21. August 2010

Kreisverband Nürnberg: Toleranz – ein nur positives Phänomen?

Am 20. Juli mündete der Vortrag „Religiöse Toleranz in Siebenbürgen – beispielhaft für Europa?“ von Horst Göbbel im Haus der Heimat in Nürnberg in eine lebhafte Diskussion.
Irgendwie ist uns das Begriffspaar geläufig: Siebenbürgen und Toleranz. Toleranz, ein Wort, das wir gerne verwenden, wenn wir auf die Geschichte Siebenbürgens und die Kultur des Zusammen- bzw. des Nebeneinanderlebens in Siebenbürgen zurückblicken. Im Vergleich etwa zum slawischen Westbalkan, wo noch Ende des letzten Jahrhunderts ethnische und (vorgeschobene) Glaubenskriege zwischen griechisch-orthodoxen Serben, muslimischen Bosniaken und katholischen Kroaten wüteten, war Siebenbürgen in seiner modernen Geschichte ein Hort der Toleranz. Oder doch nicht ganz? Diese und viele andere Fragen tauchten beim Vortrag von Horst Göbbel „Religiöse Toleranz in Siebenbürgen – beispielhaft für Europa?“ im Haus der Heimat am 20. Juli auf. Ausgangspunkt war an diesem Tag die aktuelle Debatte in Westeuropa um das Verbot von Burka, Nikab und Tschador, nachdem in Belgien und Frankreich per Gesetz das Tragen des Ganzkörperschleiers in der Öffentlichkeit nicht mehr erlaubt ist. Alice Schwarzer sagt dazu am 20. Juli in der Frankfurter Allgemei­nen Zeitung: „Die muslimische Totalverschleierung ist zutiefst menschenverachtend. … Der Ganzkörperschleier hat in einer Demokratie nichts zu suchen. Er raubt den weiblichen Menschen jegliche Individualität und behindert sie aufs schwerste in ihrer Bewegungsfreiheit…“. Also ist man gegenüber anderen in unserer freiheitlichen Gesellschaft nicht tolerant?

Toleranz, auch Duldsamkeit, ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Zurückblickend auf Siebenbürgen ist hier recht früh der Toleranzgedanke zum Fundament des Zusammen- und Nebeneinanderlebens von unterschiedlichen Ethnien, Religionen, Konfessionen geworden. Dieses Neben- und Miteinander unterschiedlicher religiöser Gruppen war einerseits staatsstabilisierend und kulturfördernd, andererseits hat an diesem Ort gelebter interreligiöser Konkurrenz das ungeschriebene Gesetz bis auf den heutigen Tag Gültigkeit: Wir dürfen konkurrieren, aber, salopp gesagt, wir dürfen uns wegen religiöser oder konfessioneller Unterschiede die Köpfe nicht einschlagen. Während es im Deutschen Reich einen schrecklichen Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) mit konfessionellem Hintergrund gab, floss in Siebenbürgen aus Glaubensgründen zwischen Lutheranern, Griechisch-Orthodoxen, Katholiken, Calvinisten, Griechisch-Katholischen, Juden u.a.m. kein Blut. Das ist eine hoch einzuschätzende Leistung des gesetzlich festgelegten und im Alltag gelebten Toleranzprinzips in Siebenbürgen. Anhand der Geschichte Siebenbürgens etwa ab der Reformation sowie konkreter Beispiele, untermalt mit zahlreichen Bildern aus den Beispielstädten Klausenburg und Hermannstadt, konnten sich die Teilnehmer aktiv in die Diskussion einbringen.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Nürnberg, Vortrag, Diskussion

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