17. September 2010

Schuschnigs auf Gastspielreise in Siebenbürgen

Das von den Brüdern Mark und Tristan Schuschnig geleitete „Figurentheater am Burgtor“ aus Rothenburg ob der Tauber zeigte beim Sommerfestival des Jugendtheaters „Gong“ in Hermannstadt das bekannteste Stück des italienischen Dramatikers Carlo Goldoni (1707-1793): „Der Diener zweier Herren“. Für diese Inszenierung von Vater Hanns Schuschnig hat Mutter Beatrice, geborene Gutt, die Puppen hergestellt. An dem gut besuchten Sommerfestival des Jugendtheaters „Gong“, das vom 6. bis 12. Juli 2010 stattfand, nahmen auch Studentengruppen aus Hermannstadt, Klausenburg und Bukarest teil. Im Folgenden berichtet der siebenbürgische Theaterregisseur Hanns Schuschnig wenig über die Gastspielreise; ihn beschäftigen vielmehr die besuchten Erinnerungsorte.
Sommer 2010. Wieder einmal in Hermannstadt. Wir hatten eine Einladung zu dem Sommerfestival des Jugendtheaters „Gong“, spielten dort von Goldoni „Der Diener zweier Herren“. Wir, das heißt das „Figurentheater am Burgtor“ aus Rothenburg ob der Tauber, das mit „Gong“ im Austausch steht.

Das Festival ging zu Ende und uns blieb ein Tag zur freien Verfügung, ein Sonntag! Meine Söhne wollten den Tag unbedingt für einen Besuch in Birthälm nutzen. So fuhren wir los. Unsere erste Station war allerdings ein weniger bekannter Ort: Wassid. Ein kleines Dorf, etwas abseits der Straße nach Kopisch, in einer Lehmgrube versteckt. Hier hatte ich 1945 ein Jahr als Hilfslehrer verbracht und hatte seither nie mehr Gelegenheit gefunden, es zu besuchen. Ich erkannte das Dorf nicht wieder. Häuser standen nur noch vereinzelt, Schule und Pfarrhaus waren abgerissen, nur die Kirchen verharrte noch auf dem kleinen Hügel. Die Tür war verschlossen. Als wir gerade abfahren wollten, kam aus einem kleinen blauen Haus gegenüber ein alter Mann mit einem Schlüssel in der Hand. Bucur hieß er. Er erzählte, dass es keinen Sachsen mehr in Wassid gebe, dass der letzte, sein guter Freund Wetschesa, vor zwei Jahren verstorben sei, dass er nun auf dem Weg zur Kirche sei, da er diesem vor seinem Tod versprochen habe, jeden Sonntag um 12 Uhr die Glocken zu läuten in Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit. Er schloss die Kirche auf, stieg mit meinen Söhnen auf den Turm und sie läuteten gemeinsam die Glocken. Das Innere der Kirche bot ein Bild der totalen Zerstörung. Nur die Kanzel schien unverwüstlich, sie war aus festen Ziegeln gemauert. Wie oft hatte ich hier aus der Bibel vorgelesen, denn der Pfarrer war in Russland. Meine Söhne rauchten mit Bucur eine Zigarette. Und er schenkte mir ein altes Gesangbuch, das er in der Kirche gefunden hatte.
Szenenfoto aus „Der Diener zweier Herren“: Beim ...
Szenenfoto aus „Der Diener zweier Herren“: Beim Sommerfestival des Jugendtheaters „Gong“ in Hermannstadt zeigte das von Mark und Tristan Schuschnig geleitete„Figurentheater am Burgtor“ aus Rothenburg ob der Tauber das bekannte Goldoni-Stück.
Wir werden wohl nie mehr den Fuß nach Wassid setzen. Nun wollten wir weiter, über Marktschelken nach Birthälm. Wir nahmen einen Feldweg, den ich früher öfter zu Fuß gegangen war. Schon nach wenigen Minuten gab es keinen Weg mehr und wir fuhren über unbeschreiblich schöne Wiesen, auf denen alle Kräuter der Welt ihre Aromen verbreiteten, von bunten Schmetterlingen umgaukelt, wie durch einen Traum vom Paradies. Dann, Birthälm. Viele Touristen, Busse aus der Bundesrepublik und aus England. Ein Gewirr von Sprachen. Wie viele Erinnerungen stürzten auf uns ein. Besonders das Jahr 1968, als wir hier mit dem Temeswarer Theater eine Freilichtaufführung mit Lessings „Nathan der Weise“ spielten. Peter Schuch, Hans Pomarius, Otto Grasssl, Ursula Armbruster, Hadamut Becker, von denen die meisten nicht mehr unter uns weilen. „...Wie kann ich meinen Vätern weniger als du den deinen glauben?“ Selten hat Text und Untertext so zusammengeklungen wie hier, in den unzerstörbaren Mauern...

Damals hatten sich noch weit über zweihundert Zuschauer hier versammelt! Nachher, im Gasthof zu Füßen des Burgberges, dann die Ernüchterung. Nie habe ich einen schlechteren Wein getrunken als hier. Fünf Kilometer von Reichesdorf entfernt! Eine wahre Schande. Es ging zurück Kurzer Aufenthalt im Mediasch, wo ich seinerzeit (1940) ein Schuljahr verbrachte, weil ich es in Hermannstadt nicht geschafft hätte. Hier hat sich wenig verändert. Schade um den stattlichen Marktplatz, der in dem Gestrüpp des „Park‘s“ sozialistischer Herkunft versinkt! Herrlich wie immer der Altar und die alten, kaum veränderten Gassen! Letzte Station: Wurmloch. Doch die Kirche ist schon gesperrt. Etwas früh für einen Sonntag, an dem doch so viele Touristen unterwegs sind. Aber ein Anlass, wieder zu kommen. Der Abend dieses langen Tages so voll von Erinnerungen und Wehmut klingt würdig aus. Zum Abschied wind wir zu Gast bei der Direktorin des „Gong“-Theaters, einer alten Freundin aus der Glanzzeit des Hermannstädter Puppentheaters, als noch Hedwig Szaunig, Lia Andree und viele andere mit ihren Puppen weit über die Grenzen hinaus Aufsehen erregten. Damals, als wir 1969 im Rahmen des „Cibinium“ auf der Fingerlingsstiege Wilhelm Buschs „Fromme Helene“ spielten. 700 Zuschauer drängten sich auf den dürftigen Bänken. Damals lernte Mihaela Grigoras als blutige Anfängerin die Grundregeln des Puppenspiels. Heute leitet sie das Hermannstädter Kinder- und Jugendtheater „Gong“. Wir sitzen zu sechst um den großen, runden Tisch, essen Kletitten mit Heidelbeeren und sind froh, unter Freunden zu sein.

Hanns Schuschnig

Schlagwörter: Theater, Hermannstadt

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