1. August 2014

Attentat löst 1914 Weltbrand aus

1914-2014: Vor hundert Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Durch das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie ausgelöst, entbrannte am 1. August 1914 in Europa ein Krieg, in den 40 Länder verwickelt wurden, auch Rumänien. In diesen Wochen und Monaten, da uns dramatische Nachrichten von kriegerischen Auseinandersetzungen in der östlichen Ukraine, im Nahen Osten und Afrika erreichen, gedenken wir des Grauens und der rund 17 Millionen Toten, die dieser erste „totale“ Krieg forderte: 9,4 Millionen Soldaten und 7,9 Millionen Zivilisten wurden in den vier Kriegsjahren weltweit getötet. Dr. Michael Kroner befasst sich in seinem nachfolgenden ereignisgeschichtlichen Beitrag mit den Siebenbürger Sachsen im Ersten Weltkrieg, an dessen Ende 37533 sächsische Soldaten und Offiziere an verschiedenen Fronten kämpften. Der Historiker und Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreisträger 2006 beziffert die Zahl der Gefallenen oder vermisst Gebliebenen auf 4850, die der Verwundeten auf 4669.
In dem Ringen um die politische Vorherrschaft in Europa und um Kolonien entstanden in den Jahrzehnten vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Europa zwei feindliche Militärblöcke der Großmächte: der Dreibund, dem Österreich-Ungarn, Deutschland und Italien angehörten, und die Entente (Alliierten), bestehend aus Frankreich, England und Russland. Das führte zu einem Wettrüsten und zu Kriegshetze innerhalb der Bevölkerung. Diese hochexplosive Lage wurde in den multinationalen Staaten des osmanischen Reiches und in der Habsburgermonarchie durch Bestrebungen der nicht staatstragenden Völkerschaften nach nationaler Befreiung und Bildung eigener Nationalstaaten verschärft. Die Initialzündung, die den Ersten Weltkrieg auslöste, erfolgte nicht zufällig in der österreichisch-ungarischen Monarchie in Bosnien-Herzegowina, das 1908 von Österreich annektiert worden war. Der Auslöser, der zum Ausbruch des Krieges führte, war ein Attentat am 28. Juni 1914, bei dem der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie von einem bosnischen Studenten auf offener Straße in Sarajewo erschossen wurden. Da hinter diesem ­Attentat die nationalistische, bosnisch-serbische Geheimorganisation „Schwarze Hand“ steckte, die die Gründung eines südslawisch-großserbischen Staates verfolgte, richtete Wien am 23. Juli ein Ultimatum an Serbien, das u.a. von Serbien die Übernahme der Verantwortung für das Attentat forderte. Serbien akzeptierte die damit verbundene Einschränkung seiner Souveränität nicht und wies das Ultimatum am 25. Juli ab. Daher erfolgte am 29. Juli die österreichische Kriegserklärung, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte. Russland, das sich als panslawistische Schutzmacht verstand, sagte Serbien Hilfe zu und ordnete eine Gesamtmobilmachung seines Heeres an. Als Deutschland deren Rücknahme ultimativ forderte, aber keine Antwort erhielt, erklärte es dem Zarenreich am 1. August den Krieg. Russland hatte sich der ­Unterstützung seines französischen Verbündeten vergewissert; so erfolgte am 3. August die Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich. Beim Angriff auf Frankreich missachtete Deutschland die Neutralität Belgiens, weshalb am 4. August der Kriegseinritt Englands erfolgte. Zugleich eröffneten die genannten Staaten die kriegerischen Handlungen und Angriffe. Durch Propaganda wurden die Kriegserklärungen gegenüber dem eigenen Volk jeweils als Verteidigung des Vaterlandes dargestellt, so dass die Männer dem Mobilisierungsbefehl meist begeistert in der Überzeugung folgten, damit eine patriotische Pflicht zu erfüllen. Man hoffte, dass der Krieg bis Weihnachten zu Ende sein würde. Dass ein blutiges, vierjähriges Völkermorden folgte, war nicht vorauszusehen.

