31. Mai 2015

Etymologischer Spaziergang (12): „Et äs dich net leicht, et äs halt net leicht“

Die noch unsere Mundart sprechen, werden immer weniger. Es gehen nicht nur Wörter und Ausdrücke verloren, auch manche Redewendungen werden nicht mehr verstanden. Die im „Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch“ bewahrten Sprachzitate machen den Verlust deutlich. Wer versteht heute, was ein Bauer auf die Frage nach seinem Befinden dem Kaiser Joseph II. antwortete? „Es geht dich, Herr Kaiser.“
Ist das zitierte Wort dich nichts als ein Füllwort? Oder hat es einen uns nicht mehr bewussten Sinn? Und wo ist seine etymologische Wurzel? Im „Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch“ steht zu seiner Funktion, dass es im Zusammenhang der Rede zur Abschwächung einer Behauptung, zur Mäßigung einer Zustimmung, zur Andeutung von Zweifeln und Bedenken dient, auch entschuldigend, erklärend angefügt wird, wie im Schriftdeutschen „eben“, „wohl“, „nämlich“. Das passt zur ursprünglichen Form „dink ich“, zusammengezogen zu dich, vereinzelt erhalten als dingkich.

Diese Erklärung findet eine Bestätigung und Analogie im gleichzusetzenden Wort halt (freilich, eben, wohl, ja) mit gleicher Funktion wie dich. Im Grimmschen Wörterbuch werden mehrere Erklärungen für „halt“ angeboten, es zitiert dabei Lexer, der es als die natürlichste Annahme bezeichnet, „halt“ als ein verkürztes „halte ich“, anzusehen im Sinne von „dafürhalten“, „meinen“, „glaub ich“. Dazu passt schlesisch hallich, thüringisch hach und hâlich in Birthälm.

Im dich und im halt erkennen wir eine Bereitschaft des Sprechenden, seine Meinung zu relativieren, sie in Frage zu stellen, und das hat eine Fülle von Entsprechungen: im Deutschen „nicht“, „nicht wahr“, im Schwäbischen „oder et?“ (oder trifft das etwa nicht zu?), Schwitzerdütsch „oddr?“ im gleichen Sinn, im Spanischen „verdad?“ (ist es wahr?), Italienischen „É vero?“, Rumänischen „nu-i așa?“ (ist es nicht so?) oder im Englischen „isn’t it?“

Das Ergebnis meiner Untersuchungen zu den so genannten Füllwörtern geht allerdings über Erklärung und Etymologie hinaus. Ich habe nämlich dabei auch Einblick gewonnen in eine völkerübergreifende Gesprächs- und Diskussionskultur. Eine Feststellung, eine Meinung oder die Beurteilung eines Sachverhalts wird im höflichen Umgang mit dem Gesprächspartner nicht apodiktisch und als indiskutabel hingestellt, sondern als persönliche Meinung relativiert, die eine abweichende Meinung zulässt oder der Zustimmung und Bestätigung bedarf.

Dr. Roland Phleps

Schlagwörter: Mundart, Etymologie

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