13. April 2023

Vortrag über die Schauspielerin Joana Maria Gorvin

Im Rahmen der diesjährigen Kulturveranstaltung der Kreisgruppe Mannheim – Heidelberg im Frühjahr hat unser Mitglied Marianne Acker einen interessanten Vortrag über die Schauspielerin Joana Maria Gorvin oder „Die erotische Nachtigall“ gehalten, den wir hier in gekürzter Form wiedergeben.
Joana Maria Gorvin als Lilly im Spielfilm „Apfel ...
Joana Maria Gorvin als Lilly im Spielfilm „Apfel ist ab“ (1948)
Im September 2022 jährte sich der 100. Geburtstag der berühmten Schauspielerin mit siebenbürgischen Wurzeln Joana Maria Gorvin. Auch wenn es kaum noch Zeitgenossen gibt, die diese außergewöhnliche Mimin mit der silbrig-gläsernen Stimme live erlebt haben, wollen wir ihrer gedenken.

Joana Maria Gorvin wurde am 30. September 1922 als Gerda Maria Glückselig in Hermannstadt in eine musisch geprägte Familie hineingeboren. Die Mutter mit rumänischen Wurzeln hatte in Leipzig Gesang studiert und war Gesangspädagogin. Der Vater hatte in Wien bei Gustav Mahler studiert. Der Bruder Carl Egon, zehn Jahre älter als Gerda, war schon 1936 nach Berlin gegangen, um sich bei Clemens Kraus als Dirigent ausbilden zu lassen. Schon als Kind entschloss sich Gerda Schauspielerin zu werden. Nach dem Abitur am Evangelischen Mädchenlyzeum in Hermannstadt absolvierte sie einen „Rapid Steno Kurs“ in drei Sprachen und fuhr nach Berlin. Um an einer Schauspielschule angenommen zu werden, musste man zuerst bei der Reichstheaterkammer eine Eignungsprüfung bestehen. Angenommen wurden nur arische, deutschstämmige Bewerber zwischen 16-20 Jahren. Den Nachweis konnte sie erbringen. Da das Geld knapp war, gibt sie rumänischen Sprachunterricht, um über die Runden zu kommen.

1938 wird Gerda an der Schauspielschule der Preußischen Staatstheater in Berlin angenommen. Sie muss vor Gustaf Gründgens, dem Direktor der Schule, antreten. Allerdings sagt Gründgens, „mit dem Namen Glückselig kann man in dieser Zeit keine Karriere machen und außerdem, liebes Fräulein, von Ihren 100 r-S, lassen Sie bitte 99 weg“. Ihre erste Rolle in der Schauspielschule ist die Zoe Trahanache in dem Stück „Der verlorene Brief“ (O scrisoare pierdută) des großen rumänischen Satirikers Jon Luca Caragiale. Sie hatte das Stück selbst übersetzt. Noch während ihrer Ausbildung nahm sie den Namen Joana Maria Gorvin an. Gorvin leitete sie von dem ungarischen König Mathias Corvinus ab, der auch als Heldengestalt in Siebenbürgen in Märchen und Legenden eine große Rolle spielte.

1940 verließ sie die Schauspielschule, sie hatte den Regisseur Jürgen Fehling (Jürgen Karl Geibel Fehling, *1885 Lübeck, † 1968 Hamburg) kennengelernt, der später ihr Ehemann werden sollte. Jürgen Fehling wird von jetzt an Joanas Mentor. Er hatte ihr großes Talent erkannt. Sie überzeugte nicht nur das Publikum und die Kritik von ihrem Talent, sie überzeugte vor allem Fehling. Von ihm stammt der Ausspruch: „Die Gorvin hat ein geheimnisvolles Etwas in ihrer hohen Kehle. Sie ist eine erotische Nachtigall. Die Gorvin ist eine der seltsamsten Sprecherinnen. Sie verwaltet seltsame Geigentöne. Sie verwaltet gleichzeitig einen geschmeidigen Körper. Ihre Gesten entwachsen dem Herzen“. Die Begegnung mit Fehling führt zu einer der erfolgreichsten Künstler- und Lebensgemeinschaften der deutschen Theatergeschichte, die bis zum Tode des berühmten Regisseurs dauerte. Joana feierte Erfolge am laufenden Band.