Im Verlauf des Krieges wurden noch zahlreiche andere Staaten in das Geschehen hineingezogen, so dass es zum Weltkrieg kam. Italien und Rumänien, die dem Dreibund angehörten, erklärten bei Kriegsausbruch ihre Neutralität, um dann 1915 und 1916 auf die Seite der Entente überzutreten. Die Türkei und Bulgarien traten dem Dreibund bei. 1917 kamen die USA den Alliierten zu Hilfe. Ihrem Beispiel folgten mehrere Staaten Mittel- und Südamerikas, ferner außer Japan noch China, Siam, Liberia u.a. Die Heere dieser Staaten stießen an verschiedenen Fronten aufeinander. In Europa gab es zwei Hauptfronten: Im Osten kämpften die verbündeten österreichisch-ungarischen und deutschen Heere gegen die russische Armee von 1914 bis 1917, im Westen fanden von 1914-1918 hauptsächlich auf französischem Boden blutige Schlachten zwischen den Deutschen auf der einen und den Franzosen und Engländern auf der anderen Seite statt. Außerdem gab es in Europa noch mehrere Nebenfronten: in Serbien und anderen Teilen des Balkans, in Rumänien, Bulgarien und in Italien. Der Krieg erfasste auch die Türkei mit Vorderasien, sodann die deutschen Kolonien in Asien. Hinzu kamen Seeschlachten und ein U-Boot-Krieg.

Bis Ende des Krieges wurden auf beiden Seiten etwa 45 Millionen Männer in den Krieg eingezogen, von denen etwa 9,4 Millionen in Kampfhandlungen umkamen. Es hat während des Krieges zahlreiche blutige Schlachten, vor allem im Stellungskampf gegeben. Erst die allgemeine Erschöpfung, die Versorgungsnot und wachsende Unzufriedenheit zwangen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich Ende 1918 zur Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen und zur Beendigung des Krieges, der mit dem Sieg der Alliierten endete. Für die Mittelmächte brachte der Krieg große menschliche und materielle Verluste, hohe Kriegsschulden, beträchtliche Gebietsverluste, den Sturz der Habsburger und Hohenzollern-Monarchien, die Auflösung Österreich-Ungarns in Nationalstaaten. Es würde in diesem Rahmen zu weit führen, auf weitere Folgen des Ersten Weltkrieges einzugehen. Er gilt als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, die den Verlauf der Geschichte bis in unsere Tage fundamental beeinflusst hat. Wir wollen uns fortfahrend in unserem Beitrag mit der Situation der Siebenbürger Sachsen im Ersten Weltkrieg befassen.
Mobilisierung des k.u.k. Infanterieregiments Nr. ...
Mobilisierung des k.u.k. Infanterieregiments Nr. 31 am 1. August 1914 in Hermannstadt. Foto: Georg Egel (Bildarchiv Konrad Klein)

Die Siebenbürger Sachsen während des Ersten Weltkrieges

Die siebenbürgisch-sächsischen Männer quittierten mit Stolz ihre Militärdienstpflicht in der kaiserlich und königlichen (k.u.k.) Armee, zumal die Kommandosprache deutsch war. Für viele Bauernburschen war es die erste und manchmal die einzige Gelegenheit, aus dem ­engen Kreis des Dorfes herauszukommen und etwas von der „großen“ Welt zu sehen. In Erinnerungen zehrten sie lange Zeit von den Erlebnissen während des Militärdienstes. Die zum Kriegsdienst einrückenden Männer folgten dem Stellungsbefehl im Bewusstsein, das bedrohte Vaterland verteidigen zu müssen und einer vaterländischen Pflicht nachzukommen.

Bereits im ersten Kriegsjahr standen 17666 Sachsen im Felde, am Ende des Krieges kämpften an verschiedenen Fronten 37533 sächsische Soldaten und Offiziere. Bei den etwa 230000 Sachsen war das ein hoher Prozentsatz. Von den Eingerückten sind 4850 gefallen oder blieben vermisst, 4669 wurden verwundet. Über 40 Prozent der eingezogenen Sachsen waren Offiziere und Unteroffiziere. Zu den Stabsoffizieren aus den Reihen der Sachsen gehörten die Feldmarschälle Arthur Arz von Straußenburg, Ludwig von Fabini und Emil von Ziegler. Während des Krieges wurden insgesamt 10343 Sachsen ausgezeichnet.

