19. September 2012

„Interdisziplinär, europäisch und weltoffen“: 50 Jahre AKSL

„Siebenbürgen – eine Forschungslandschaft“ war das Motto der wissenschaftlichen Tagung, mit der der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) vom 7. bis 9. September sein 50-jähriges Jubiläum beging. Die Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft von Reinhold Gall, Innenminister des Landes Baden-Württemberg. Den Auftakt zur Jubiläumsfeier bildete am 7. September eine Festveranstaltung, für die die Universität Heidelberg ihre Tore geöffnet hatte. Als „Kristallisationspunkt der Forschung der Siebenbürger Sachsen“ würdigte Innenminister Reinhold Gall in seinem Grußwort die Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck, die das Land Baden-Württemberg auch in Zukunft unterstützen werde, da es die siebenbürgische Kultur als unverzichtbaren Teil der deutschen Kultur in einem gesamteuropäischen Kontext ansehe, deren Erhalt eine Verpflichtung sei.
Mit den Klängen des Klaviertrios in C-Dur von Joseph Haydn wurde die Versammlung auf die anschließenden Grußworte und Festvorträge in der alten, ehrwürdigen Aula eingestimmt. Prof. Dr. Heinz-Dietrich Löwe, wissenschaftlicher Direktor des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg und Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte, begrüßte die zahlreich zur Festveranstaltung eingetroffenen Gäste und Ehrengäste: den Schirmherrn der Veranstaltung Reinhold Gall, Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Johannes van Oyen, den Vertreter des Böhlau Verlages Köln Wien, die anwesenden Gründungsmitglieder Prof. Dr. D. Paul Philippi, Prof. Dr. Andreas Möckel, Dr. Otto Mittelstraß, Elvira Wagner, die Witwe des ehemaligen AKSL-Vorsitzenden Dr. Ernst Wagner, sowie weitere verdiente Mitglieder des AKSL, die Festredner und die vielen tätigen Mitglieder, die dazu beigetragen haben, Siebenbürgen in seiner Vielfalt mit zeitgemäßen, wissenschaftlichen Methoden zu erforschen und zu dokumentieren. Aufgabe und Ziel sei es, so Prof. Dr. Löwe, von ethnischen Fixierungen befreite Wissenschaft zu betreiben, im Sinne von Versöhnung zu wirken und in einem gesamteuropäischen Kontext zu arbeiten. Er wies darauf hin, dass die vielfältigen Aufgaben des AKSL durch die institutionelle Förderung des Landes Baden-Württemberg über den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat als Trägerverein sowie durch die fördernden und aktiven Mitglieder möglich seien. Er unterstrich die große Bedeutung der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek und der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek e.V., die das Siebenbürgen-­Institut mit Bibliothek und Archiv auch unterstützen.

Innenminister Reinhold Gall sichert ...
Innenminister Reinhold Gall sichert kontinuierliche Finanzunterstützung zu. Fotos: Anneliese Vater
In seinem Grußwort wies der Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Reinhold Gall, auf die Bedeutung der kulturellen Einrichtungen der Siebenbürger Sachsen in Gundelsheim hin, die das Land Baden-Württemberg institutionell fördere. 50 Jahre wissenschaftlicher Arbeit des AKSL sei siebenbürgischen Akademikern und Akademikerinnen zu verdanken. Auf Schloss Horneck, seien Archiv, Bibliothek und Museum als „Kristallisationspunkt der Forschung der Siebenbürger Sachsen“ zu bezeichnen. Das Land unterstütze diese Einrichtungen und sei aus der Finanzierung nicht ausgestiegen, was es auch in Zukunft nicht tun werde, da es die siebenbürgische Kultur als unverzichtbaren Teil der deutschen Kultur in einem gesamteuropäischen Kontext ansehe, deren Erhalt eine Verpflichtung sei. „Das kulturelle Herz der Siebenbürger Sachsen schlägt in Baden-Württemberg“, betonte Innenminister Gall, was eine Bereicherung für das Land sei.