Joana Maria Gorvin war vornehmlich Theaterschauspielerin, sie hat selten in Filmen mitgewirkt. In einem Zeitungsartikel im Nachtexpress 1946 in Berlin heißt es: „Über ihre Stimme wird von einigen Schauspielerinnen gesagt, sie sei wie eine Glocke, aber dies hier ist keine Glockenstimme, das ist so, wie geschliffenes Glas klingt, wenn man es berührt, manchmal hell, manchmal dunkler. Immer mit einer sonderbaren leise singenden Monotonie und ein wenig spröde. Sie hat einmal das Gretchen im Urfaust unter Fehling gespielt, und sie soll einmal die Lulu in Wedekinds ‚Erdgeist‘ spielen. Jetzt ist sie die Elektra bei Sartre und sie hat erreicht, was bisher noch keine erreichte: von der gesamten Presse in den Himmel gehoben zu werden.“

In den ersten Jahren nach dem Krieg lernt das deutsche Publikum durch die Gorvin als Schauspielerin neue Stücke aus Amerika, Frankreich oder Spanien erstmals kennen. Während der Nazizeit durften ja nur deutsche Stücke gespielt werden, die der Ideologie entsprachen. Sie war die Elektra in Jean Paul Sartres „Fliegen“, die Johanna in Paul Claudels und Arthur Honeggers „Johanna auf dem Scheiterhaufen“, die Helena in „Der Trojanische Krieg findet nicht statt“ von Jean Giraudoux u. a. Sie wird zu den Wiener Festwochen eingeladen, bekommt Rollen am Burgtheater und am Theater in der Josefstadt.

1955 erhält sie die österreichische Staatsbürgerschaft für kulturelle Verdienste um die Republik Österreich. Es folgen Engagements, hauptsächlich auf großen Bühnen, in München, Berlin, Straßburg, Düsseldorf, Wien.

Noch einmal hat Joana die Gelegenheit, in Hamburg am Deutschen Schauspielhaus mit dem großen Regisseur Gustaf Gründgens zu arbeiten. Gründgens stirbt 1963 in Manila auf den Philippinen, 1968 stirbt ihr Mann Jürgen Fehling. 1971 heiratet sie Dr. Maximilian Bauer. Am Rande Wiens in Klosterneuburg wird sie ansässig. Längerfristige Engagements werden nicht mehr angenommen, sie verwaltet das Archiv ihres Mannes Jürgen Fehling. Daraus entsteht 1985 eine umfangreiche Text- und Fotodokumentation mit dem Titel „Das Theater des Regisseurs Jürgen Fehling“.

An Ehrungen hat es der großen Darstellerin nicht gefehlt: 1974 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, Ehrenmitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg, Ehrenmitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste Frankfurt am Main, Mitglied der Akademie der Künste Berlin u. a. 1992 erhält sie den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis.

März 1993 steht sie zum letzten Mal auf der Bühne. Es ist das Stück „Schlusschor“ von Botho Strauß. Am 2. September stirbt Joana Maria Gorvin in Klosterneuburg, beerdigt wurde sie in Berlin. Ihr Ehemann Maximilian Bauer stiftete zur Erinnerung an seine Frau 1995 den Joana-Maria-Gorvin-Preis. Dieser Preis wird alle fünf Jahre von der Akademie der Künste Berlin an eine herausragende Schauspielerin im deutschsprachigen Raum vergeben. Der Preis ist mit 25000 Euro dotiert.

Der Vortrag war mit viel Bildmaterial als PowerPoint-Präsentation aus dem Leben und Wirken der Gorvin illustriert. Zusätzlich zeigte Marianne Acker anschließend eine Videodokumentation mit szenischen Auftritten und Statements berühmter Regisseure und Schauspielkollegen zu der begnadeten Mimin Gorvin.

Nach dem Vortrag gab uns unser Vorsitzender Hans-Holger Rampelt noch einige Informationen zu den bevorstehenden Terminen des Jahres. In lockerem Beisammensein bei Kaffee, Kuchen und verschiedenen Getränken endete der Nachmittag.

O. Götz

Schlagwörter: Mannheim – Heidelberg, Vortrag, Schauspielerin, Porträt

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