Die sächsischen Soldaten kämpften hauptsächlich an der Ostfront innerhalb des 12. k.u.k. Korps gegen die Russen. Ein Teil kam auch an der serbischen und nach 1915 an der italienischen Front zum Einsatz. Es gab kaum eine Familie, aus der nicht der Vater oder Söhne einberufen wurden. Die fehlenden Arbeitskräfte ersetzten Frauen, ältere Männer und Kinder. Zu diesen Beeinträchtigungen kamen Requirierungen sowie die Rationierung der Lebensmittel mit festgesetzten Maximalpreisen.

Von Kriegsschlachten und feindlicher Besetzung blieb Siebenbürgen vorerst verschont. Die Nordsiebenbürger gerieten aber schon im Herbst 1914 in Schrecken, als die Russen die benachbarte Bukowina besetzten, die damals zu Österreich gehörte, und zahlreiche Flüchtlinge über die Karpaten nach Siebenbürgen hereinströmten. Am 6. Oktober 1914, es war gerade Wochenmarkt in Bistritz, verbreitete sich plötzlich das Gerücht, die Russen hätten die Front durchbrochen und befänden sich im Vormarsch. Die Bistritzer wurden zur Flucht aufgefordert. Zu ihrem Glück fehlte es an Flüchtlingszügen, denn schon am nächsten Tag stellte sich heraus, dass keine Gefahr bestand. Viele, die über eigenes Fuhrwerk verfügten, waren in Richtung Lechnitz und Sächsisch-Reen geflohen, kehrten aber nach einigen Tagen zurück. Am 19. Dezember desselben Jahres begrüßten die Bistritzer den aus der Bukowina kommenden und durchfahrenden österreichischen Thronfolger Erzherzog Karl.

Im Frühjahr 1915 konnte die Bukowina zurückerobert werden, und die Lage entspannte sich etwas an der Ostfront. Im Sommer 1916 erfolgte ein neuer Vorstoß der Russen in die Bukowina, und wiederum suchten viele Menschen von dort Zuflucht in Siebenbürgen. In diesem Jahr zeigten sich bei den kriegführenden Ländern Ermüdungserscheinungen. Die Versorgung wurde immer problematischer. Man griff zu immer drastischeren Rationierungs- und Requirierungsmaßnahmen. Der ungeheure Bedarf an Buntmetallen für Geschosse führte zur Beschlagnahmung von Gegenständen aus Kupfer, Zinn, Zink, Messing und Bronze. So manche Hausfrau musste sich von ihrem liebgewonnenen Küchengeschirr trennen. 1916 mussten auch die „entbehrlichen“ Glocken zum Einschmelzen abgeliefert werden. Kaum eine Kirche blieb verschont.

Die beiden kriegführenden Militärbündnisse – die Mittelmächte und die Entente – bemühten sich seit 1914, Rumänien als Kriegspartner zu gewinnen. Die Entente versprach Siebenbürgen und die Bukowina, die Mittelmächte das unter russischer Herrschaft befindliche Bessarabien. In Bukarest, wo seit 1914 König Ferdinand herrschte, wartete man zunächst ab. 1916 schien sich das Kriegsglück den Ententemächten zuzuneigen. Diese drängten Rumänien zum Kriegseintritt, um durch seine Offensive die Franzosen an der Westfront bei Verdun zu entlasten. Am 27. August 1916 erklärte Rumänien Österreich-Ungarn den Krieg, sein Heer überschritt am nächsten Tag die Karpatenpässe und erschien in Siebenbürgen. Daraufhin folgte am 30. August die Kriegserklärung Deutschlands an Rumänien.

Die eindringenden rumänischen Truppen stießen auf keinen ernsten Widerstand und besetzten einen Großteil Siebenbürgens. Die Grenze war bloß von ungarischen Gendarmerieeinheiten bewacht. Bereits Mitte September kam die rumänische Offensive jedoch zum Stillstand. Beim Einfall der Rumänen verordnete die ungarische Regierung die sofortige Räumung der südöstlichen und östlichen Komitate Siebenbürgens. Hastig ergriff ein Teil der von Besetzung bedrohten Bevölkerung die Flucht – fast ausschließlich Ungarn und Sachsen –, während die Rumänen ihre „Brüder“, wenn auch etwas verhalten, willkommen hießen.

