29. November 2013

Zehn Tage Kultur pur!

Kultur in all ihren Facetten erlebten die zahlreichen Besucher bei den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtagen vom 25. Oktober bis 3. November in Heidenheim. Durch das Bundeskulturreferat des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und die Kreisgruppe Heidenheim wurde in diesen zehn Tagen ein ansprechendes kulturelles Programm für die Mitglieder, die Öffentlichkeit im Kreis Heidenheim und darüber hinaus geboten.
Einblicke – in Ausstellungen

Die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2013 starteten mit der Eröffnung der Ausstellung „Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen – Einblicke“ am Freitag, dem 25. Oktober, um 11.00 Uhr im Rathausfoyer der Stadt Heidenheim. Nach der Begrüßung durch den Stellvertre­tenden Bundesvorsitzenden Alfred Mrass führte Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster in diese Schau ein, die mehrere Ausstellung zusam­menfasste. Dazu gehörten vier dokumentarische Foto-Ausstellungen, die von Rumänien ausgehend, immer detailliertere Blicke auf Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen boten. Eine davon hatte die anwesende Kulturreferentin für Südosteuropa am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, Dr. Swantje Volkmann, beigesteuert, eine andere die Michael Schmidt Stiftung.
Vernissage im Foyer des Heidenheimer Rathauses. ...
Vernissage im Foyer des Heidenheimer Rathauses. Dort boten mehrere Ausstellungen Einblicke rund um Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen. Foto: Johann Dengel
Beeindruckt zeigte sich Schuster ebenso wie die zahlreichen Besucher von dem optisch sehr ansprechend gestalteten Trachtenschaufenster, für das Gwendoline Onghert-Renten ebenso verantwortlich war, wie für die Dokumentationstafeln, mit denen Mitglieder der Jugendtanzgruppe Heidenheim sich das Wissen um Herkunft, Sitten und Gebräuche der Siebenbürger Sachsen erarbeitet hatten und nun der Öffentlichkeit präsentierten, ergänzt mit Film- und Foto-Präsentationen über die Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Diese Schau, der Oberbürgermeister Bernhard Ilg in seinem schriftlichen Grußwort ein „Herzliches Willkommen entbot“, fand nicht nur bei der Eröffnung und dem anschließenden opulenten Empfang, zu dem die Kreisgruppe einlud, eine sehr gute Resonanz.

Vortragsreihe und kulinarische Lesung

In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule fanden im Elmar-Doch-Haus, dem alten Rathaus, fünf Vorträge und eine Lesung statt. Der zentral gelegene und technisch gut ausgestattete alte Ratssaal war immer gut besucht. Das war dem Themenspektrum und den arrivierten Fachleuten zu verdanken, aber zu einem gewissen Teil wohl auch den siebenbürgischen Köstlichkeiten, die von der Kreisgruppe beim anschließenden zwang­losen Beisammensein gereicht wurden.

Den Anfang machten am Freitag, dem 25. Oktober, Marianne und Prof. Heinz Acker. Sie präsentierten „Gregor von Rezzoris Maghrebinische Geschichten in Wort, Ton und Film“. Sie und der 1914 in der Bukowina geborene, später in Westeuropa erfolgreiche Schriftsteller, Maler, Journa­list und Schauspieler Gregor von Rezzori lenkten Mittels des fiktiven Landes Maghrebinien den Blick auf die Schnittstelle zwischen Morgen- und Abendland. Von Bild und Musik untermalt wurden mit Humor und hingebungsvoller Interpretation die Sinne des Publikums sensibilisiert und die Seelen geöffnet für die bunte Vielvölkerregion Südosteuropa, so wie Rezzori sie Anfang des 20. Jahrhunderts erlebt und festgehalten hat – und die sich in Teilen bis heute erhalten hat.
Prof. Heinz Acker – einer von sieben Referenten ...
Prof. Heinz Acker – einer von sieben Referenten der Vortragsreihe an der Volkshochschule Heidenheim. Foto: Hans-Werner Schuster
Kurzweilig präsentierte am Sonntag, dem 27. Oktober, die Stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter ihren Beitrag: „Urzeln. Ein Fastnachtsbrauch aus Siebenbürgen kommt nach Deutschland“. Dabei merkte der Zuhörer gleich, dass die in Agnetheln, der Hochburg der Urzeln, geborene Doris Hutter diesen Fastnachtsbrauch mit Leib und Seele lebt. Diesen heidnischen Brauch, bei dem durch lautes Peitschenknallen, Glockenlärm und grässliche Masken die bösen Geister und der Winter vertrieben werden sollten, übernahmen im Mittelalter die handwerklichen Zünfte. Die Urzeln begleiteten den Zug beim Übergeben der Zunftlade und hielten die Zuschauer von der Lade fern. Während des Zweiten Weltkrieges und im kommunistischen Rumänien war der Brauch bis 1969 verboten. Nur durch listige Argumentation konnten die Agnethlner den Brauch in Rumänien wieder aufleben lassen und brachten ihn dann auch nach Deutschland mit, wo er vor allem in Sachsenheim, Herzogenaurach, Nürnberg und Geretsried gepflegt wird. In der Faschingshochburg Dischingen laufen auch Urzeln der Kreisgruppe Heidenheim mit. Zwei davon untermalten Hutters Vortrag mit Schellengeläute und Peitschenknallen. Zünftig klang der Abend mit Krapfen und der Demonstration einer Urzeltaufe durch Doris Hutter aus, ein Brauch den die Heidenheimer Urzeln, die größtenteils aus Marpod stammen, nicht kennen. Am Mittwoch, dem 30. Oktober, platzte der Saal im Elmar-Doch-Haus aus allen Nähten, als der Historiker Martin Rill seinen Vortrag „Kirchenburgen in Siebenbürgen“ hielt. Die Kirchenburgen sind das eigentliche Wahrzeichen Siebenbür­gens, und es gibt nirgendwo in Europa so eine Dichte an Kirchenburgen wie dort. Martin Rill gab einen Überblick über die Kirchenburgen im ganzen Land, ihren Aufbau und ihre Kunstschät­ze. Am stärksten zeigte sich das Publikum von den Kirchenburgen in Honigberg und Tartlau beeindruckt. Am weitesten im Osten gelegen, mussten sie als Erste den aus dem Osten einfallenden Tataren und Türken standhalten. Für die Professionalität und Objektivität des Referenten sprach neben der allgemeinen Begeisterung sogar die leichte Enttäuschung der zahlreichen aus Kleinscheuern stammenden Besucher darüber, dass ihr Landsmann „ihre“ Kirchenburg mit Stillschweigen übergangen hatte.

