25. Januar 2015

Gedenkveranstaltungen in Drabenderhöhe erinnern an Deportation

Drabenderhöhe – Im Zeichen des Schicksals der vor 70 Jahren zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportierten Deutschen standen am 18. Januar in Drabenderhöhe ein feierlicher Gottesdienst mit dem Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien Reinhart Guib, die Enthüllung einer Gedenktafel, eine Ausstellung sowie eine Lesung aus Zeitzeugenberichten.
Die im August 2014 in Hermannstadt gestartete Ausstellung „Glauben und Gedenken: Kirche unterwegs - 70 Jahre seit Evakuierung und Deportation“, die über Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen und in mehreren Städten zu sehen war, erreichte am 18. Januar ihre letzte Station in der Ev. Kirche Drabenderhöhe. Zu Beginn des Gottesdienstes wies Pfarrer Rüdiger Kapff darauf hin, dass Evakuierung und Deportation zu den historischen Ereignissen zählten, die „bis heute Auswirkungen auf die Siebenbürger Sachsen haben“.

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Vernichtung, Zerstörung, Leid und Not habe der Krieg über die ganze Welt gebracht und in den Seelen der Menschen schlimme Wunden hinterlassen. „Zeit heilt eben nicht alle Wunden“, sagte Bischof Reinhart Guib aus Hermannstadt, der eine beeindruckende Predigt hielt. Denjenigen, die nach dem Sinn des Krieges und der terroristischen Gräueltaten fragten, könne er nur sagen: „Gott hat keine Schuld. Er hat uns einen freien Willen gegeben, über unser Leben selbst zu entscheiden.“ Guib zitierte aus dem Brief eines in die Sowjetunion Verschleppten, der bei minus 30 Grad im schärfsten Schneesturm draußen arbeiten musste: „Nie werde ich vergessen, als wir nicht mehr arbeiten konnten und die ersten Kameraden zusammenbrachen. Diesmal sind wir am Ende.“ Danach habe er in den Wind gerufen „Hilf uns lieber Gott, wir können nicht mehr“. Nach 30 Minuten habe der eisige Wind aufgehört, sei wärmer geworden. Ein Aufseher führte alle zum Aufwärmen an den Hochofen. „Gott hat uns aus wirklicher Not gerettet.“ Frauen, die sich in der Kälte umarmt hatten, um sich gegenseitig zu wärmen, sangen spontan: „Großer Gott wir loben Dich.“ Worte, die unter die Haut gingen.

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Verstohlen wischte sich manch ein Gottesdienstbesucher Tränen aus den Augen. Grüße von der evangelischen Kirchenleitung im Rheinland überbrachte Oberkirchenrätin Rudolph, die daran erinnerte, dass Leid und Krieg keine Naturkatastrophen, sondern von Menschen gemacht worden seien. Feierlich umrahmt wurde der Gottesdienst durch musikalische Vorträge des Honterus-Chors unter Leitung von Regine Melzer.
Enthüllung einer Gedenktafel im Robert-Gassner ...
Enthüllung einer Gedenktafel im Robert-Gassner-Hof in Drabenderhöhe zur Erinnerung an die Flucht und Evakuierung der Siebenbürger Sachsen im September 1944 und die Deportation in die Sowjetunion im Januar 1945, von links: Dr. Hans Georg Franchy, Wilfried Bast, Rainer Lehni, Harald Janesch, Kurt Franchy, Enni Janesch, Bischof Reinhart Guib, Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, Volker Dürr, Superintendent Jürgen Knabe, Pfarrer Frank Müllenmeister, Pfarrer Rüdiger Kapff und Landrat Hagen Jobi. Foto: Christian Melzer
Im Anschluss an den Gottesdienst wurde am Turm der Erinnerung im Robert-Gassner-Hof eine Gedenktafel angebracht, die an Flucht und Vertreibung der Siebenbürger Sachsen im September 1944 sowie an die Deportation in die Sowjetunion im Januar 1945 erinnern soll: „Gegen das Vergessen“ und „Zum Gedenken an den Verlust der Heimat und der Opfer von Hunger, Kälte und Gewalt“. Neben dem Text sind Zeichnungen zu sehen von Adolf Kroner (Die Flucht) und von Friedrich von Bömches (Das Lager).