Johannes van Oyen gratulierte als Vertreter des Böhlau Verlags Köln Wien dem AKSL für die geleistete Arbeit und wies auf die hervorragende Zusammenarbeit hin, die fast so lange bestehe wie der Verein und mit dem ersten Vertrag am 24. März 1962 begann. Er erwähnte die verschiedenen Publikationen des AKSL, so unter anderen das Siebenbürgische Archiv mit seinen 41 Bänden, die Studia Transylvanica (seit 1980) mit derzeit 32 Bänden sowie die in neuerer Zeit für ein breiteres Publikum geschriebenen Bücher „Kleine Geschichte“ von Hermannstadt und Kronstadt von Dr. Harald Roth.

Die darauf folgenden Festvorträge waren inhaltlich mit aktuellen Forschungsthemen und Fragestellungen verbunden. Prof. Dr. Enno Bünz (Universität Leipzig) ging auf die „Aufgaben und Perspektiven der Landesgeschichtsforschung im 21. Jahrhundert“ ein, die auf einem Bedürfnis der historischer Verortung und Bestimmung ­beruhen und zur Förderung regionalen Geschichtsbewusstseins beitragen. Prof. Dr. Joachim von Puttkamer (Universität Jena), Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Siebenbürgen Instituts, sprach über „Siebenbürgen. Nation und Gesellschaft in der neueren Geschichte Südosteuropas“. Dabei unterstrich er die Bedeutung der Forschungen des AKSL, der zwischen der rumänischen und der internationalen Geschichte vermittele.

Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch (BKGE Oldenburg) ging in seinem Vortrag „Siebenbürgen als Forschungsauftrag“ auf die vielfältigen Forschungsmöglichkeiten in Siebenbürgen ein, sprach über Regionalstudien mit trans- und interdisziplinären Untersuchungen verschiedener Verflechtungsbeziehungen. Auch erwähnte er das englische Modell eines „Centre for area studies“ (Zentrum für Gebiets- bzw. Regionalforschungen), wobei er die Meinung vertrat, dass das Siebenbürgen-Institut bzw. der AKSL mit seinen Sektionen und der Vielfalt an Forschungsthemen als ein derartiges interdisziplinäres Zentrum bezeichnet werden könne. Gündisch unterstrich abschließend, dass sich bei der Erforschung Siebenbürgens „eine interessante, vielschichtige Welt“ erschließe, die für Interessierte eine lohnende Aufgabe sei.
Festakt an der Universität Heidelberg, erste ...
Festakt an der Universität Heidelberg, erste Reihe, von links: Christa Wien, Innenminister Reinhold Gall, Heinz-Dietrich Löwe, zweite Reihe: Prof. Dr. Andreas Möckel und Prof. Dr. D. Paul Phillippi.
Dr. Ulrich Wien (Universität Koblenz-Landau), Vorsitzender des AKSL, ging in seinem Vortrag „Regionalgeschichte im europäischen Horizont – der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde 1962-2012“ auf die Tätigkeit des AKSL in den fünf Jahrzehnten seiner Tätigkeit ein. Dabei unterstrich er, dass weiterhin der bereits in den Statuten des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde verankerte Grundsatz gelte, die „Arbeit im Geiste der Toleranz und der Völkerverständigung“ zu leisten. Des Weiteren seien die Publikationen im Böhlau Verlag, die professionelle Verortung der Siebenbürgischen Bibliothek, sowie der internationale Zeitschriftenaustausch von großer Bedeutung. Dabei würdigte Wien den langjährigen Einsatz von Balduin Herter für den AKSL, insbesondere für die Bibliothek. Der Vorsitzende wünschte sich für die Zukunft eine von akademischen Standpunkten geprägte Siebenbürgenforschung mit wissenschaftlichem Transfer zwischen Mittel- und Südosteuropa sowie eine Brücke nach Südosten unter Berücksichtigung verschiedener Kulturtraditionen.

Zwei weitere musikalische Einlagen eines pfälzischen Klaviertrios sowie der anschließende Stehempfang, verbunden mit anregenden Gesprächen, rundeten die Heidelberger Festveranstaltung ab.
Thomas Merten, Peter Imo und Dr. Ulrich Wien (von ...
Thomas Merten, Peter Imo und Dr. Ulrich Wien (von links) gestalteten das Fest in Heidelberg musikalisch.