Dem Historischen folgte an diesem Abend das Kulinarische. Dagmar Dusil las aus ihrem Buch „Blick zurück durchs Küchenfenster“. Dabei ging es nicht nur um Rezepte siebenbürgischer Spezialitäten, sondern auch um Erinnerungen der Autorin zu diesen Rezepten. Obwohl es sehr persön­liche Geschichten waren, spiegeln sie allgemeine sieben­bürgisch-sächsi­sche Geschichte wider. Die Zuhörer ließen sich diese Spezialitäten zuerst fiktiv auf der Zunge zergehen. Die fleißigen Frauen der Kreisgruppe Heidenheim hatten freilich diese Spezialitäten zubereitet und sie wurden am Ende der Lesung aufgetischt. Ein Fest für den Gaumen, wovon sich auch „Einheimische“ überzeugen konnten. Ihr Anteil unter den Besuchern hatte sich im Lauf der Vortragsreihe kontinuierlich gestiegen.

Am Donnerstag, dem 31. Oktober, war Benjamin Jósza, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen, zu Gast bei den Kulturtagen. Er berichtete den interessierten Zuhörern vom heutigen Siebenbürgen und den noch dort lebenden Siebenbürger Sachsen. Obwohl ihre Anzahl sehr gering geworden sei, hätten die Siebenbürger Sachsen immer noch einen großen Einfluss in Siebenbürgen. Und das im positiven Sinne. Wo sie mitwirkten, geschehe etwas, bekräftigte Jósza, so zum Beispiel in Hermannstadt, das einen deutschen Bürgermeister hat und wo im Stadtrat viele Siebenbürger Sachsen sitzen. Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion.

Der Tracht, einem weiteren Wahrzeichen der Siebenbürger Sachsen, widmete sich am Freitag, dem 1. November, Dr. Irmgard Sedler, Leiterin der städtischen Museen in Kornwestheim, in ihrem Bildvortrag. Dabei zeigte sie, dass die siebenbürgisch-sächsische Tracht von Politik, Sitten und Mode beeinflusst worden war, und verdeutlichte das anhand der Patriziertracht. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich eine „National­tracht, da die Kleiderordnung der Stände wegfiel und auch die Dorfbewohner die städtischen Kleider trugen“, führte Dr. Sedler aus. Damals entwickelte sich das heute noch getragene sächsische Kirchengewand und daraus das Bauerngewand. Beim Tragen am Sonntag in der Kirche waren darin alle gleich. Die Dorftrachten entwickelten im 19. Jahrhundert ihre Vielfalt, wobei die starke Persönlichkeit der Frauen eine große Rolle spielte. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts kam die Jungsächsische Tracht auf, die man beim Tanzen und auch zu Umzügen trug. Es war ein äußerst informativer Abend, mit dem die Vortragsreihe ausklang.

