16. November 2010

Bundesfrauenreferat tagte in Bad Kissingen/Susanne Kastner als Referentin

Im Oktober 2010 fand in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen die Tagung des Bundesfrauenreferates zum Thema „Frauenleben im Wandel – Traditionelle und moderne Lebensentwürfe“ statt. Der Leiter der Tagungsstätte, Gusti Binder, und die Bundesfrauenreferentin Enni Janesch hatten die Tagung gemeinsam vorbereitet.
Nach einer Vorstellungsrunde begann die Tagung am Freitagabend mit einer Lesung aus dem Buch „Mit der Sonne steh ich auf. Eine Bäuerin erzählt aus ihrem Leben“. Der ehemalige stern-Reporter Werner Schmitz aus Bochum hat die Erzählungen von Sara Dootz aus Deutsch-Weißkirch aufgezeichnet und als Buch herausgegeben. Recherchen zu seinem Krimi „Das Karpatenprojekt“ hatten ihn nach Siebenbürgen geführt, wo er Sara Dootz kennenlernte, deren Erzählungen er unverfälscht wiedergibt, ohne ihre Sprache zu glätten (siehe Siebenbürgische Zeitung vom 30. Juni und 30. September 2010). Weil die Lesung so gut bei den fachkundigen Zuhörerinnen ankam, las der Autor auch ein Kapitel aus seinem Krimi „Das Karpatenprojekt“, der in Wolkendorf spielt.

Waltraud Hartig-Hietsch aus Drabenderhöhe hielt das Referat „Siebenbürgisch-sächsische Frauenpersönlichkeiten“, in dem sie stellvertretend drei Frauen vorstellte: Adele Zay (1848-1928), Gründerin und Direktorin der Kindergärtnerinnen-Bildungsanstalt in Kronstadt sowie Vorsitzende des Freien sächsischen Frauenbundes; Therese Bacon (1824-1911), Gründerin des Vereins für Frauenbildung in Schäßburg, Mutter von neun Kindern, darunter Marie Stritt; und Therese Jikeli (1821-1890), erste diplomierte Kindergärtnerin, Vorsteherin des Evangelischen Frauenvereins und Mutter einer Tochter. Für alle drei gilt, dass sie sich in einer Zeit, als die Ausbildung der Mädchen und Frauen vernachlässigt und nicht erwünscht war, für deren Ausbildung in Siebenbürgen einsetzten und diese revolutionierten. Alle stammten sie aus wohl situierten Familien und hatten schon in ihrer frühen Kindheit eine gute schulische Erziehung genossen. Doch vor allem ihr unbeugsamer Wille, etwas zu erreichen und zu verändern, ihr stetiger Kampf gegen das fast Unmögliche machten sie zu Persönlichkeiten, von deren Visionen man heute noch lernen kann.

Die Batikkünstlerin Brigitte Willach aus Hannover referiertet über „Frauenleben aus Indonesien“. Sie berichtete über Land und Leute sowie über die Kultur dieses Landes, das aus mehr als tausend Inseln besteht. Die Frauen pflegen die Kunst des Batikens, eine Tätigkeit, die über Jahrzehnte von den Vorfahren weitergegeben wurde und heute noch besonders gepflegt wird. Sie sprach über ihren ersten Kontakt zu den Batikerinnen, ihre besondere Beziehung zu Java und im Besonderen zu Jogjakarta (sie war bereits 26 Mal dort) und die tiefe Verwurzelung und den Respekt vor dem Leben dieser Frauen. Sie stellte die so genannten „Lastenträgerinnen“ vor, eine Gruppe von Frauen, die Marktbesucher begleiten und deren Lasten, oft zwischen 50 und 70 kg, für einen geringen Verdienst tragen. Diese Frauen stehen auf der untersten sozialen Stufe der Gesellschaft. Einen besonderen Bezug hat die Künstlerin zum traditionellen indonesischen Batikgewerbe, das 2009 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Frauengruppen erstellen in Heimarbeit Batiken und ernähren sich und die Familien durch den Verkauf ihrer Arbeiten. Für die Frauen beider Gruppen sammelt Frau Willach Spenden, die sie selbst bei ihren Besuchen in „Jogja“ übergibt. Schon ein kleiner Beitrag kann viel bewirken und diesen Frauen in einem Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe“ bieten. Kleinstkredite helfen bei der Gründung eines eigenen Geschäftes, das oft die ganze Familie ernährt.

Die Referentin stellte auch Frauenpersönlichkeiten aus der den höheren Gesellschaftsschichten vor, mit denen sie in engem Kontakt steht: Hanni Winotosastro, Leiterin einer renommierten Batikmanufaktur, und die Modeschöpferin Carmanita, die „Jil Sander Indonesiens“, die in ihren Entwürfen Stoffe mit modernem Batikdesign verwendet. Zum Schluss nannte sie Prinzessin Raden Auy Kattini (1879-1904), die sich in ihrem kurzen Leben für die Rechte der Frauen und vor allem für deren Schulbildung eingesetzt hatte.