Die Flucht erfolgte zum Teil in größter Unordnung. Die Flüchtlinge warteten oft sehr lange auf Bahnhöfen, manchmal auch vergebens auf einen Zug. War man dann in die Viehwaggons zusammengepfercht worden, kam man sehr langsam, dazu noch ohne Verpflegung voran. Die Trecks der Bauern fuhren meistens planlos in westlicher Richtung und waren froh, wenn sie über Nacht in ein Anwesen eingelassen oder gar verköstigt wurden. Ein Augenzeuge beschreibt im „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt“ den Flüchtlingszug: „Fuhrwerke jeder nur denkbaren Art, ein-, zwei-, vierrädrig, bespannt mit Mensch und Ross, mit Ochsen und Büffeln, bevölkern die Straßen. Bepackt mit zahllosen Dingen, an denen der Menschen Herzen hängen ... Unübersehbar ist der Zug, und er wird auf der langen Straße von Hermannstadt bis Klausenburg kaum hie und da einen Meter unterbrochen.“

Die mit Zügen Evakuierten kamen trotz Stockungen rascher vorwärts und gelangten auch am weitesten, die meisten von ihnen nach Budapest und Umgebung, während die Fuhrwerktrecks im westlichen Siebenbürgen, im Banat, im Kreischgebiet und in der Teißebene untergebracht wurden. Zu ihrem Glück dauerte es nicht lange, bis sie wieder heimkehren konnten, dann aber oft geplünderte Anwesen vorfanden. Der durch die Flucht geschätzte Schaden der Sachsen bezifferte sich auf mehrere Millionen Kronen. Etwa zehn sächsische Gemeinden meldeten große Schäden. Stark war der Viehbestand dezimiert worden, da nicht alle Rinder rechtzeitig aus dem Kriegsgebiet herausgeführt werden konnten. Viele Pferde waren schon bei Kriegsbeginn für das eigene Militär requiriert worden. Die von den Behörden angeordnete Evakuierung erwies sich als eine unnötige Maßnahme, denn Rache- und Strafaktionen oder gar Lebensgefahr seitens der Eindringlinge waren kaum zu erwarten gewesen. Die Daheimgebliebenen sind vom rumänischen Militär selten drangsaliert worden.

Bis Mitte September konnten die Mittelmächte starke Armeeverbände nach Siebenbürgen verlegen: die 9. deutsche Armee unter General Erich von Falkenhayn und die 1. k.u.k. Armee unter General Arz von Straußenburg. Sie traten die Offensive gegen die rumänischen Eindringlinge an und schlugen diese in den Schlachten von Hermannstadt (26.-28. September), Praid-Sovata, Petroschen, Kronstadt, Predeal und im Roten Turmpass.

Gleichzeitig wurde Rumänien aus Bulgarien von einem deutschen Heer unter dem Kommando von General August von Mackensen, verstärkt durch türkische und bulgarische Verbände, angegriffen Bis Ende des Jahres 1916 besetzten deutsche und österreichisch-ungarische Truppen die Dobrudscha, Oltenien und Muntenien. Am 6. Dezember marschierte ihre Vorhut in Bukarest ein, von wo der Königshof und die Regierung nach Jassy geflüchtet waren. Die eroberten Gebiete blieben bis Oktober 1918 unter deutscher Militärverwaltung unter dem Oberkommando von Feldmarschall von Mackensen.

In allen sächsischen Ortschaften Siebenbürgens waren die deutschen Befreier 1916 herzlich begrüßt und gastfreundlich aufgenommen worden. Über den Empfang der deutschen Soldaten in Hermannstadt berichtet Emil Sigerus: „Am 27. September, 11 Uhr, marschiert eine größere Abteilung des deutschen Landwehr-Infanterieregiments Nr. 253, die gestern ankam und auf der Conrad’schen Wiese übernachtet hatte, auf den Großen Ring und schlägt dort an dessen Nord- und Südseite ihr Lager auf. Sofort ist die ganze Stadt auf den Beinen, um diesen lieben Besuch zu willkommnen! Wein, Milch, Obst, Speck, Brot, Kuchen usw. werden herbeigebracht und an die Soldaten verteilt. Fröhliche Gesichter überall! Überall wird munter geplaudert und gelacht. Dann treten Sängergruppen aus den Soldatenreihen und geben als Dank für die freundliche Begrüßung deutsche Liederchöre wieder. Zum Schluss spricht noch der Chordirigent, ein Lehrer aus Sendlingen, seinen herzlichen Dank für die liebe Aufnahme aus und endet seine Rede mit einem ‚Hoch‘ auf die Stadt. Überrascht sind all’ diese Soldaten über das deutsche Leben, das sie so ferne von der Heimat wiederfinden.“