Gute Zusammenarbeit von AKSL und Verband gewürdigt

Der zweite Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten fand in Gundelsheim auf Schloss Horneck und im Siebenbürgen-Institut in der Schlossstraße statt. AKSL-Vorsitzender Dr. Ulrich Wien ließ den Eröffnungstag in Heidelberg nochmals Revue passieren, dann begrüßte er Dr. Otto Mittelstraß, den ersten Vorsitzenden des 1962 gegründeten Arbeitskreises, Prof. Dr. Andreas Möckel sowie Prof. Dr. D. Paul Philippi, und verlieh seiner Freude Ausdruck, dass die damals jungen Gründer an der 50-Jahr-Feier des Vereins teilnehmen konnten. Auch übermittelte er die Grüße von Prof. Dr. Walter König und von Prof. Dr. Georg Weber, die nicht dabei sein konnten. Es mache ihn stolz, so Dr. Wien, dass der AKSL ein junger Verein gewesen und es auch geblieben sei durch die jüngeren, nachrückenden Wissenschaftler des Studium Transylvanicum, bei dem Jungakademiker u.a. auf Akademiewochen arbeiteten. Dr. Wien dankte allen für die Mitarbeit, Arbeitskraft, Ideen, für die Hartnäckigkeit und den Realismus, das Machbare zu tun. Aufgabe und Verdienst von Dr. Konrad Gündisch sei es dabei gewesen, die Konzepte über die weitere Zukunft nach einer und der anderen Seite zu vermitteln. Gegenwärtig sei der Verein „ganz lebendig, engagiert und in Diskussion“.
Unter den Teilnehmern der Festveranstaltung auf ...
Unter den Teilnehmern der Festveranstaltung auf Schloss Horneck zum 50-jährigen Bestehen des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, erste Reihe v. l.: Prof. Dr. D. Paul Philippi, Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius und Dr. Christoph Machat.
In seinem Grußwort schloss sich Dr. Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., dem Dank Dr. Wiens an die Mitarbeiter an, wobei er hervorhob, dass die Gemeinschaft dem AKSL und seinen Mitarbeitern zu Dank verpflichtet sei „für all das, was sie geleistet haben“. Der Bundesvorsitzende betonte, wie gut sich Verband und Arbeitskreis ergänzten, und unterstrich die absolute Notwendigkeit der Existenz eines solchen wissenschaftlichen Vereins für die Erforschung Siebenbürgens. Der Verband und der ­Arbeitskreis seien mit dem Angebot an die Gemeinschaft „interdisziplinär, europäisch und weltoffen“ ausgerichtet. Es werde grenzüberschreitend gearbeitet, Brücken geschlagen zwischen Deutschland und Rumänien und zwischen den Generationen. Dr. Fabritius äußerte seinen Wunsch, der AKSL möge weiter so wie bisher arbeiten. Als „Geburtstagsgeschenk“ zum 50. Jubiläum überreichte er seinen Beitrittsantrag für den AKSL. Dr. Wien nahm das Geschenk dankend entgegen und dankte seinerseits für die gute Zusammenarbeit und den Platz, den der Arbeitskreis immer wieder in der Siebenbürgischen Zeitung bekomme.

Hatto Scheiner, Vorsitzender der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, gab in seinem Grußwort seiner Freude über die Anwesenheit von Gründern, Verwaltern und Förderern der Siebenbürgischen Bibliothek Ausdruck. Er unterstrich, dass die Kürzung der öffentlichen Mittel dazu geführt habe, dass ein finanzieller Engpass entstanden sei, der mittels Spenden in die Stiftung und Vergrößerung des Kapitalstocks beseitigt werden könne. Ein Beispiel raschen Handelns habe im Sommer 2012 der Bundesvorstand des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. mit einer Geldspende geboten, die zu einer beachtlichen Aufstockung des Stiftungsvermögens beigetragen habe. Als Zeichen des Dankes für die Unterstützung überreichte der Vorsitzende der Stiftung dem Bundesvorsitzenden des Verbandes, Dr. Bernd Fabritius, eine Urkunde für besondere Verdienste beim Aufbau der Stiftung. In seinen Dankesworten unterstrich Dr. Bernd Fabritius, dass er diese Hilfe seitens des Verbandes der Siebenbürger Sachsen als selbstverständlich erachte. Er betonte, dass zu dieser Summe alle Besucher des Heimattages in Dinkelsbühl durch den Erwerb des Abzeichens beigetragen hätten. Deshalb gelte der Dank genau so allen diesen Menschen sowie den Veranstaltern des Heimattages.

