29. April 2011

„Una fantasia quasi instrumentale“

Reinhardt Schusters neue Wandgestaltung in der Bonner Musikschule
„Una fantasia quasi instrumentale“ nennt Reinhardt Schuster seine neue Wandgestaltung in der Musikschule in Bonn-Poppelsdorf. Witz und Ernst sind hier benachbart, Vorstellungskraft und – herausgefordert von dem Zusatz „quasi“ – eine spürbare, vom Künstler gewollte und gelungene Leichtigkeit. So war die Übergabe des Kunstwerks an einem Samstagnachmittag im Juni 2010 eine fröhliche Stunde mit Musik und unverkrampften Ansprachen vor einem Publikum, das sich auch für weniger übliche Kunst aufgeschlossen zeigte. Denn eine solche ist die neue Wandgestaltung von Reinhardt Schuster sowohl von der Idee her wie in Material und Ausführung. Fund- und Versatzstücke ordnen sich hier einer Bildidee unter, ausgesägte Holzteile, Linien, Saiten und Röhren, die jedes für sich und gemeinsam an Musikinstrumente erinnern oder doch musikalisch wirken. Ein einziges Originalteilchen – das Mundstück einer Blockflöte, ins Hauptpaneel eingefügt und verfremdet – ist auszumachen. Eine zentrale Funktion kommt ihm indessen nicht zu. Die Wirkung der Wand ist orchestral, sie tönt gleichsam. ,,Die plastisch gestalteten Formelemente rücken aus dem Bild heraus und werden in ihrer Bewegung von den umliegenden Figuren aufgenommen und weitergeführt.“ So beschreiben es die Schüler der Musikschule in der Schulzeitung. Sie bedankten sich, gemeinsam mit Schulleiter Uwe Gäb und Bezirksschulleiter Ulrich Cox, mit einem festlichen Konzert, das mit Schusters Lieblingsstück „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt eingeleitet wurde.
Reinhardt Schuster: Una fantasia quasi ...
Reinhardt Schuster: Una fantasia quasi instrumentale, Montage, 2 x 5 Meter. Foto: Roland Rossner
Der Dank von Schülern und Schule galt nicht allein dem Künstler, sondern in gleicher Weise seiner Frau Valentina, der Initiatorin des Werkes, die hier seit 25 Jahren unterrichtet und deren Kammermusikklasse Arvo Pärt und zum Abschluss des Konzerts Dmitri Schostakowitsch aufführte. Die Wandgestaltung ist in gewisser Weise ein Geschenk an die Schule und ebenso eine Selbstbestätigung für den Künstler, der hier nicht einer Auftragsarbeit nachkam, sondern einer selbst gestellten Herausforderung. Wer Schusters malerisches und grafisches Werk kennt, mag über die Wandgestaltung in der Bonner Musikschule zunächst befremdet sein. Beim näheren Hinsehen jedoch sind die für Reinhardt Schuster eigenen Merkmale leicht zu erkennen. Sowohl in seinen Gemälden als auch in den Zeichnungen sind verspielte Züge auszumachen, die sich während der Arbeit am Bild ergeben, weiterentwickeln und sogar bildbestimmend sein können. Umgekehrt sind in seiner „fantasia quasi instrumentale“ Form- und Farbelemente zu finden, die uns aus anderen Arbeiten bekannt sind und gedankliche Anlehnungen oder Überleitungen zum Gesamtwerk begünstigen.

Spätestens jetzt, nach Fertigstellung der Arbeit, wird bewusst, dass die Wand in Bonn ein echter Schuster ist und einen markanten Platz im Gesamtwerk des aus Siebenbürgen stammenden Künstlers darstellt. Sie ist ausgewogen in der Proportion, farblich stimmig und – auch wenn das heutzutage eher bedenklich wirkt – harmonisch. Sie überfordert nicht, sie ist lesbar, ohne simpel zu sein, dem Ort angepasst und doch in sich selbst geschlossen. Das geordnete Chaos, dem wir in seiner vor einigen Jahren entstandenen Montage „Siebenbürgische T-Raumstation“ (einer Hommage an Conrad Haas, den Feuerwerksraketenbauer, und an den Raumfahrtpionier Hermann Oberth) begegnen, ist in Bonn einer übersichtlichen Anordnung gewichen, die freilich der jeweils eigenen „fantasia“ nichts vorwegnimmt. Die einzelnen Elemente, auf den ersten Blick austauschbar und in scheinbar naive, tatsächlich aber sehr gut überlegte Anordnung um das zentrale Paneel gruppiert, korrespondieren miteinander und ergeben, um es modern auszudrücken, einen beschwingten Sound. „Ein Werk“, wie die Schüler meinen, „in dem ein Ton den anderen gibt und das uns in seiner Klangfülle begeistert.“

Wie sich das auch räumlich zu übertragen vermag, zeigt die Ausrichtung des Konzertsaales der Schule, die zur Übergabe des Bildwerks kurzerhand umgekehrt wurde, so dass die vormalige Rückwand nach ihrer künstlerischen Ausgestaltung zur Stirnwand umfunktioniert worden ist. Ein sicheres Zeichen für die Annahme des Werks seitens der Schulleitung und ebenso seitens der Schüler und des Publikums in diesem traditionsreichen Hause in Bonn, in dem der Sinn für das Schöne und Geistige gepflegt und gefördert wird.

Nach der in Düsseldorf-Bilk von Reinhardt Schuster gestalteten Tordurchfahrt (zwei 15 Meter lange und 3,25 Meter hohe Wände) und der großformatigen „T-Raumstation“ ist die Montage in der Bonner Musikschule bereits das dritte Monumentalwerk, mit dem der Künstler innerhalb der letzten Jahre an die Öffentlichkeit getreten ist. Wer ein eher abgeklärtes Alterswerk des heute Vierundsiebzigjährigen erwartet hat, wird verwundert feststellen, dass dieser wie nie zuvor nicht nur das große Format wagt, sondern auch von geradezu jugendlicher Freude am Experiment durchdrungen ist. Eine schöne und befreiende Sorglosigkeit mag dahinter stehen, vor allem dem Markt gegenüber und all dem, was ihn bestimmt. Mit siebzig muss man sich nicht mehr beweisen und darf der sein, der man ist. Es war nie Schusters Sache vorlaut zu sein, zaghaft in der Kunst war er indessen nie. Somit überrascht es eher nicht, wenn er im Alter zu großen Entwürfen neigt und diese auch‚ auszuführen nicht nur gewillt, sondern auch in der Lage ist.

Franz Heinz


Reinhardt Schuster wurde 1936 in Brenndorf geboren, erhielt ersten Malunterricht in Kronstadt bei Hans Mattis-Teutsch, besuchte das Kunstlyzeum und anschließend die Kunstakademie in Bukarest. Zahlreiche Einzelausstellungen in europäischen Kunstzentren und in Japan. Seine Bilder befinden sich in staatlichem und privatem Besitz in Rumänien, Deutschland, Japan, Großbritannien, Österreich, Dänemark, Finnland, Luxemburg, den USA und der Schweiz.

Schlagwörter: Malerei, Bonn, Reinhardt Schuster

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