Seitens der Sachsen war der allseitige herzliche Empfang ein Dank gegenüber dem Mutterland, durch dessen militärisches Eingreifen die Heimat befreit wurde, die die österreichisch-ungarische Armee ungeschützt gelassen hatte, während sächsische Männer an der Front außerhalb Siebenbürgens ihren Blutzoll zahlten. Die Begegnung mit den deutschen Truppen verlieh dem deutschnationalen Selbstbewusstsein der Siebenbürger Sachsen neuen Auftrieb. Sogar der einfache Mann hatte nun Gelegenheit, mit Reichsdeutschen ins Gespräch zu kommen. Und was er diesen über seinen Volksstamm erzählte sowie das gegenüber Deutschland bekundete Solidaritätsgefühl hinterließen bei vielen deutschen Heeresangehörigen bleibende Eindrücke. Sie lernten hier ein Fleckchen deutscher Erde kennen, das den meisten unbekannt war. Auch der deutsche Kaiser Wilhelm II., der im September 1917 Siebenbürgen besuchte, blieb nicht unberührt von dem Empfang, der ihm zuteil wurde, ebenso der bayrische König Ludwig III., der vom österreichischen Thronfolger Karl begleitet wurde.
Die Kriegsgräberfürsorge in Siebenbürgen war ...
Die Kriegsgräberfürsorge in Siebenbürgen war vorbildlich organisiert. Im Bild der Heldenfriedhof in Freck mit Pflegerinnen aus den Reihen der örtlichen Schwesternschaft (1932). Foto: Emil Fischer(?)/Bildarchiv Konrad Klein
Ein Zeichen der Verbundenheit und Dankbarkeit der Sachsen gegenüber Deutschland und Deutsch-Österreich, wo sich im dritten Kriegsjahr große Versorgungsnot bemerkbar machte, war die Aufnahme von Ferienkindern aus Wien, Leipzig und Berlin im Sommer 1917 in Siebenbürgen. Sie wurden in Familien untergebracht und erlebten hier einige sorgenfreie Wochen und konnten „ausgefüttert“ heimfahren. Der Leiter der Berliner Schülergruppe, Oberstudiendirektor Dr. Tropfke, schrieb nach der Rückkehr einen Dankesbrief an den Bürgermeister von Kronstadt Karl Ernst Schnell, in dem es hieß: „Mehrfach sind hier in Berlin die Siebenbürger Ortsgruppen (gemeint sind die zurückgekehrten Schüler; der Verfasser) mit ihren Leitern zusammengekommen. Auch sämtliche Lehrer und Lehrerinnen (die in Siebenbürgen waren) trafen sich neulich bei einem Bier. Thema überall: unser liebes Burzenland! Im November werden zwei große Siebenbürgenvorträge für die Eltern unserer Kinder veranstaltet. Wie mir von verschiedenen Seiten erzählt wird, werden die tiefen Melodien Ihrer schönen Lieder in allen Teilen Berlins in den Familien geübt und weitergegeben. Das ist gerade, was wir als Dank zu Hause tun können und wollen, die Fäden zu stärken, die sich zwischen unseren Ländern jetzt angesponnen. Wer hat vorher in Berlin Gelegenheit gehabt, von Siebenbürgen etwas zu hören? Jetzt ist es in aller Munde! Die einen dankbar, die andern neidisch und sehnsüchtig schwärmen von der Gastfreundschaft, die uns das Bauernhaus, das Pfarrhaus, das Bürgerhaus in so reiner Herzlichkeit und reicher Fülle entgegengebracht.“

Siebenbürgen diente bis Ende des Krieges als Verbindungsbrücke zu den in Rumänien in der Etappe stationierten deutschen Truppen, so dass viele deutsche Armeeangehörige während ihrer Hin- und Rückfahrt das siebenbürgische Sachsenland kennen lernten.

