21. Juli 2012

Malerkittel, Reformkleid und Federboa

Mit zehn teils hochkarätigen Themen-Ausstellungen feiert die österreichische Metropole den 150. Geburtstag ihres bekanntesten Malers Gustav Klimt (1862-1918) und sich gleich mit. Nicht zu Unrecht, denn Wien war in der Donaumonarchie dank seiner multiethnischen Zusammensetzung ein höchst anregendes Biotop mit spannenden künstlerischen Entwicklungen und unverbrauchtem Potential. Man musste kein Prophet sein um vorauszusagen, dass das Ganze mit einem kollektiven Klimt-Rausch einhergehen würde.
Die menschlich anrührendste Ausstellung zum Klimt‘schen Jubeljahr zeigt zweifellos das Leopold Museum. Ihr Motto „Klimt persönlich“ bietet tiefe Einblicke in die Lebenswelt des Meisters und seines persönlichen Umfeldes, allen voran auf seine Intimfreundin und Lebensgefährtin Emilie Flöge (1874-1952), die führende Modedesignerin jener Zeit. Klimt schrieb seiner „Midi“ bis zu acht Postkarten täglich, was im vorzüglich ausgebauten Wiener Rohrpostsystem und der täglich dreimal erfolgenden Briefzustellung erst im Zeitalter von Fax, Mail und SMS wieder getoppt werden sollte – meist vom Wetter, seinem Gesundheitszustand und von seiner Arbeit, aber auffallenderweise nie von seinen Gefühlen für die Adressatin (der Katalog bildet sämtliche 393 erhaltenen Postkarten und Schriftstücke von Klimt für Flöge ab). Was wunder bei einem Mann, der zeitlebens bei seiner Mutter wohnte und sich den Haushalt nach ihrem Tod (1915) mit seinen Schwestern und etlichen Katzen teilte. Ein klarer Fall für Dr. Freud.
Mit lebensgroßen Fotografien wird in der Klimt ...
Mit lebensgroßen Fotografien wird in der Klimt-Ausstellung des Leopold Museums die Zeit um die Jahrhundertwende beschworen. Das Foto zeigt einen Bootssteg nahe der Villa Paulick am Attersee, in der Emilie Flöge (2.v.li.) mit Klimt (Mann im Malerkittel) oft auf Sommerfrische weilte. Davor ein zeitgenössisches Gartentischensemble aus Eri Messners Villa Paulick (Aufnahme von 1905). Fotos: der Verfasser
Dass es zumindest in der Anfangszeit auch eine erotische Annäherung zwischen den beiden gab, belegt ein erst 2000 aufgetauchter Brief von 1897. Als Schlüsselbild zu der lebenslangen Verbundenheit mit Flöge gilt daher zu recht „Der Kuss“, ein 1907/08 entstandenes Gemälde, das die beiden in einer idealisiert-ästhetisierten Liebespose zeigt, in der freilich die Frau passiv und nachgerade jungfräulich-keusch verharrt. Dass Flöge neueren Vermutungen zufolge lesbisch gewesen sein soll, dürfte auch erklären, dass ihr Klimt recht unbefangen von anderen Frauen berichtete und sie wohl auch klaglos die Geburt seiner unehelichen Kinder hinnahm. (Es war auch stadtbekannt, dass sich seine ­finanziell von ihm abhängigen Modelle dem Künstler nicht verweigern durften; wer es dennoch tat, konnte nicht mehr damit rechnen, ein weiteres Mal ins Maleratelier gerufen zu werden.) Jedenfalls blieb Klimt der einzige Mann in Flöges Leben und als der von einem Schlaganfall halbseitig Gelähmte seine Ende nahen sah, war es bezeichnenderweise sie allein, die er im Krankenhaus noch einmal sehen wollte („Die Emilie soll kommen“); also keine seiner Geliebten und keines seiner 14(?) unehelichen Kinder, etwa der später als Filmregisseur bekannt gewordene Gustav Ucicky.

165 der Exponate der Ausstellung „Klimt persönlich“ steuerte die aus Kronstadt stammende, heute in einer gründerzeitlichen Villa am Attersee lebende Erika „Eri“ Messner, 84, bei: vom Gästebuch und Gartenmöbel-Ensemble bis zum Fotoalbum und zur edlen Jugendstilbrosche ist alles dabei (Messner wurde die wie ein Schloss Pelesch en miniature aussehende Landvilla samt „Inhalt“ von Gertrude Flöge, der Nichte der Modeschöpferin, an deren Lebensende geschenkt; sie betreibt sie noch heute mit viel Herzblut und unverwüstlichem Humor als ein wunderbar altmodisches Sommerfrische-Domizil, wo die Zeit bald nach 1900 stehengeblieben sein muss, vgl. hierzu auch K. Kleins Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung vom 20. August 2003 und 15. September 2008).
Objekt der Begierde: eine Josef-Hoffmann-Brosche, ...
Objekt der Begierde: eine Josef-Hoffmann-Brosche, die Gustav Klimt für Emilie Flöge anfertigen ließ.
Wer die Ausstellung „Klimt persönlich“ sehen will, muss sich beeilen – sie ist nur noch bis zum 27. August geöffnet. Andere Ausstellungen, etwa jene im Belvedere („Gustav Klimt & Josef Hoffmann“) oder „Die Textilsammlung Emilie Flöge“ sind noch länger geöffnet. Jene von Klimts Zeichnungen in der Albertina schloss bereits im Juni. Im übrigen sind in Klimts künstlerischer Frühzeit seine Beziehungen zu Rumänien sehr eng gewesen. 1883-86 malte er zusammen mit Franz Matsch und seinem Bruder Ernst – alle drei kurz vorher noch von Hans Makart geschult – Friese und Bilder für die Ahnengalerie der Hohenzollern im rumänischen Königsschloss Pelesch, 1885 auch eine ‚Allegorie der Musik‘ fürs Bukarester Nationaltheater.

Es ist ein Treppenwitz der Kunstgeschichte, dass Klimt, der sich für den Fotografen gerne selbstbewusst und sicher nicht uneitel in Szene setzt, keinem seiner Malerkollegen je erlaubte, ein Bildnis von ihm zu malen. Dafür wird man in der Ausstellung mit einer Vielzahl exzellenter Fotografien und sogar Farbaufnahmen auf Lumière’schen Autochrome-Platten eines nicht näher bekannten Fritz G. Walker aus dem Jahr 1913 entschädigt.

Auf nach Wien. Mehr Klimt geht nicht.

Konrad Klein

Schlagwörter: Ausstellung, Wien, Klimt

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