2. Juni 2011

Dem Maler und Lehrer Kaspar Lukas Teutsch zum 80. Geburtstag

Als Kaspar Lukas Teutsch am 31. Mai seinen 80. Geburtstag feierte, konnte der heute in München lebende gebürtige Kronstädter auf ein über 50-jähriges künstlerisches Schaffen zurückblicken, ein Lebenswerk, das im doppelten Sinn gezeichnet ist: einerseits von den historischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts, anderseits von der Hand eines Künstlers, der nicht nur alle graphischen Techniken meisterhaft beherrscht, sondern auch malt, formt, und schreibt. Im Folgenden soll weniger das Leben als vielmehr das Werk des Jubilars anhand von ausgewählten Arbeitsphasen gewürdigt werden. Vorab noch die Warnung, dass der Verfasser dieser Zeilen nicht unparteiisch ist; er war 1985-88 Schüler des Künstlers und verdankt, mittlerweile selbst Maler und Lehrer, seinem Mentor fast alles, was in der Kunst vonnöten ist: eine unersättliche visuelle Neugierde, Experimentierfreudigkeit und die damit einhergehende Bereitschaft, sich dem kreativen Prozess vorbehaltlos auszuliefern, aber auch Disziplin und Beharrlichkeit, um die eigene künstlerische Vision gegen Widerstände durchzusetzen.
An solchen Widerständen hat es Kaspar Teutsch nicht gemangelt. Da war zunächst die ständige Bevormundung, unter der seine Kunst seitens des rumänischen Kulturapparats zu leiden hatte. Und in Deutschland sah er sich mit der nicht minder existenziellen Frage konfrontiert, wozu seine Kunst überhaupt gut sei, wenn es dem kapitalistischen Kunstmarkt egal ist, was er sich jahrzehntelang unter Gefahr erarbeitet hat.

Kaspar Teutsch, 2011. ...
Kaspar Teutsch, 2011.
Aus solchen Frustrationen – die Demütigung des Freiheitsentzugs, ersetzt durch die Gleichgültigkeit der schrankenlosen Freiheit – ist die Intensität der beeindruckenden Zeichnungen, Radierungen und Objektkästen der Dekade zwischen den späten 70er und 80er Jahren zu erklären. In vielen Arbeiten ist Genähtes, Geflicktes, Geschnürtes und Gefesseltes, mitunter auch Amputiertes, dargestellt, Symbole zweifellos für die psychologischen Befindlichkeiten des Künstlers, dem in dieser Zeit nicht nur eine Heimat, sondern auch eine Ehe abhanden kam. Es dominiert eine Atmosphäre der Beklemmung, ja des Ausgeliefertseins; die Bildräume sind oft in sich geschlossen, und scheinbare Auswege (etwa Türen oder Treppen) bleiben verriegelt oder führen ins Nichts. Teutsch bedient sich dieser Ikonographie sowohl vor als auch nach seiner Auswanderung – was im Sozialismus als Metapher für eine Art der Machtlosigkeit dient, findet bezeichnenderweise auch in der „Freiheit“ seine Entsprechung.

Im Spätsommer 1980 kommt Teutsch mit 15 Radierungen im Koffer in München an, voller Hoffnung, sich damit dem „binnendeutschen“ Publikum vorzustellen: Arbeiten der Selbstfindung aus dem Osten als ein erster Schritt zur Selbsterfindung im Westen. Solche Träume verblassen jedoch schnell angesichts eines Kunstmarktes, für den nicht Inhalte, sondern nur Geldwerte zählen. Was folgt, ist die Krise der Jahre 1981-82, aus deren Sumpf sich der Künstler, einem Münchhausen gleich, aus eigener Kraft wieder herauszeichnet. Alle seine Sehnsüchte, Träume, Leidenschaften und Betrübnisse finden hier ihre Verbildlichung in surrealen Welten; mit unerschöpflicher Phantasie paart Teutsch Alltagsgegenstände (Stühle, Tische, Geschirr, Schuhe, Koffer etc.) mit gänzlich erfundenen „Gebilden“ und verschmilzt so Disparates zu einer überzeugenden Einheit. Dabei entwickelt er neben seinen alten Metaphern durchaus auch neue: Den Traumwandler beispielsweise, eine wünschelrutentragende Figur, die zum Alter Ego wird, verkörpert sie doch die Gratwanderung, die Teutsch selbst vollführt – seine ganze Existenz, beruflich wie privat, ist in dieser Zeit ein Balanceakt.
Kaspar Teutsch: Vicos Tore, Radierung 1996 ...
Kaspar Teutsch: Vicos Tore, Radierung 1996
Wie schwer dieser Lebensabschnitt war, lässt sich aus Gedichten im Künstlerbuch „Schilfschwert und Nachtschwalbe“ erahnen: „Wo seid ihr alle meine Freunde?“, fragt der Autor, oder: „Was soll ich tun, um wieder ich zu sein?“. Teutsch veröffentlicht dieses „Alp(en)traumtagebuch“ 1981, mit Hilfe seiner späteren zweiten Gattin, und im Rückblick wird klar, dass er nicht zuletzt auch durch sie allmählich neue Hoffnung schöpfen kann.

