11. Juni 2013

Rumäniendeutsche Literatur sichtbarer machen?

Die deutschsprachigen Länder bildeten den Schwerpunkt der diesjährigen Bukarester Buchmesse Bookfest vom 29. Mai bis 2. Juni, in deren Rahmen am 30. Mai eine Podiumsdiskussion zur deutschen Literatur in Rumänien stattfand. Sie wurde vom Goethe Institut Bukarest, dem Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen und dem Verlag Curtea Veche veranstaltet. Anlass für die Diskussion war die Anthologie „Deutsche Erzähler aus Rumänien nach 1945“, herausgegeben von Olivia Spiridon, die Ende 2012 in zwei Bänden und zwei Sprachen (in Deutsch und in rumänischer Übersetzung) im Bukarester Verlag Curtea Veche erschienen ist.
Teilnehmer am Podium waren der Schriftsteller Franz Hodjak, der Übersetzer Alexandru Șahighian, Romulus Rusan, der Mitbegründer der Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus in Sighet, der das Vorwort der Anthologie verfasst hat, die Autorin und Verlagsredakteurin Doina Jela sowie die Herausgeberin der Anthologie, Olivia Spiridon.

Diskutiert wurde über die offizielle Kulturpolitik und die inoffiziellen Praktiken in Rumänien bis 1989, das Schreiben als deutscher Autor vor und nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik sowie über den Beitrag dieser Literatur zum Gedächtnis der Diktatur in Rumänien.
Podiumsdiskussion auf der Bukarester Buchmesse, ...
Podiumsdiskussion auf der Bukarester Buchmesse, von links: Romulus Rusan, Alexandru Sahighian, Doina Jela, Franz Hodjak und Olivia Spiridon. Foto: Goethe-Institut Bukarest
Die rumäniendeutsche Literatur ist dem rumänischen Publikum heute weitestgehend unbekannt. Um diese Rezeption zu intensivieren, erörterten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion vor allem der Frage, wie diese Literatur wahrgenommen wird bzw. weshalb sie kaum wahrgenommen wird. Seitens des Verlags argumentierte man mit den knappen zeitlichen und finanziellen Budgets der Leser, aber auch mit der tendenziellen Ausrichtung des rumänischen Büchermarktes auf englischsprachige Literatur. Eine mögliche Vermaktungsstrategie könnte von dem besonderen Blickwinkel der Minderheitenautoren ausgehen, die die gemeinsam erlebte Geschichte eben anders interpretiert haben als die Mehrheitsbevölkerung. Als Beispiel für einprägsame Erfahrungen der Deutschen im Rumänien der unmittelbaren Nachkriegsjahre las Doina Jela einige Sätze aus Ludwig Schwarz’ Roman „De Kaule Baschtl“ vor und betonte dabei die Rolle des Dialekts als Schutzschild gegen die Zensur. Der Schriftsteller, Verlagslektor und Übersetzer Franz Hodjak flocht Selbsterlebtes ins Gespräch ein, um den deutschen Literaturbetrieb und das Verhalten einiger seiner Akteure – Schriftsteller, Lektor, Zensor – zu beschreiben.

Als eine strukturelle Rezeptionsbarriere erweist sich wohl auch der Begriff „Nationalliteratur“, der bis in die 1990erJahre hinein auch in der Bundesrepublik eine vorurteilslose Wahrnehmung literarischer Ränder verhinderte – sowohl der deutschen Minderheitenliteratur als auch der deutschsprachigen Migrantenliteratur. Auch in Rumänien schafft der Terminus „Nationalliteratur“ Ausschließungen und Ängste und damit auch Grenzen, die zwar leicht passierbar wären, doch das Blickfeld der Verleger und Leser von vornherein einschränken.

In einer Schlussrunde wurden aus der Perspektive des Schriftstellers, des Verlagsredakteurs, des Übersetzers und Publizisten Möglichkeiten erörtert, die deutsche Literatur aus Rumänien in vermehrtem Maße in die Regale rumänischer Buchhandlungen zu führen. Wie auch im Fall der Anthologie „Deutsche Erzähler aus Rumänien nach 1945“, die vom Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde und dem Verlag Curtea Veche finanziert wurde, sollte eine von deutscher Seite geförderte Reihe „Deutsche Schriftsteller aus Rumänien“, die gleichzeitig auch als Übersetzungsprojekt zu sehen ist, den Zugang dieser Literatur zum rumänischen Publikum erleichtern. Darüber hinaus könnten thematisch angelegte Anthologien das Interesse der Verlage und des Publikums wecken.

OS

Schlagwörter: Buchmesse, Bukarest, rumäniendeutsche Literatur, Podiumsdiskussion

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Neueste Kommentare

  • 11.06.2013, 11:29 Uhr von orbo: Aufschlusreich. Vielen Dank! [weiter]

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