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Der Ehrenvorsitzende der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, Harald Janesch, enthüllte die Gedenktafel, an deren Gestaltung er mitgewirkt hatte. Pfarrer i.R. Kurt Franchy erinnerte in seiner Rede daran, dass aus Siebenbürgen rund 75 000 Männer, Frauen, Kinder, Alte und Kranke aus der Heimat evakuiert, vertrieben und in die damalige Sowjetunion verschleppt wurden. „Unter schwersten Bedingungen mussten unsere Landsleute dort fünf Jahre lang Wiedergutmachung von Kriegsschäden leisten. Die Folge sei „tausendfaches Leid“ gewesen. Zahlreiche Dorfbewohner und Ehrengäste nahmen an der Enthüllung der Gedenktafel teil, unter anderem Hagen Jobi, Landrat des Oberbergischen Kreises, der Bischof Reinhart Guib, Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, Jürgen Knabe, Superintendent des Kirchenkreises an der Agger, und Wiehls Stellvertretender Bürgermeister Wilfried Bast. Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde vom Blasorchester Siebenbürgen Drabenderhöhe unter der Leitung von Johann Salmen.
In Drabenderhöhe leben heute noch 33 Zeitzeugen ...
In Drabenderhöhe leben heute noch 33 Zeitzeugen der Deportation in die Sowjetunion. Einige davon sind neben den Mitwirkenden der Gedenkfeier im Gemeindehaus auf diesem Bild zu sehen. Foto: Christian Melzer
Am Nachmittag fand eine Gedenkveranstaltung im evangelischen Gemeindehaus statt mit Lesungen aus Zeitzeugenberichten zur Deportation in die Sowjetunion. Sie sitzen in der ersten Reihe, ihre Gesichter wirken versteinert. Die Kurzgeschichten von Zeitzeugen, die Stephanie Schoger und Jaqueline Melzer abwechselnd vorlesen, erinnern sie an die qualvollste Zeit ihres Lebens, die im Januar 1945 in Siebenbürgen mit der Deportation zur Zwangsarbeit in die damalige Sowjetunion begann. Sie gehören zu den letzten der 33 Überlebenden, die in Drabenderhöhe wohnen und als Ehrengäste zur Gedenkfeier ins evangelische Gemeindehaus gekommen sind.

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Die Opfer von Hunger, Kälte und Gewalt hätten körperliches und seelisches Leid erfahren, seien heute noch nicht in der Lage, über das Erlebte zu sprechen, sagte die Kreisvorsitzende Enni Janesch in ihrer Begrüßung. Trotzdem habe sie in den Aufzeichnungen der Zeitzeugen immer wieder die Bereitschaft zu verzeihen gefunden, obwohl sie nicht vergessen können. Janesch ließ in einem Rückblick vor den geistigen Augen der vielen Gäste die große Tragödie in der Geschichte der Siebenbürger Sachsen Revue passieren. Maria Bock zitierte das Gedicht „Ukraine, du bist eisig kalt“. Schoger und Melzer lasen Auszüge aus dem Buch „Das große Leid“ von Rose Schmidt sowie aus Kurzberichten. Läuse, Eisenbetten ohne Stroh, katastrophale hygienische Bedingungen, großer Hunger oder die Sehnsucht nach den Kindern, die sie in der Heimat zurücklassen mussten, sind Inhalt dieser Aufzeichnungen.

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Schwangere wurden zur Abtreibung gezwungen, sind an den Folgen oft gestorben. „Unser Leiden muss der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, damit so etwas nie wieder geschieht.“, heißt es. Die Deportation sei ein besonders tragisches geschichtliches Ereignis, betonte der Vorsitzende der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen und Stellvertretende Bundesvorsitzende Rainer Lehni. Er sprach die Hoffnung aus, dass die in Hermannstadt gestartete Ausstellung „Glauben und Gedenken“ eine Pilgerreise für Frieden und Gerechtigkeit gewesen sei, aus der man Kraft für Neues schöpfen könne. Sein Dank ging an die Kreisvorsitzende Enni Janesch für diese wundervolle Gedenkfeier, die musikalisch umrahmt wurde von der Sopranistin Simone Nestler (Waldbröl) und der Reichshofer Pianistin Helene Jedig.

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Zu den Veranstaltungen hatten die Evangelische Kirchengemeinde Drabenderhöhe und die Kreisgruppe Drabenderhöhe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen eingeladen.

Ursula Schenker

Schlagwörter: Gedenkfeier, Deportation, Drabenderhöhe

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