Im Anschluss referierte Thomas Șindilariu (Archiv der Honterusgemeinde in Kronstadt) über die Anfänge der siebenbürgischen Landeskunde im Umfeld der Freimaurer und Samuels von Brukenthal und entwarf ein eindrucksvolles Bild der Wissenschaftslandschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Prof. Dr. D. Paul Philippi berichtete über die schwierigen Anfänge des Arbeitskreises, der zunächst ohne unterstützende Hilfe stattfinden sollte. Der Referent erinnerte an die Anfänge der Siebenbürgischen Bibliothek, die mit einem Grundstock von 500 Büchern aus dem Nachlass von Dr. Andreas Breckner begonnen habe. Auch räumte er ein, dass an die Finanzierung des Arbeitskreises im Vergleich zu heute unprofessionell herangegangen worden sei, dass sich das „Schmerzenskind der Kriegsgeneration“ in den 50 Jahren seines Bestehens jedoch gesund entwickelt habe.

In seinem Vortrag betonte Dr. Dr. Gerald Volkmer (Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, München), dass eine zentrale Voraussetzung für das erfolgreiche Wirken des Arbeitskreises das konsequente und authentische Eintreten seiner Mitglieder und Vorstände für die Ziele des Arbeitskreises gewesen sei, der ­dadurch stets eine besonders hohe Glaubwürdigkeit und wissenschaftliche Reputation genossen habe. Er nannte die Kennzeichen der drei Generationen, die den AKSL im vergangenen halben Jahrhundert geprägt haben, und dankte allen für ihr großes persönliches Engagement, ohne das die ­außergewöhnlichen, wissenschaftlichen Leistungen des Arbeitskreises nicht möglich gewesen wären. Darüber hinaus hob der Referent das stetig gewachsene Arbeitsvolumen des AKSL am Beispiel der zehn aktiven Fachsektionen und der zahlreichen Publikationen hervor, dem leider nicht ein entsprechender Zuwachs bei der Ausstattung an der AKSL-Geschäftsstelle in Gundelsheim gegenüberstehe. Obwohl die Arbeitsfähigkeit des Siebenbürgen-Instituts samt seiner Bibliothek derzeit nur durch erhebliche Kraftanstrengung der Ehrenamtlichen sichergestellt werden könne, zeigte sich Dr. Dr. Volkmer zuversichtlich, dass es dem AKSL dank seiner erfolgreichen Nachwuchsarbeit auch in 50 Jahren gelingen werde, Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft – für die Geschichte und Landeskunde Siebenbürgens zu begeistern.

Dr. Harald Roth (Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam), Stellvertretender Vereinsvorsitzender und langjähriger Leiter der Geschäftsstelle in Gundelsheim, sprach über die Zukunftsperspektiven des AKSL, wobei er ein längerfristiges Szenario bis zur 200-Jahr-Feier des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde im Jahr 2040 entwarf. Es gelte weiterhin auf die wichtigen Säulen der Tätigkeit des AKSL, Forschung, Dokumentation und Publikationen, zu bauen; es sei jedoch vom Umfang her schwierig, beispielsweise die Publikationen mit zweimal pro Jahr erscheinender Zeitschrift, drei unterschiedlich profilierten Reihen in ehrenamtlicher Tätigkeit fortzuführen. Angesichts des leicht fallenden Mitgliedertrends müsse man verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten prüfen, eventuell andere Schwerpunkte setzen und dementsprechend auch neue Konzepte erarbeiten.

Sektionen im Fokus

Der dritte Teil der Festveranstaltung war den Sektionen gewidmet, die insgesamt eine reiche Tätigkeit entfalten. So traten die Sektionen auch diesmal mit einem breit gefächerten Angebot an Vorträgen auf, die ihre wissenschaftliche Arbeit in einer Vielfalt von Themenbereichen belegen.