Die Mittelmächte wurden 1918 zum Waffenstillstand gezwungen, das deutsche Heer musste sich aus Rumänien zurückziehen. Der Rückzug begann am 10. November. Etwa 20000 Mann traten den Heimweg an, der sich äußerst schwierig gestaltete, da notwendige Transportmittel und Verpflegung fehlten. Der Heimtransport erfolgte über Siebenbürgen, wo gezwungenermaßen Zwischenaufenthalte eingelegt wurden. Der Dichter und Publizist Kurt Tucholsky, der dem Verwaltungspersonal der deutschen Besatzung in Rumänien angehört hatte, erreichte am 18. November Hermannstadt und schrieb darüber an seine spätere Frau: „Wir blieben in den meisten Städten ein paar Tage. Hermannstadt ist entzückend: bestes, altes gutes Deutschland. Winklige Gassen, eine wundervolle Bevölkerung und sehr gutes Essen, nicht zu vergessen.“ Einige Jahre später erinnerte er sich: „Wir saßen in Hermannstadt (das heute zu Rumänien gehört) und sahen uns die hübschen deutschen Straßen und Plätze an und sprachen mit den Deutschen, die dort seit Jahrhunderten sitzen. Sie sprachen einen Dialekt, der ein wenig an das Alemannische anklingt, und manche Worte waren zu verstehen.“

Der Befehlshaber des deutschen Heeres Feldmarschall August von Mackensen, der während der Besatzung aus Rumänien öfter Kronstadt besucht hatte, schrieb 1923 an dessen Bürgermeister Schnell: „Ich suche die Geschicke des Burzenlandes wie des ganzen Siebenbürger Sachsenvolkes so gut zu verfolgen, wie die Umstände es ermöglichen, denn Land und Leute habe ich liebgewonnen und der Jahrhunderte alte Kampf der Sachsen um ihr Deutschtum und dessen charaktervolle, siegreiche Behauptung hat meine vorbehaltlose Bewunderung. Meine treuesten Wünsche geleiten die Sachsen auch unter den neuen staatlichen Verhältnissen. Sie werden auch unter rumänischer Herrschaft durchhalten! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. Gott befohlen!“

Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien 1918-1919

Nachdem sich die Habsburgermonarchie 1918 in Nationalstaaten auflöste, beschlossen die Rumänen Siebenbürgens am 1. Dezember auf einer Nationalversammlung in Karlsburg, Siebenbürgen mit Rumänien zu vereinigen. In der angenommenen Anschlusserklärung wurde allen „mitwohnenden Völkern“ des neuen rumänischen Staates die „volle nationale Freiheit“ in Aussicht gestellt. Es hieß in der Erklärung: „Jedes Volk wird den Unterricht, die Verwaltung und die Rechtspflege in seiner eigenen Sprache durch Personen aus seiner eigenen Mitte erhalten, und jedes Volk wird das Recht der Vertretung in den gesetzgebenden Körperschaften und in der Regierung im Verhältnis zur Zahl seiner Volksangehörigen haben.“ Ein weiterer Artikel versprach „Gleichberechtigung und volle autonome konfessionelle Freiheit für alle Konfessionen im Staate“. Die Versammlung beschloss, bis zum verwaltungsmäßigen Anschluss Siebenbürgens an Rumänien die oberste Exekutivgewalt einem Leitenden Regierungsrat (Consiliu Dirigent) als provisorischer Regierung zu übertragen, während als Legislative und oberstes Vertretungsorgan der Rumänen nach außen und innen ein Großer Nationalrat eingesetzt wurde. Präsident des Regierungsrates, der seinen Sitz nach Hermannstadt verlegte, wurde Iuliu Maniu. Ende November 1918 rückten rumänische Truppen in Siebenbürgen ein und besetzten es bis Ende Dezember.