Die Bewältigung der Krise wiederum setzt neue Schaffensenergien frei, was bei Teutsch stets vermehrte Experimentierlust bedeutet. Ein Siebdruckzyklus von 1984/85 ist dafür exemplarisch: Beim Gang über den Münchener Königsplatz offenbaren sich ihm dessen gesprungene Bodenplatten als Gestalten; er fotografiert diese Risse und collagiert aus ihnen ein Bestiarium, das durchaus den Frottagen des Surrealisten Max Ernst ebenbürtig ist. Nahe Verwandte dieser Steinkreaturen sind auch die Wolpertinger, die zunehmend im Werk von Teutsch auftauchen. Aber wie der Traumwandler sind diese absurd-komischen Mischwesen mehr als witzige Eingebungen; sie entsprechen den mehrfachen Identitäten des Aus-/Einwanderers und schlagen den Bogen von der neuen bayerischen zur alten siebenbürgischen Heimat. Der Vater hatte nämlich den jungen Kaspar oft auf die Jagd mitgenommen und ihn zudem beauftragt, seinen domestizierten Uhus regelmäßig lebendige Mäuse zu füttern. Das soll nicht heißen, dass Teutsch hier Jugenderlebnisse illustriert, aber diese bayerischen Fabelwesen fügen sich nicht zufällig so organisch in seine Ästhetik ein.

Und aus einem weiteren Grund haben Wolpertinger für den Graphiker Programmcharakter: Sie sind skurril, grotesk, absurd und somit perfekter Ausdruck seines Humors. Der emotionalen Tiefe, die sein Oeuvre kennzeichnet, steht immer auch der Witz eines Künstlers gegenüber, der weder gesellschaftliche Konventionen noch sich selbst allzu ernst nimmt. Das Absurde in seinen Arbeiten darf aber nicht als Zynismus oder gar Nihilismus verstanden werden; es entstammt vielmehr einer Lebensphilosophie, die zu viel erlebt hat, um sich das Treiben der Welt noch mittels sinnstiftender Ideologien erklären zu können.
Kaspar Teutsch: Zeit greift an, Radierung 1989 ...
Kaspar Teutsch: Zeit greift an, Radierung 1989
Als ein weiterer Werkzyklus seien noch die Italien-Radierungen der 90er Jahre erwähnt, deren Klarheit zur Annahme verführt, dass der Künstler eine vorher nicht gekannte innere Ruhe gefunden hat. Verschwunden ist der nervöse, suchende Strich, vor allem aber die grotesken Gestalten. An ihre Stelle treten die zeitlose Stille mediterraner Häuserfassaden und die geradlinigen Konturen architektonischer Formen. Natürlich findet man auch Altbekanntes, Türen etwa, aber der Surrealismus ist auf ein Mindestmaß reduziert und es scheint, als wolle der Künstler sagen, dass die beobachtete Welt ebenso viele Überraschungen bietet wie die erfundene.

Seit Beendigung seiner Lehrtätigkeit im Jahr 1994 kann sich Teutsch schließlich völlig der Kunst widmen und verarbeitet in immer neuen Kombinationen Versatzstücke aus dem Reichtum seiner Formensprache. Das Angeln und der Gemüsegarten waren ihm schon im Arbeitsleben Inspiration und Refugium gewesen. Jetzt hat er die Muße, sich ganz von den Rhythmen der Natur wie auch des Schaffensprozesses treiben zu lassen. Wer 2001 seine Germeringer Retrospektive besuchte – oder eine der insgesamt 22 Ausstellungen, die er allein in Bayern hatte – konnte nicht anders als beeindruckt sein von einem Künstler, der in einer Welt der wechselnden Moden seiner Ästhetik kompromisslos treu geblieben ist, ohne dabei aber die Lust aufs Neue verloren zu haben.

Armin Mühsam

Schlagwörter: Maler, Geburtstag, Porträt, Lehrer

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