Christa Wandschneider aus München stellte das Buch „Blumenkind“ von Claus Stephani, des 1938 in Kronstadt geborenen Schriftstellers, Ethnologen und Kunsthistorikers, vor. Mit dem Roman „Blumenkind“ ist ihm der Durchbruch als Schriftsteller gelungen. Beeindruckt und berührt verfolgten die Teilnehmerinnen den tragischen Lebensweg des „Blumenkindes“ Beila und ihrer Tochter Maria. Es war eine gelungene Präsentation eines Romans, der auf wahren Begebenheiten beruht und zeitgeschichtliche Aspekte behandelt.
Teilnehmerinnen der Tagung des ...
Teilnehmerinnen der Tagung des Bundesfrauenreferates. Foto: Herta Speri
Ihren Vortrag „Kleidungsverhalten in der Russlanddeportation 1945-1949“ begann die Referentin Dr. Irmgard Sedler mit Identitätsmechanismen im internationalen Raum und ging dann auf Kleidungsverhalten in Grenzsituationen, als Sonderfall während der Deportation der Siebenbürger Sachsen nach Russland, ein. Herausgerissen aus dem bäuerlichen Alltag wurden die Russlandverschleppten vor Situationen gestellt, die von Hunger, Krankheiten und Arbeit unter ungewohnten und erschwerten Verhältnissen geprägt waren. Glück hatten nur die wenigen, die warme Kleidung in ihren Koffern hatten. Frau Sedler zeigte auf, wie sich das Kleiderverhalten während der Zwangsarbeit wandelte. Als sich die wirtschaftliche Lage etwas besserte, entwickelte sich eine Kleidung, die derjenigen der Russinnen angepasst war. Diese Kleider brachten die Frauen bei ihrer Rückkehr nach Siebenbürgen mit und beeinflussten damit die dortige Mode. Die vor der Deportation getragene Kleidung wurde nicht mehr getragen, nur die Festtracht blieb erhalten. Die Forschungen der Referentin beziehen sich auf die Landlergemeinden Neppendorf, Großau und Großpold. Der Vortrag war auf viele Zeitzeugenaussagen aufgebaut, die sie mit Bildern belegte.

Samstagnachmittag war ein prominenter Gast angesagt. Dr. h.c. Susanne Kastner, MdB, Berlin, berichtete über „Moderne Lebensentwürfe für Frauen: Vereinbarkeiten von Familie und Karriere durch gestaltete Politik“. Nach der Revolution 1989 und der Öffnung der Grenzen am 9. November desselben Jahres organisierte sie zunächst Hilfstransporte nach Rumänien. 1992 folgte die Gründung eines Vereins, die Errichtung eines Kinderheimes und eines Appartements für bedürftige Jugendliche sowie eines Dachverbandes für NGOs (Nichtregierungsorganisationen). Der Dachverband stellt die Infrastruktur vor Ort und der rumänische Staat trägt die (soziale) Verantwortung für die Kinder in den betreffenden Einrichtungen. Darüber hinaus berichtete Frau Kastner über die Aufgabenbereiche, die Frauen in der deutschen Politik abdecken, und stellte Vergleiche zu Rumänien her, sowohl die Quote als auch die Aufgaben betreffend.
Die Bundesfrauenreferentin Enni Janesch bedankt ...
Die Bundesfrauenreferentin Enni Janesch bedankt sich bei Susanne Kastner, MdB. Foto: Kathi Drotleff
Die Bundestagsabgeordnete ist stolz darauf, dass in Deutschland in diesem Jahr das Elterngeld durchgesetzt wurde. Sie setzt sich für das Recht des Kindes auf kostenfreie Bildung ein. In der weiteren Diskussion ging sie auf das mangelnde Demokratieverständnis in Rumänien, die Gehaltskürzung für ein Jahr im öffentlichen Dienst, das Problem der deutschen Schulen in Rumänien, das „SGB 9“ für Menschen mit Behinderungen und die Probleme mit der rumänischen Administration (die Altenheime in deutscher Trägerschaft betreffend) ein. Enni Janesch dankte der Ehrenbürgerin der Städte Hermannstadt und Lipowa für ihre Ausführungen und die Diskussionsbereitschaft und überreichte ihr die beiden Bücher von Werner Schmitz.

Am Sonntag stimmte Christa Andree aus Heilbronn in einer Morgenandacht mit Gedanken zum Erntedankfest auf den Tag ein. Auch Aufgabenbereiche der Verbandsarbeit wurden erör­tert: Berichte von der Reise des Bundesvorstandes nach Siebenbürgen und vom Sachsentag in Bistritz, Heimattag 2010 und Vorschau auf den Heimattag 2011 mit dem Schwerpunkt „Burzen­land – 800 Jahre Ritterorden“, Sachsentag 2011 in Kronstadt, Nachrufe und Gratulationen. Die Bundesfrauenreferentin stellte das Projekt „Meditatives Wandern durch Siebenbürgen“ von Ilse Philipp, Hermannstadt, vor. Durch meditatives Wandern/evangelisches Pilgern soll die Heimat Siebenbürgen erkundet werden. Ein Video mit der Vorführung von „Siebenbürgisch-sächsischen Brautpaaren“ der Kreisgruppe Heil­bronn unter der Leitung von Christa Andree und Ines Wenzel bei der 60-Jahr-Feier der Landesgruppe Baden-Württemberg wurde als Beispiel für die kulturelle Arbeit in unserem Verband gezeigt.

Enni Janesch kündigte an, sich beim Verbandstag 2011 nicht mehr als Bundesfrauenreferentin zur Wahl zu stellen. Sie dankte für die gute Zusammenarbeit in den 15 Jahren ihrer Amtszeit. Bis zur Neuwahl nimmt sie die Geschäfte weiter wahr. Als ihre Nachfolgerin schlug sie Christa Wandschneider vor. Diesem Vorschlag stimmten die Teilnehmerinnen einstimmig zu.

Es war eine gelungene Tagung mit hochwertigen, informativen Referaten, sachkundigen Diskussionen und Beiträgen, angeregten Gesprächen, entspannendem Singen – und das alles bei harmonischem Miteinander und guter Betreuung im Heiligenhof in Bad Kissingen. Dank an alle, die dazu beigetragen haben.

Enni Janesch

Schlagwörter: Frauen, Tagung, Bad Kissingen

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