8. Mai 2013

Deutsch-Weißkirch setzt (noch) ein Zeichen

Idyllische Landstriche, Gänsescharen, die träge den Schotterweg überqueren, Pferdewägen, tausend Jahre alte Eichen, Kirchenburgen, Traditionen, gleichzeitig Armut und Verfall – der neue Dokumentarstreifen des Autors und Regisseurs Frieder Schuller, „Ein Dorf erwacht“, zeichnet ein Siebenbürgen-Bild aus der Perspektive des Besuchers.
Und die meisten Besucher Siebenbürgens sind auf Anhieb fasziniert: Für Prinz Charles beispielsweise, der gleich zu Beginn des Films für das Land jenseits der Wälder wirbt, ist es „ein Ort von außergewöhnlicher natürlicher Schönheit und kulturellem Reichtum. Die in die Landschaft eingefügten Dörfer sind Symbole der Kontinuität mit vielen wichtigen Botschaften an eine moderne Welt.“

Damit meint der Schirmherr der rumänisch-englischen Stiftung „Mihai Eminescu Trust“ (MET) Dörfer wie Deutsch-Weißkirch oder Malmkrog, denen es in den vergangenen Jahren gelungen ist, „die Lethargie des Nichtstuns zu beseitigen“ und Schule zu machen. Der 43-minütige Film, der im April auf ARTE zu sehen war, wurde 2012 als Produktion der TEAM 72 Film- und Fernseh-Service GmbH im Auftrag des ZDF gedreht und dokumentiert den Weg Deutsch-Weißkirchs in die moderne Zeit.
Deutsch-Weißkirch steht im Mittelpunkt des Films ...
Deutsch-Weißkirch steht im Mittelpunkt des Films „Ein Dorf erwacht“. Fotos: Christine Chiriac
Gerade die Zäsuren der Vergangenheit, die für die kleinen siebenbürgischen Ortschaften prägend waren - das kommunistische Regime, die große Auswanderungswelle der deutschen Bevölkerung Anfang der neunziger Jahre, die Perspektivlosigkeit derer, die blieben – sind Ausgangspunkt für Neues. Dort, wo vor wenigen Jahren verlassene Häuser, eine verwahrloste Landwirtschaft und allgemeiner Müßiggang herrschten, wird Ursprünglichkeit wiederhergestellt, geschmacklose Modernisierung eingedämmt, neuer Gemeinschaftssinn aufgebaut. Im Mittelpunkt der Arbeit des „Mihai Eminescu Trust“ steht nicht nur die Sanierung von Baudenkmälern und wertvollen Häusern. „Es hat keinen Sinn, ein Haus zu restaurieren, das keine Seele hat“, sagt im Film Caroline Fernolend, die Leiterin der Stiftung in Rumänien. „Ich glaube an die Gemeinschaft, in der wir arbeiten!“, erklärt sie entschlossen und freut sich jedes Mal, wenn sie merkt, dass die neuen Dorfeinwohner, die erst vor zwei Jahrzehnten in die sächsischen Häuser eingezogen sind, für ihre Umgebung und ihre Ortschaft Verantwortung übernehmen. Denn, so die Überzeugung von Caroline Fernolend, „die Menschen heiligen den Ort.“ Sie werden in Handwerken und traditionellen Berufen geschult, erlernen alte Bautechniken, greifen vergessene Arbeitsweisen oder Materialien auf, gründen kleine Unternehmen. Stellvertretend für 200 Menschen, die mithilfe des MET einen Weg aus der Arbeitslosigkeit gefunden haben, erzählen der stolze Schmied István und der rührige Ziegelbrenner Gheorghiță ihre Geschichten. Auch die traditionelle Köhlerei am Waldrand, die erste ökologische Kläranlage Rumäniens in Deutsch-Weißkirch, die Produktionsstätten für Bio-Apfelsaft oder Büffel-Mozzarella, das Apafi-Schloss mit seiner „gepflegten Einsamkeit“ in Malmkrog zählen zu den Erfolgen der Stiftung.
Die zum Welterbe gehörende Kirchenburg. ...
Die zum Welterbe gehörende Kirchenburg.
Insgesamt hat der „Mihai Eminescu Trust“ mehr als eintausend Projekte durchgeführt. Was dabei das Wichtigste sein dürfte, ist das wiedergewonnene Vertrauen der Menschen in eigene Werte. Denn Siebenbürgen ist nicht nur erst seit einem Jahrzehnt eine Attraktion für Gäste aus aller Herren Länder. Schon im 16. Jahrhundert soll Paracelsus hier nach einzigartigen Heilkräutern gesucht haben, und sogar der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann, war auf Recherchereise in der Umgebung von Hermannstadt. Man kann sich nur wünschen, dass noch mehr Dörfer erwachen.

Christine Chiriac


Hinweis der Redaktion:

Den 43 Minuten langen Film „Ein Dorf erwacht“ können Sie auf YouTube sehen.

Schlagwörter: Film, Deutsch-Weißkirch, Eminescu-Trust, Siebenbürgen

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