28. November 2010

Zum 150. Geburtstag des Stadtpfarrers und Dichters Carl Martin Römer (1860-1942)

Vor 150 Jahren, am 25. November 1860, erblickte Carl Martin Römer auf dem Pfarrhof in Zuckmantel – einem der 13 Dörfer zwischen Großer und Kleiner Kokel – das Licht der Welt. Sein Vater Georg Römer war hier Pfarrer. Mütterlicherseits war die Familie in Mediasch bzw. in Schässburg beheimatet. Lesen und schreiben lernte er von seinem Vater auf dem Pfarrhof. Im zweiten Schuljahr kam er nach Mediasch, wo er bei Verwandten im Heydendorffischen Haus wohnte. Bezeichnend für den lebhaften Knaben ist die Begrüßung, die ihm der alte Stadtpfarrer Josef Fabini zuteil werden ließ, wenn er zum Spielen zu dessen Enkel Ludwig, dem späteren k.u.k. General, auf den Pfarrhof kam: „Na kist te, tea biser Römer!“ („Kommst du, du schlimmer Römer!“) Von 1868 bis 1880 besuchte er die Volksschule und das Gymnasium, um dann von 1880 bis 1881 als Einjährig-Freiwilliger im k.u.k. Feldjägerbataillon Nr. 23 in Klausenburg zu dienen.
Von 1881 bis 1886 studierte er Theologie, Philosophie und Germanistik an den Universitäten Klausenburg, Halle, Berlin und Jena. Anschließend trat er für ein Jahr die Stelle eines Hauslehrers bei Graf Haller in Heviz an, gefolgt von einem Probejahr am evangelischen Gymnasium in Mediasch. Am 15. März 1888 erwarb er sein Mittelschullehrer-Diplom in Klausenburg, wonach seine definitive Anstellung am Mediascher Gymnasium erfolgte. Neben seinem Lehrerberuf engagierte er sich im gesellschaftlichen Leben der Stadt. Er wurde zum Vorsteher des Turnvereins gewählt und auch Schriftführer beim Musikverein. Im August 1890 wurde er Mitglied des Hauptverbandes des Gustav-Adolf-Vereins. Im November des gleichen Jahres heiratete er dann die Kaufmannstochter Mathilde Brekner aus Mediasch.

In den Jahren 1888-1893 betrieb er maßgeblich die Gründung des Museums „Alt Mediasch“, wobei ihm Ludwig Leutschaft und Apotheker Fritz Auner als engste Mitstreiter zur Seite standen. Neben Michael Rosenauer, einem Enkel Stephan Ludwig Roths, wurde er einer der Führer der „Grünen“ in Mediasch und Umgebung, wie man die überwiegend der jüngeren Generation angehörenden Vertreter einer fortschrittlichen politischen Richtung damals bezeichnete. Bis 1903 war er zeitweilig auch Schriftleiter des ab 1893 bei G. A. Reissenberger verlegten „Mediascher Wochenblattes“.

Ein besonderer Abschnitt seines Lebens begann, als der Mediascher Musikverein 1893 den Thüringer Musiker Hermann Kirchner zu seinem Musikdirektor berief. Kirchner und Römer wurden Freunde und schufen in gemeinsamer Arbeit volkstümliche sächsische Lieder, zu denen Römer die Verse lieferte und Kirchner die einprägsamen Weisen komponierte. So entstand im Juni 1896 auch der Text zu „Bäm Hontertstreoch“, das in freier Komposition von Hermann Kirchner im Sommer 1897 in dessen erstem Heft der „Siebenbürgisch-sächsischen Volkslieder“ erschien.
Carl Martin Römer ...
Carl Martin Römer
„Bäm Hontertstreoch“ ist bei weitem das bekannteste der Kirchnerschen „Volkslieder“, das nach seiner Aufnahme in das „Kaiserliederbuch“ rasch den Globus umrundete und im Sangesgut vieler Völker als eigenes Lied angesehen wurde. Die gewiss bemerkenswerteste Überraschung stellte eine Karte aus Japan dar, die der Dichter 1939 erhielt. Ihr Absender, ein Europäer auf Reisen, schrieb an Römer, der darauf abgebildete Drucktext sei die japanische Fassung des Holderstrauchliedes. Es hatte in wenigen Jahrzehnten eine Reise um die ganze Welt gemacht. Carl Römers schlichtes Gedicht hat in Kirchners melodischer Hülle offenbar Menschen in aller Herren Länder besonders berührt und verbunden, auch wenn sie davon nichts ahnten. In der Folgezeit entstanden weitere Gedichte, die Kirchner vertonte: „Wånderlīd“, „Hīrd er de Roff erklaingen?“, „Wī huët den Streoß gebeangden?“, „Hīmetstroa“ (das ist die 3. und 4. Strophe des später als „Zeisken“ bekannten Liedes), „De Breokt vun Urbijen“, „Dea äm Frähjohr af der Wis“ und „De grän Jäjer“.

1903 wurde Römer als Pfarrer nach Agnetheln gewählt und 1909 nach Meschen, bis er schließlich 1916 in das ehrwürdige Amt des Stadtpfarrers von Mediasch berufen wurde, wo er 25 segensreiche Jahre lang wirkte. Sein Ansehen führte dazu, dass er unsere evangelische Kirche bei wichtigen internationalen Veranstaltungen vertrat: 1910 bei der 62. Hauptversammlung der evangelischen Gustav-Adolf-Stiftung in Stralsund, 1929 bei der „400-Jahrfeier der Protestation“ in Speyer, wo er am Pfingstsonntag als Bischofsvikar der evangelischen Kirche A.B. in Rumänien die Hauptpredigt im Dom hielt, und 1930 auf dem internationalen Kongress für Innere Mission in Uppsala (Schweden). Im Juni 1941, nach 52 Jahren im Dienste der evangelischen Landeskirche, trat Carl Martin Römer in den verdienten Ruhestand. Am 7. Oktober 1942 sollten sich seine Augen im Alter von 81 Jahren für immer schließen.

Bereits in jungen Jahren begeisterte sich Römer für die Dichtkunst. Ausschlaggebend für sein literarisches Schaffen waren die in Deutschland verbrachten Studienjahre. In Halle trat er dem studentischen Shakespeare-Verein bei, zu dessen leitenden Mitgliedern er bereits nach kurzer Zeit gehörte. Nach Hause zurückgekehrt, ­begann er, wie bereits eingangs dargestellt, Gedichte in Mundart zu schreiben, die zu Liedtexten bestimmt waren. Er verstand es, „sich die Stilmittel des echten Volksliedes zu eigen“ zu machen und wurde so zum „meistgesungenen Lyriker“ der Siebenbürger Sachsen (Rudolf Hörler). Außer der Lyrik gehört zu seinen Werken die geschichtswissenschaftliche Arbeit „Aus Vergangenheit und Gegenwart der Gemeinde Meschen“ (1912), eine literaturwissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Das Drama in der neueren siebenbürgisch-sächsischen Literatur“ sowie die kirchengeschichtliche Arbeit „Innozenz III.“ (veröffentlicht im Mediascher Wochenblatt 1901).

Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Mundartautoren, Mediasch, Porträt

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