19. Januar 2012

In München: Graphik und Illustration von Sieglinde Bottesch

Erstmals wird im Veranstaltungsraum der Bun­desgeschäftsstelle des Verbandes der Siebenbür­ger Sachsen eine Ausstellung gezeigt: „Graphik – Illustration“ von der aus Hermannstadt stammenden, in Ingolstadt lebenden Künstlerin Sieglinde Bottesch. Aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert, ist sie noch bis zum 31. Januar 2012 zu besichtigen. Die Vernissage fand am 20. Dezember 2011 statt.
Die aus Hermannstadt stammende Sieglinde Bottesch stellt nach der im Oktober und November im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim gezeigten Ausstellung „Sieglinde Bottesch – Zeichnungen und Objekte“ und nach Fertigstellung des Porträts von Altbischof Christoph Klein für die Bischofsgalerie der Evangelischen Landeskirche in Rumänien zum Jahreswechsel „Illustration und Graphik“ in der Bundesgeschäftsstelle des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutsch­land aus. Nach der Lesung von Karin Bruder am 4. Oktober 2011 ist es die zweite Kulturveranstaltung in dem dank der Förderung des Hauses des Deutschen Ostens München (HDO) eingerich­teten Veranstaltungsraum.

Dass in dieser ersten Ausstellung Graphiken und Illustrationen von Sieglinde Bottesch gezeigt werden, ist kein Zufall. Engten schon die räumlichen Gegebenheiten die Auswahl auf kleinere Formate ein, so war der siebenbürgisch-sächsische Bezug der Inhalte – u.a. Illustration siebenbürgisch-sächsischer Sprichwörter und Sagen – entscheidend. Nicht zuletzt sprach auch die gute Zusammenarbeit bei den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtagen 2001 für Bottesch, die damals die Ausstellung „Transylvania mythologica“ im Marmosaal der Bayerischen Staatsbibliothek in München zeigte.

Auch diesmal klappte die Zusammenarbeit zwi­schen Verband und Künstlerin: die Auswahl, das Rahmen, der Transport, der Aufbau der Stellwän­de und das Hängen verliefen ebenso reibungslos wie die Vernissage am 20. Dezember. Die Eröffnung durch Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster sowie die Danksagung der Künstlerin wurden musikalisch umrahmt von Marita Fabritius. Auf der Querflöte brachte sie ebenso empfindsam wie virtuos das „Andante grazioso mit zwei Variationen“ aus „Théme varié in G“, Opus 89 von Jean Louis Tulou zu Gehör – zum Auftakt – und zum Abschluss die „Badinerie“ aus Johann Sebastian Bachs „Orchestersuite in H-Moll“.
Die Graphikausstellung von Sieglinde Bottesch ...
Die Graphikausstellung von Sieglinde Bottesch (Mitte) wurde von Marita Fabritius musikalisch umrahmt und von Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster eröffnet. Foto: Gunter Roth
In seiner Einführung skizzierte Hans-Werner Schuster das Persönlichkeitsprofil und die künstlerische Entwicklung der 1938 geborenen Sieglinde Bottesch. Die Einzelausstellung „Der Garten – Ort der Meditation und der Inspiration“ in der Galerie für Zeitgenössische Kunst des Brukenthal-Museums in Hermannstadt, die im Programm der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 lief, hob er hervor und wertete sie als besondere Auszeichnung – „gerade auch, weil Sieglinde Bottesch und ihr Werk mit Auszeichnungen nicht überschüttet wurden“. Verdienen würden sie es genauso wie eine Monographie, die aber auch noch auf sich warten lässt. Besonders beeindruckt zeigte sich Schuster von der jugendlichen Neugier und Lust am Experimentieren sowie dem überbordenden Schaffensdrang, mit denen sich die Künstlerin in den letzten Jahren neue Bereiche bildender Kunst erschlossen hat. „Nicht nur im übertragenen, sondern im wortwörtlichen Sinne hat sich Sieglinde Bottesch, die zuerst als Malerin, danach auch als Graphikerin und Zeichnerin reüssierte, eine neue Dimension zu eigen gemacht – die dritte – in Objekten und Plastiken im öffentlichen Raum.“

