunden, die von unseren Jugendlichen stolz auch bei unzähligen Trachtenumzügen deutschlandweit öffentlichkeitswirksam präsentiert wird. Höhepunkte in der Geschichte der SJD bilden zweifelsfrei die Beteiligung der SJD mit 150 Trachtenträgern am Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfestes im Jahr 2002 sowie die Ausrichtung der Heimattage in Dinkelsbühl 1993 und 2001. Die Heimattage werden schon seit vielen Jahren von der jungen Generation entscheidend mitgestaltet. Ein besonderes Erlebnis sowohl für Zuschauer als auch für Mitwirkende ist die gemeinsame Präsentation der Jugendlichen auf dem Schrannenplatz.

Heimatkunde, Fortbildungsmaßnahmen, Sportveranstaltungen gehören aber ebenso zum festen und unverzichtbaren Bestandteil unserer Jugendarbeit. Nicht zuletzt wird auch der gemeinsamen Freizeitgestaltung große Aufmerksamkeit geschenkt. Damit will man die junge siebenbürgische Gemeinschaft in Deutschland stärken und durch gute Jugendarbeit weitere junge Leute für sich gewinnen.

Manch einer aber wird sich fragen: Reicht das, um die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft in Deutschland zu erhalten? Wo sehen wir uns in einigen Jahrzehnten? Wird es uns überhaupt noch geben? Fragen, über die man heute nur spekulieren kann. Fragen aber auch, denen man sich stellen muss, um nicht die Zukunft unserer Gemeinschaft zu verspielen.
Der Altersdurchschnitt der landsmannschaftlichen Mitglieder ist bekanntlich hoch. Die Mitgliederzahl unter der mittleren und jüngeren Generation ist nicht zufriedenstellend. Und dies obwohl viele dieser Landsleute bei Gemeinschaftsveranstaltungen dabei sind. An Potential fehlt es demzufolge nicht. Wir müssen die mittleren und jüngeren Generationen nicht nur begeistern, an unseren Veranstaltungen teilzunehmen, sondern auch durch bewussten Beitritt zur Landsmannschaft dazu anregen, Verantwortung zu übernehmen und sich für den Weiterbestand der Gemeinschaft einzusetzen.

Im Bereich der jungen Generation hat die SJD vor mehreren Jahren eine diesbezügliche Initiative gestartet. Es wurde eine spezielle Mitgliedschaft im Jugendverband der Landsmannschaft ins Leben gerufen, mit der die jungen Leute in die landsmannschaftliche Arbeit herangeführt und eingebunden werden sollen. Im Hinblick auf künftige Stafettenträger ist dieses sehr wichtig, für die Landsmannschaft auf lange Sicht gesehen überlebenswichtig. Da die SJD die Jugendorganisation der Landsmannschaft ist, sind Mitglieder der SJD zugleich ordentliche Mitglieder der Landsmannschaft. Mittlerweile sind seit Ende 2002 rund 175 Personen der SJD beigetreten, eine viel höhere Zahl ist natürlich möglich und erstrebenswert. In einer Zeit des Überangebotes an Freizeitaktivitäten, muss die SJD - wie die ganze Landsmannschaft - den Jugendlichen ein attraktives und interessantes Angebot unterbreiten, ohne jedoch die satzungsgemäßen Ziele der Pflege und Bewahrung unserer siebenbürgisch-sächsischen Identität außer Acht zu lassen. Ein modernes und zeitgemäßes Angebot spricht an und lockt weitere Interessenten.

Den Verantwortlichen der Landsmannschaft ist heute bewusst, dass ohne siebenbürgisch-sächsische Jugend eine Zukunft dieser Gemeinschaft nicht möglich ist. Die Gremien auf Bundes-, Landes- oder Kreisebene unterstützen die heute aktiven Jugendlichen mehrheitlich nach bestem Wissen und Gewissen. Um die Weitergabe der Stafette gewährleisten zu können, sind aber auch alle Eltern und Großeltern gefordert, siebenbürgisch-sächsische Werte an ihre Nachkommen weiterzugeben. Fahrten ins Herkunftsgebiet Siebenbürgen, Zeitzeugenberichte und Erzählungen innerhalb der Familie könnten beispielsweise dieses Interesse früh wecken. Wir sprechen viel davon, dass die Integration der Siebenbürger Sachsen in Deutschland sehr gelungen sei. Ich gehe einen Schritt weiter und spreche davon, dass viele unserer Landsleute mittlerweile zu stark integriert oder sogar assimiliert sind. Man braucht sich nur im Bekanntenkreis oder in der eigenen Familie umschauen, diese Fälle sind leider nicht selten. Erst wenn in der Familie das Bewusstsein zum Erhalt einer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft gestärkt bzw. vorhanden ist, können die Landsmannschaft und die vielen anderen siebenbürgischen Vereine hinzutreten und dieser Gemeinschaft Leben geben. Das Negativbeispiel der überalterten Landsmannschaften der nach dem Zweiten Weltkrieg aus den deutschen Ostgebieten vertriebenen und geflüchteten Deutschen zeigt uns, dass wir alle gefordert sind, uns für unsere Gemeinschaft einzusetzen. Im Vergleich zu den "klassischen" Heimatvertriebenen sind wir heute noch eine relativ junge Gemeinschaft. Dieses sollen wir nicht verspielen, sondern alle daran arbeiten, die Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen auch in Deutschland am Leben zu erhalten. Die Chance haben wir. Es liegt an uns allen, wo wir in einigen Jahrzehnten stehen.

Im Jahr 2006 sind in 58 siebenbürgisch-sächsische Tanzgruppen in Deutschland schätzungsweise 1 000 Personen aktiv. Ein großer Teil davon sind Jugendtanzgruppen, die im Rahmen ihrer Kreisgruppe auch die Funktion einer Jugendgruppe erfüllen. Noch sind wir also eine sehr lebendige und aktive Gemeinschaft. Die Unterstützung der Jugendarbeit sollen wir aber nie aus den Augen verlieren. Dr. Wolfgang Bonfert, heute Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft, sagte beim ersten Jungsachsentag der SJD 1987: "Siebenbürgisch-sächsische Jugendarbeit erfordert Hinwendung zur Gemeinschaft, Einsatzfreudigkeit und Leistungsbereitschaft, einen kühlen Kopf und sicher ein warmes Herz." Diesem kann man sich nur anschließen und der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland eine erfolgreiche Zukunft wünschen, zu der wir alle beitragen können.

Rainer Lehni, Bundesjugendleiter der SJD

Schlagwörter: SJD, Jubiläum

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