Die Sachsen waren nun gefordert, ihre Stellung zu den vollzogenen Veränderungen öffentlich zu bekunden. Sie waren stets loyale Staatsbürger Ungarns im Verband der österreichischen Monarchie gewesen, für deren Bestand sie plädiert hatten. Auf den erfolgten Anschluss Siebenbürgens an Rumänien hatten die Sachsen keinen Einfluss. In einem Artikel „Die Zukunft unserer siebenbürgischen Heimat“, veröffentlicht am 19. November 1918 im „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt“, stellte Hermann Plattner realpolitisch zu der im Titel gestellten Frage fest: „Unserem sächsischen Volke kommt bezüglich dieser Frage eine ausschlaggebende Entscheidung n i c h t zu. Die staatliche Zugehörigkeit Siebenbürgens ist in mächtigere Hände gelegt, als die unsrigen es sind. Wir wollen die Entwicklung der Ereignisse ruhig abwarten.“ Und die Ereignisse entwickelten sich zugunsten der Rumänen. Dem trug der „Deutsch-Sächsische Nationalrat“ Rechnung und berief eine Sachsenvertretung ein, die am 8. Januar 1919 in Mediasch zusammentrat. Unter Berufung auf die Weltereignisse, das Vereinigungsdekret von König Ferdinand, die Erklärung von Karlsburg und angesichts der ethnischen Verhältnisse bekannten sich die Sachsen zu folgender Erklärung: „Angesichts dieser Tatsachen und in der Überzeugung, dass sich hier ein weltgeschichtlicher Vorgang vollzieht, spricht das sächsische Volk in Siebenbürgen, indem es sich auf den Boden des Selbstbestimmungsrechtes der Völker stellt, seinen Anschluss an das Königreich Rumänien aus und entbietet dem rumänischen Volke seine brüderlichen Grüße und herzlichen Glückwünsche zur Erfüllung seiner nationalen Ideale. Das sächsische Volk Siebenbürgens trägt damit nicht nur der weltgeschichtlichen Entwicklung Rechnung, sondern auch dem inneren Rechte des rumänischen Volkes auf Vereinigung und Staatenbildung und spricht die zuversichtliche Erwartung aus, dass sich das rumänische Volk und der rumänische Staat, dem das sächsische Volk seine altererbte Tüchtigkeit zur Verfügung stellt, ihm gegenüber immer durch vornehme und gerechte Gesinnung leiten lassen wird. Das sächsische Volk, das Jahrhunderte hindurch eine verfassungsmäßige Selbstverwaltung besaß, die ihm entgegen feierlicher und gesetzlicher Zusicherung widerrechtlich entzogen wurde, erwartet ferner, dass ihm niemals unmöglich gemacht werde, sich als ihres Volkstums bewusste nationale und politische Einheit in aller Zukunft zu behaupten und zu entwickeln, in der Voraussetzung, dass der neue Staat ihm alles gerne bieten und geben wird, was es als seine Lebensbedingung ansieht.“ In der Erklärung von Karlsburg sähen die Sachsen „eine dauernde Bürgschaft für den Frieden der Völker“. Die Vertreter der Sachsen sprachen weiter die Hoffnung aus, dass auch die übrigen „deutschen Volksgenossen“ dem neuen Staate ihre Zustimmung geben würden, wobei dieser die „völkische und politische Zusammengehörigkeit aller Deutschen“ Rumäniens anerkenne.

Seit 1918 gehört Siebenbürgen zu Rumänien und die Sachsen sind dessen Staatsbürger. Leider wurden die in der Karlsburger Erklärung in Aussicht gestellten Versprechen nur teilweise verwirklicht und die nationalen Minderheiten waren einer auf Rumänisierung ausgerichteten Politik ausgesetzt. Bis 1944 konnten die Rumäniendeutschen aber gestützt auf eine Doppelloyalität – durch Anerkennung ihrer deutschen Eigenart und ihre Verbindung zum Mutterland Deutschland durch den rumänischen Staat bei gleichzeitiger Loyalität der Rumäniendeutschen gegenüber dem rumänischen Vaterland – ihr Deutschtum bewahren und pflegen. Da das im kommunistischen Rumänien nicht mehr gegeben war, suchten die Deutschen Rumäniens den Erhalt ihrer nationalen Existenz in der Aussiedlung in ihr Mutterland Deutschland.

Michael Kroner

Schlagwörter: Weltkrieg, Geschichte, Siebenbürgen

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