Im Zentrum seiner Ausführungen standen die 71 Graphiken und Illustrationen, die den sonst nüchternen Räumen überraschende Eleganz verleihen: Linolschnitte und Holzstiche, die zwischen 1979 und 2011 entstanden sind. Nachdem Schuster deutlich gemacht hatte, dass die Unterordnung unter das literarische Wort die Chance bot, der Unterordnung unter das ideologische Dogma zu entkommen, und er die Entwicklung der Illustrationstätigkeit von Bottesch skizziert hatte, führte er aus: „Im Credo von Sieglinde Bottesch ist Kunst ,ein Weg der Selbsterfahrung, der Verinnerlichung, der sinnlichen Erkenntnissuche. Überall entdecken wir grundlegende Formen, weil sie Archetypen sind. In ihnen erkennen wir das, was in uns angelegt ist.‘ Betrachten wir die hier ausgestellten Werke näher, so meinen wir sofort in den Truden und Drachen, aber ebenso in Häuserzeilen und ,normalen‘ Gestalten das in uns Angelegte zu erkennen. Aber: Es ist so wie bei Grete Lienert-Zultners ,Volksliedern‘. Die ,Archetypen‘ sind nicht in uns angelegt; Sieglinde Bottesch hat sie geschaffen, und erst danach wurden sie in unserem Innersten verankert als Sinnbild einer Trud, eines Drachen, Riesen, einer Regenfee ...“

Dass das möglich ist, zeuge einerseits von Sieg­linde Botteschs Erfolg, andererseits von ihrer Fähigkeit, das typisch Siebenbürgisch-sächsische in ihrer fulminanten Kreativität bildmächtig einzufangen. Diese Bildkraft werde unserer Mundart mit ihren mal urwüchsig-derben, mal poetisch-sinnlichen – immer aber anschaulich-treff­- sicheren – Ausdrücken, Redewendungen und Sprichwörtern mehr als gerecht und transportiere sie in ästhetisch ansprechender Form. Vorbilder dieser ästhetischen Form seien einerseits Expressionimus und phantastischer Realismus, andererseits Henri Rousseau, der große Meister der naiven und primitiven Malerei.

Die Einführung vermittelte auch, dass das Einfache, Schlichte und aufs Notwendigste Reduzierte des Linolschnittes gewollt und bewusst eingesetzt, die „Naivität“ nur suggeriert ist. Wie aber diese Arbeiten, die eine heile, runde Welt widerspiegeln und uns in lyrische Märchenstimmung versetzen, zu interpretieren seien? Als nos­talgische Rückschau – von heute aus betrachtet? Oder – zum Entstehungszeitpunkt – als Versuch, etwas zu bannen, was im Auflösen begriffen war? Oder gar als Gegenutopie zu der herrschen­den kommunistischen Utopie? Am ehesten wohl als Puzzlestücke einer idealen Welt, „die bei all dem Phantastischen bis Irrealen menschliches Maß hat und so ist, wie die Welt sein sollte: lebens- und liebenswert“.

Nach der Einführung des Bundeskulturreferenten und den Dankesworten der Künstlerin gab es einen Stehempfang und die Möglichkeit, mit Sieglinde Bottesch ins Gespräch zu kommen. Schade nur, dass nicht mehr Besucher – unter ihnen Harriett Schmidt, als Vertreterin des HDO, Wilhelm Jakob Hermann, Interimsvorsitzender der Kreisgruppe München, und Erhard Graeff, Bundesgeschäftsführer des Verbandes – diese Chance wahrgenommen haben. Mehr Besucher hätte die Ausstellung auch während der gesamten Laufzeit verdient: Sie ist noch bis zum 31. ­Januar 2012 von 9.00-16.30 Uhr zu besichtigen in der Bundesgeschäftsstelle, Karlstraße 100, 80335 München, U-Bahn-Haltstelle Stiglmaierplatz.

HWS

Schlagwörter: Ausstellung, München, Bottesch, Graphik

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