10. Dezember 2013

Gedichte für Nachdenker von Erwin Fleischer

In diesem Jahr brachte der Verlag Sternblick einen Gedichtband des Lyrikers Erwin Fleischer heraus. Der gebürtige Hermannstädter bezeichnet seine Verse, überschrieben mit dem Titel „Seelische Zeit“, als Erfahrungsgedichte und unterstreicht damit deren reflexiven Charakter.
Aus einem inneren Blick heraus lässt uns der Lyriker, schon durch die selbstgestaltete Umschlaggrafik, teilhaben an seiner ganz persönlichen Welt. Er fördert gleichermaßen Gedanken zu Tage, die jeden Menschen existenziell betreffen. Ein Gedicht, in dem sich die Sehnsucht, etwas in der Welt zurück zu lassen ganz ungeschminkt zeigt, lautet:


Weit
und lebenslang
möchte ich greifen,
ins Haltlose einen Halt setzen.
Für kommende Generationen.
Das Leben fassen,
nicht loslassen zum Ende hin.
Durchhalten mit Erfolgsaussicht.
Und doch: zärtlich abwenden.
Es ist die Zeit unserer Gegenstände;
unbemerkt steht sie still, auch im Werden.
Unsere innere entschwindet
in die ewige Endlichkeit des Tages.

Um „die ewige Endlichkeit des Tages“ mit der Vergänglichkeit des Menschenlebens auszusöhnen, appelliert Fleischer in seinem Gedicht „Öffne dein Fenster“, an das Zusammensein. Er ruft aus: „Verringere den Abstand zu deinen Mitmenschen. Pflanze eine Verhaltensoase in der Wüste des Alltags“. Philosophisch wertvoll ist insbeson­dere, dass der Lyriker darauf aufmerksam macht, dass Worte uns auch „auseinander lenken“ können.

Die Sprache, so auch die Meinung des philosophischen Anthropologen Helmuth Plessner, reiche nicht aus, um uns dem Gegenüber vollständig erklären zu können. Sie vermittelt zwischen den Menschen und ist zugleich unüberwindbares Hindernis.

Der erste Eindruck, den Fleischers Lyrik beim Leser hinterlassen kann, ist ein unangenehmes Gefühl vom Bewusstsein der eigenen Endlichkeit. Lässt sich der Bücherfreund aber auf sein Werk ein und wiederholt dessen Rezeption, vermitteln Fleischers Verse eine sanfte Geborgenheit, da man im Sinne Hannah Arendts erkennt, dass man selbst nur ein Mensch unter Menschen ist, welche den Vanitasgedanken notwendigerweise miteinander teilen.

Das Buch „Seelische Zeit“ ist zu empfehlen für Nachdenker. All jenen, die offen sind für die alten Fragen der Menschheit, die zusammen nach dem höchsten Gut im eigenen Leben fragen, kann Fleischers Veröffentlichung Impulsgeber und zugleich Weggefährte sein.

Christina Grzeschniok

Nachdruck aus der Hermannstädter Zeitung vom 26. Juli 2013


Erwin Fleischers Gedichtband „Seelische Zeit. Erfahrungsgedichte“, Verlag Sternblick, Bamberg, 55 Seiten, ist erhältlich für 12 Euro plus Versand per E-Mail: erwinfleischer[ät]online.de oder unter Telefon: (09544) 20195.

Schlagwörter: Buchpräsentation

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