Sektion Rechts-, Kirchen – und Zeitgeschichte: In seinem Vortrag „25 Jahre Sektion Rechtsgeschichte – Rückschau und Perspektiven“ stellte Dr. Dr. Volkmer das anstehende Projekt einer drei- bis viersprachigen Ausgabe des Eigenlandrechts in den Mittelpunkt. Florian Kührer (Wien) resümierte die Ergebnisse seiner in Kürze vorliegenden Dissertation „Die Eingliederung Siebenbürgens in den rumänischen Staat nach dem ersten Weltkrieg“, wobei er schwerpunktmäßig die miteinander verquickten Themen Agrarreform und Schulen behandelte, die in den Bevölkerungsgruppen die Konkurrenz bzw. die Rivalität verstärkte. Prof. Dr. Arpád Ferenc (Debrecen) präsentierte in seinem sehr dichten Referat das prägende Ereignis für die Theologie der Reformierten in Ungarn und Siebenbürgen im 20. Jahrhundert, den Besuch des Basler Theologen Karl Barth 1936. Dr. Ulrich Wien schilderte Vorgeschichte und Durchführung des Disziplinarprozesses gegen den NS-Anhänger Pfarrer Wilhelm Staedel, dessen machtpolitische Komponente sich zum innerkirchlichen Desaster seit 1936 entwickelte und – wenn auch kurzfristig – doch zu Staedels „Erfolg“ in den Jahren 1941-1944 beitrug. Thomas Șindilariu stellte in seinem „Werkstattbericht“ die Chancen und Grenzen der Recherche in der rumänischen Securitate-Akten-Behörde CNSAS sehr aufschlussreich dar. Abschließend trug Hannelore Baier die spannende, trickreiche und in sich widersprüchliche Politik der rumänischen Kommunisten und Regierungen vor, die einerseits die Menschen im „Paradies“ halten, andererseits sie wegen Devisenmangels verkaufen wollte.

Sektion Geschichte und Kunstgeschichte: Der hoch interessante Beitrag von Dr. Adinel Dinca (Klausenburg) über die „Bedeutung und Restaurierung der Codices-Sammlung der Heltauer Kirche“, einer europäischen Seltenheit, brachte eine anhaltende Diskussion in Gang. Dr. Ruth Fabritius (Glasmuseum Rheinbach) und Ligia Fulga vom Kronstädter Museum stellten in ihrem Gemeinschaftsvortrag siebenbürgisches Gebrauchs- und Luxusglas des 17. und 18. Jahrhunderts vor und betrachteten die Gegenstände vergleichend, in ­einem europäischen Kontext. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Machat (Köln) stellte anhand anschaulicher Bilder die Sicherungsmaßnahmen 2011-2013 an siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen im Rahmen des Strukturentwicklungs- und Tourismusprogramms der EU vor.

Sektionen Naturwissenschaften und Volkskunde: Dr. Robert Offner befasste sich in seinem Vortrag mit den medizinischen und naturwissenschaftlichen Inhalten der „Rudimenta Cosmographica“ von Johannes Honterus. Er wies darauf hin, dass das Jahr 1543 an der Bedeutung des Werkes gemessen aus kulturgeschichtlicher Sicht ein gutes, bedeutendes Jahr gewesen sei.

Dr. Erika Schneider sprach über die Entwicklung der traditionellen Kulturlandschaft in Siebenbürgen und zeigte anhand von Bildern eine Vielfalt von menschlich bedingten Veränderungen. Dr. Irmgard Sedler schlug in ihrem Vortrag einen Bogen von der Natur- zur Kulturlandschaft und entwarf ein aufschlussreiches Bild der Mentalitätsgeschichte, deren Entwicklung sie anhand des „Jungen Waldes“ bei Hermannstadt erläuterte. Hans-Georg von Killyen führte mit seinem Bericht durch die Geschichte der medizinhistorischen Forschung in Siebenbürgen. Auch wies er auf die Bedeutung einer Vernetzung medizingeschichtlicher Untersuchungen aller ethnischen Gruppen Siebenbürgens hin.