Kirchenkonzert und „Saksesch Folk“

Was in ihm steckt, hatte der Jugendbachchor Kronstadt schon bei der Eröffnung der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage gezeigt (siehe "Siebenbürgisch-Sächsische Kulturtage 2013 eröffnet"). Beim Benefizkonzert aus Anlass seines 20-jährigen Bestehens konnte er sich in der gotischen Michaelskirche am Sonntagnachmittag noch steigern. Dank der exzellenten Akustik verzück­te der Gesang der 19 Sängerinnen und Sänger, die drei Sprachen sprechen und sieben Konfessionen angehören, das Publikum. Leider waren wegen eines zeitgleich stattfindenden Orgelkonzertes einige Plätze frei geblieben. Unter der Leitung von Steffen Schlandt, der den Jugendbachchor 2004 von seinem Vater Eckart Schlandt übernommen hat, sang der Chor unter anderem Lieder von Richard Bjella, Johann Sebastian Bach und Helmut Sadler. Es wurde eine Sternstunde der Musik auch dank der Zugaben, die der Chor in „kleiner Runde“ für die Zuhörer gab, die einfach nicht gehen wollten.
Konzert der Superlative: Der Jugendbachchor ...
Konzert der Superlative: Der Jugendbachchor Kronstadt unter Steffen Schladt (am Klavier) in der Michaelskirche. Foto: H.-W. Schuster
Die Zugaben waren aber ebenso wie die Lieder, mit denen sich die Sänger auf dem Bahnsteig des Bahnhofes verabschiedeten, Beleg für deren Hingabe an die Musik und das Singen. Am Montagabend, dem 28. Oktober, war die „Lidertrun“ zu Gast. Im Saal des Paulusgemeindehauses entführten Karl Heinz Piringer, Michael Gewölb und Hans Seiwerth mit der Unterstützung von Angela und Nora Seiwerth die zahlreichen Zuhörer mittels sächsischer, aber auch rumänischer und ungarischer Volkslieder – im Stil der Folk-Musik verpackt – nach Siebenbürgen.
„Lidertrun“ – Karlheinz Piringer, Hans Seiwerth ...
„Lidertrun“ – Karlheinz Piringer, Hans Seiwerth und Michael Gewölb (von links nach rechts). Foto: Martin Schuster
Diese Vollblutmusiker, die Gesang und jeweils mehrere Musikinstrumente beherrschen, beeindruckten durch ihre Vielseitigkeit und verbreiteten eine harmonisch-wohlige Stimmung im Saal. Bei bekannten Liedern wie „De Astern“ sang das Publikum nach Herzenslust mit.

Kindermusical

Noch besser besucht war der Saal des Paulusgemeindehauses am folgenden Abend. Die Jugend- und Kindertanzgruppe Heidenheim unter der Leitung von Helga Schuster führte Christian Schomers Musical „Salz ist mehr als Gold“ auf. Die Kinder hatten sich intensiv auf diesen Auftritt vorbereitet und es wurde ein voller Erfolg. Ein prunkvoller Palast und ein König, der einen Beweis für die Liebe seiner Töchter einfordert, führte das Pub­likum in das slowakische Märchen ein. Zum Entsetzen des ganzen Hofstaates schenkt die jüngste Tochter dem König als Beweis ihrer Liebe ein Säckchen mit Salz. Sie wird von ihrem Vater verstoßen, der nicht verstehen kann, dass Salz, das der Ärmste der Armen besitzt, so wertvoll sein kann. Doch gezeichnet von seiner Krankheit muss er mit seinem Hofstaat erkennen, dass niemand ohne Salz leben kann. Die Folgen des Salzmangels wurden in einem Tanz (Menuett) dargestellt, in dem die Tanzenden, von Schwäche gezeichnet, nacheinander zu Boden sanken.
Verschnarcht? Von wegen! Begeisterndes Musical. ...
Verschnarcht? Von wegen! Begeisterndes Musical. Foto: Ortwin Rill
Ein Märchen über die Liebe, das war Thema des Musicals, das die Kinder mit viel Leidenschaft gesungen und gespielt haben. Durch bezaubernde Kostüme, melancholische und witzige Lieder zeigten die Kinder der Kindertanzgruppe nicht nur, wie viel Salz die Liebe verträgt, sondern auch ihr schauspielerisches Talent. Tosender Applaus belohnte sie für ihre Leistung. Am Wochenende vom 2.-3. November klangen die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2013 in Heidenheim mit den Veranstaltungen zum 30. Jubiläum der Kreisgruppe und der Volkstanzgruppe sowie zum 10. Jubiläum der Theatergruppe aus (siehe dazu die Berichte auf Seite 19 dieser Zeitung). Es waren zehn Tage, an denen die Öffentlichkeit „geballt die Perlen siebenbürgisch-sächsischer Spielart deutscher Kultur“, so der Bundes­vorsitzende Dr. Bernd Fabritius in seiner Rede bei der Eröffnungsveranstaltung, zu sehen, zu hören und zu fühlen bekam. Ein herzliches Dankeschön gilt den Veranstaltern: Verband der Siebenbürger Sachen, Stadt Heidenheim mit Volkshochschule und Kunstmuseum, evangelische Kirche und Hilfskomitee. Dank auch an alle Mitwirkenden, Organisatoren, Sponsoren, Helferinnen und Helfern sowie an den Vorstand der Kreisgruppe. Besonderen Dank verdient der Vorsitzende der Kreisgruppe Heidenheim, Günther Dengel, der die Kulturtage nach Heidenheim geholt und in einem wahren Kraftakt erfolgreich mitorganisiert hat.

Martin Schuster



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Schlagwörter: Kulturtage, Heidenheim

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