17. März 2012

Gemeinschaft, Geschichte, Gottesdienst

Drei Wege zum Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen von Pfarrer Dr. Christian Weiss, Vorsitzender der Sektion Genealogie des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, der sich bekanntlich für den Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Einrichtungen in Gundelsheim einsetzt (siehe Leserbrief in der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 1 vom 15. Januar 2012, Seite 9).
GEMEINSCHAFT: Die Pflege der Gemeinschaft und des Zusammengehörigkeitsgefühls ist typisch für uns Siebenbürger Sachsen. Die Rechte der Siedler, die in Siebenbürgen die sächsische Gemeinschaft gebildet haben, sind im Andreanum von 1224 festgehalten, unter ihnen das Recht, ihre Pfarrer und Richter frei zu wählen und nach ihrem hergebrachten Recht im eigenen Bereich zu wirken. Sie sollten zwischen Broos bis Draas eine Gemeinschaft bilden („unus sit populus“), aus der sich später die Sächsische Nationsuniversität herauskristallisierte.

Diese Gemeinschaft bewährte sich in der Folgezeit im Mit- und Gegeneinander einzelner Gemeinden und Persönlichkeiten. Sie bewährte sich in und trotz Parteiungen und anderer in ihr wirkender Kräfte. Diese Gemeinschaft vollzog geschlossen die Reformation. Sie bewährte sich in spannungsvollem Zusammenhalt, als die Nationsuniversität im 19. Jahrhundert zerschlagen wurde und auch als am Ende des 20. Jahrhunderts das schon zweihundert Jahre vorher angesagte Ende besiegelt schien.

Diese Gemeinschaft hat sich aber auch nach der Aussiedlung bewährt. Man sucht einander, gründet Vereine, Nachbarschaften, Heimatortsgemeinschaften, nicht allein in Deutschland und Österreich, Kanada und den USA, sondern auch in anderen Teilen der Welt.

GESCHICHTE: Unsere Vorfahren hüteten allzeit ihre Urkunden, die ihr gutes Recht verteidigten. In ihrem Überlebenskampf beriefen sie sich durch all die Jahrhunderte auf den Ruf des ungarischen Königs, argumentierten mit ihrer Geschichte. Prägend für die moderne Geschichtsschreibung wurden die Bischöfe Georg Daniel und Friedrich Teutsch. Viele Historiker haben unsere Geschichte gut ausgeleuchtet. Vollständig? Selbstverständlich nicht, die Quellen sind und bleiben unerschöpflich. Laien haben sich an der Forschung beteiligt. Eine Fülle von unterschiedlichsten Werken erfasst alle Perioden, die meisten Ortschaften, viele Persönlichkeiten. Nicht wenige Mitglieder unserer Gemeinschaft sammeln Transsilvanica, also Werke, die in Siebenbürgen oder zu dem Thema Siebenbürgen geschrieben wurden. Gibt es Familien von Siebenbürger Sachsen, in denen kein derartiges Werk im Bücherregal steht?

Aber Geschichte wird nicht nur in Büchern bewahrt, zur Geschichte gehört die Pflege von Brauchtum, Tracht, Kunst und Dialekt. Wie viele sächsische Familien gibt es, die nicht zumindest einige Teller, Krüge aus Keramik, Zinn oder Holz aufbewahren? Nicht so zahlreich sind jene, die aus festlichen Anlässen ihre Tracht anlegen, sei sie von daheim mitgebracht, sei sie neu angefertigt. Doch nicht ihre Zahl zählt, sondern dass ihre Zahl wächst, wie man in Dinkelsbühl sehen kann.

Unsere Geschichte begleitet uns von der Einwanderung her und gibt uns Selbstbewusstsein!

GOTTESDIENST: Die freie Pfarrerwahl, im Andreanum verbrieft, muss ein Grundanliegen der Siedler gewesen sein. Das Kirchenrecht lief damals in konträre Richtung: Pfarrer wurden – auch gegen den Willen der Gemeinde – vom Bischof eingesetzt. So kann man annehmen, dass dies mit ein Grund für die Auswanderung war. Um des Glaubens willen haben vorher und nachher Menschen ihre Heimat verlassen.

In der Reformationszeit kam die Bewährungsprobe. Spaltung wäre leicht möglich gewesen, doch die gemeinschaftsbindenden Kräfte waren stärker. Pfarrer prägten Gemeinden und Gemeinden ihre Pfarrer. Die Kirche entwickelte sich zu einer Institution, die im 19. Jahrhundert, in die Bresche treten konnte, die durch Zerschlagung der Sächsischen Nationsuniversität entstanden war. In den schweren, dem 23. August 1944 folgenden Jahren war die Kirche ein Hort der Gemeinschaft, die auch in der Zeit des „Sozialismus“ ihre Eigenständigkeit, zugleich die Interessen der Volksgemeinschaft vertreten konnte.

Unsere Gottesdienstgemeinschaft endet nicht mit der Auswanderung. Die meisten Heimatortstreffen beginnen mit einem Gottesdienst. Auch zum Heimattag in Dinkelsbühl gehört ein Gottesdienst. Obwohl er zu früher Stunde beginnt, ist die Kirche immer gesteckt voll. Gottesdienste gehören zur Mitte unseres Volkslebens. Das Wort der Bibel, Gebet und Gesang gleichen dem Trank aus der Quelle. Die Verbindung mit dem unsichtbar Gegenwärtigen gibt Zuversicht, Halt und Kraft.

Daher lasst uns unsere Gemeinschaft, Geschichte und Gottesdienste bewusst pflegen, so wird Gottes Segen uns, wie einst in dem Land des Segens, der Fülle und der Kraft, auch hier begleiten! Wie schön, wenn wir Segensträger werden dürften.

Christian Weiss

Schlagwörter: Siebenbürger Sachsen, Geschichte, Kirche

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