In der Sektion Germanistik wurden die neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse über die deutsche Literatur aus Rumänien/Siebenbürgen bzw. Reflexionen auf unlängst erschienene Werke vorgestellt. Prof. Dr. András F. Balogh (Klausenburg/Budapest) analysierte die Art und Weise der Erinnerungen in den neuesten Romanen der Region, wobei sein Paradebeispiel der Schlüssel-Roman von Joachim Wittstock Die uns angebotene Welt war. Michaela Nowotnick berichtete über einen Arbeitsprozess, der die Zuhörer ebenfalls in die düsteren 50er und 60er Jahre zurückführte: Eginald Schlattners Frühwerk wurde von der Referentin kürzlich – mit kritischen Erläuterungen versehen – herausgegeben.

Die Palette der analysierten Texte wurde von Ingrid Schiel und Maria Maurer erheblich erweitert. Frau Schiel blickte zurück auf die Kalenderliteratur der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert und beschrieb die rasche Modernisierung dieser Gattung, die immer sehr zeitnah sein musste. Maria Maurer öffnete eine neue Perspektive auf das didaktische Einsetzen modernster Texte, indem sie das Publikum in die Raffinessen der Textarbeit mit der Atemschaukel von Herta Müller einführte. Zum Abschluss sprach Olivia Spiridon über Fragen der Etikettierung und Zuordnung der rumäniendeutschen Literatur. Diese wechselte ihren Status aus einer Minderheitenliteratur in eine Migrationsliteratur, ohne dass sie mit diesen Kategorien vollkommen und lückenlos beschrieben werden könnte.

Sektion Schulgeschichte: Dr. Erwin Jikeli erläuterte anhand von Beispielen aus den in mehr als zehn Jahren stattgefundenen Jahrestagungen der Sektion, die von Professor Dr. Walter König initiierte Dokumentation der siebenbürgisch-sächsischen Schulgeschichte. Dr. Raoul Landt erläuterte in seinem Vortrag „Kultur macht Schule – Schule macht Kultur“ die geographische Schulgeschichtsforschung als Methode der Erfassung von vielseitigen Daten und Fakten aus diesem Bereich der Geschichte Siebenbürgens.

Sektion Genealogie: Dr. Werner Klemm (Detmold) sprach über Sekundärquellen zur siebenbürgischen Genealogie. Dr. Christian Weiß (Tübingen) ging der Frage nach, was die „Siebenbürger Genealogie bietet und wie man sich einbringen kann, während Dr. Dietmar Gärtner über 500000 erfasste Datensätze und die Möglichkeiten ihrer Weiterverwendung berichtete. Die drei gründlich dokumentierten Referate gingen so sehr ins Detail, dass eine erforderliche, sachlich geführte Debatte vor allem infolge der von Dr. Gärtner eingebrachten fachkompetenten Sicht der Dinge zur Verbesserung der Arbeiten im Rahmen des Projektes „Siebenbürger Genealogie“ zu kurz kam.

Die Sektionstagungen waren durchwegs gut besucht und erweckten das Interesse vieler Teilnehmer. Abgerundet wurde das Tagungsprogramm auch durch die Möglichkeiten, Führungen durch die Bibliothek, Archiv und Institutshaus mitzumachen. Es war ein gern angenommenes Angebot für viele Tagungsteilnehmer. Im Anschluss an die Sektionssitzungen fand im Festsaal des Schlosses die Mitgliederversammlung der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek e.V. statt. Am Rande der Tagung gab es Begegnungen in kleinen oder größeren Gruppen, die Möglichkeiten zu Austausch boten und viele Anregungen für weitere Forschungsprojekte gaben.

Abschließend sei erwähnt, dass eine so große Tagung von langer Hand und mit vielen Helfern vorbereitet werden musste. Dem Vorsitzenden des AKSL Dr. Ulrich Wien und seinem Stellvertreter Dr. Harald Roth sowie den vielen Helfern aus dem Siebenbürgen-Institut mit Bibliothek und Archiv und allen anderen, die zum Gelingen beigetragen haben, gilt auch auf diesem Wege ein herzlicher Dank. Die Tagung veranschaulichte das umfassende Bild einer Forschungslandschaft, wie man es sich auch für die kommenden Jahrzehnte der Tätigkeit des Arbeitskreises wünscht.

Erika Schneider

Schlagwörter: Jubiläum, AKSL, Tagung, Festakt

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