15. Dezember 2013

Mundartveranstaltung in Nürnberg: Siebenbürgisch-Sächsisch versus Fränkisch

Da müsste es doch mit dem Deiwel zugehen, wenn es beim Siebenbürgisch-Sächsischen und Fränkischen keine Gemeinsamkeiten gibt. Und tatsächlich: Ohne irgendwelche Zusammenhänge konstruieren zu müssen, hat ein kurzweiliger Abend mit vier geistreichen Dialektkennern, eingeladen vom Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher, am 10. November im prachtvollen Hirsvogelsaal in Nürnberg den Beweis erbracht, dass sich die beiden Mundarten näher sind, als die Entfernung zwischen Siebenbürger und Franken aufs Erste vermuten lässt. „Wie der Schnabel gewachsen“ – Fränkisch versus Siebenbürgisch-Sächsisch lautete der programma­tische Veranstaltungstitel.
Man findet schnell mehrere kulturelle Güter, die beiden Regionen gemeinsam sind, so etwa die altfränkische Bauweise der Häuser in den Dörfern, die Rolle der Selbstverwaltung und die Nähe zum König – die Siebenbürger Sachsen unterstanden durch Sonderprivilegien direkt dem ungarischen König und Nürnberg war als Reichsstadt ebenfalls unmittelbar dem Kaiser unterstellt – sowie die Bedeutung internationaler Kontakte und Handelsbeziehungen. Der Namens­geber der Hermannstädter Hallerbastei bzw. des Hallertores entstammt gar einem alten Nürnberger Patriziergeschlecht! Auch sprachlich lassen sich einige Beziehungen finden, allein schon der Name deutet darauf hin, zählt das Siebenbürgisch-Sächsische doch zu den moselfränkischen Mundarten. Die beiden Dialekte haben sich seit dem frühen Mittelalter zwar deutlich auseinander entwickelt – das Siebenbürgisch-Sächsische hat beispielsweise die für die Trennung in Nieder- und Oberdeutsch so wichtige zweite Lautverschiebung nur teilweise mitgemacht und bleibt hier beispielsweise mit wat statt was und Appel statt Apfel konservativer –, doch trotz aller Weiterentwicklung hat auch das Fränkische vieles der mittelhochdeutschen Sprachidiomatik bewahrt.

Um nun dem Ursprung und dem Wesen der Siebenbürger Sachsen genauer nachzugehen, haben sich Prof. Heinz Acker (Klavier) und Annette Königes (Gesang) auf einen Streifzug durch das siebenbürgische Mundartlied begeben. Anhand der ausgewählten, von Prof. Acker größtenteils speziell für diesen Abend bearbeiteten Lieder und der dazugehörigen, detailreichen Ausführungen konnten die Zuhörer einiges erfahren über die vermutete Urheimat Flandern (Naer Oostland willen wy ryden), den Freiheitsdrang dieses Völkchens (Et såß e klī wäld Vijelchen), siebenbürgische Werte (Gāde Morjen) oder das Selbstverständnis des sächsischen Bauernstandes (Mēdche wällt te’n Kanter niën?). Die Mannigfaltigkeit des Sächsischen wurde deutlich, als die beiden Musiker von Ackers „Hermannstädter Oxford-Sächsisch“ abwichen und ein Lied in Königes’ Zeidner Heimatmundart zum Besten gaben. Eine Umfrage im Publikum schloss sich daran an: Wie sagt man in den jeweiligen Heimatgemeinden eigentlich ja, nein und Brot? Die verblüffende Vielfalt an Vokalen, die eine Stichprobe aufzeigte, lässt nur erahnen, vor welchen Problemen die Macher des siebenbürgisch-sächsischen Dialektwörterbuchs standen.
Gestalteten gemeinsam eine überaus amüsante ...
Gestalteten gemeinsam eine überaus amüsante Dialekt-Veranstaltung im Hirsvogelsaal, von links: Prof. Dr. Werner Kügel, Günter Stössel, Annette Königes und Prof. Heinz Acker. Foto: Inge Alzner
Der zweite Teils des Abends bewies, dass das Fränkische nicht minder vielfältig ist. Der fränkische Mundartkabarettist Günter Stössel erläuterte das anhand seines Nürnberger Stadtjargons, der aufgrund der starken Zuwanderung aus der Oberpfalz zahlreiche Charakteristika des Bairischen aufweist. Welch wunderbare Ausdrucksmöglichkeiten die beiden an diesem Abend vorgestellten Dialekte bieten, zeigte dann im Folgenden das Rollenspiel „Max und Moritz“: Günter Stössel und Heinz Acker trugen in ihren Rollen als listige Lausbuben abwechselnd Passagen aus Wilhelm Buschs 3. und 4. Streich vor – der eine auf Fränkisch, der andere auf Sächsisch. Um die schwierigsten oder auch schönsten Stellen aber nicht einfach vorbeiziehen zu lassen, hakte Moderator Prof. Dr. Werner Kügel, Präses der Nürnberger Sprach- und Literaturgesellschaft Pegnesischer Blumenorden e.V., an einigen Stellen erklärend oder fragend ein. Das fränkische Zeich und Wår (quasi: Geräte und schriftliche Unterlagen) oder Gwerch (Durcheinander) beispielsweise verdienten dabei genau so wie das sächsische gallig sturkelt hī iwer’n Dirpel oder die Zahlwörter zwin – zwe – zwo eine eingehende Betrachtung. Was hier nach trockener Wissenschaft klingt, war in Wirklichkeit eine in höchstem Maße unterhaltsame Lehrstunde über Sprache(n), aufbauend auf trockenem Humor, derbem Witz und überraschendem sprachlichen Spiel.

Das Ziel, das Prof. Acker, der auch für das Gesamtkonzept dieses unterhaltsamen Abends verantwortlich zeichnet, zu Beginn des Abends ausgegeben hatte, nämlich die Sachsen und die Franken zusammenzubringen und zu verbinden, wurde spätestens beim gemeinsamen Schlusslied Äm Hontertstroch erreicht, bei dem alle Anwesenden (auch bei der Nachmittagsvorstellung im Haus der Heimat) einfach singen sollten „wie ihnen der Schnabel gewachsen“. Viel mehr noch als der bloße Besuch des überwiegend sächsischen Publikums hat das laute Lachen an den richtigen Stellen gezeigt, dass aus einem moselfränkischen bisweilen ein fränkischer Siebenbürger werden kann. Dem Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher sei für die Einladung dieser vier witzigen, charmanten, spontanen und fachkundigen Akteure herzlich gedankt!

Dagmar Seck

Schlagwörter: Nürnberg, Mundart

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