22. Juni 2015

Evakuierung 1944-1945: Unmittelbar nach Kriegsende in Bistritz

Die Lage der in Nordsiebenbürgen nach Evakuierung und Deportation verbliebenen und der früh ins Nösnerland zurückgekehrten Deutschen war im Frühjahr 1945 besorgniserregend. Internierungslager, Entrechtung, Enteignung – eine ungewisse Zukunft erwarteten dort die Rückkehrer. Sie waren jedwelcher Art von Übergriffen schutzlos preisgegeben. Durch das Bodenreform-Dekretgesetz Nr. 187 vom 23. März 1945 enteignet, oft kurzerhand aus ihren Häusern gedrängt, politisch rechtlos, waren sie dem Willen der neuen Machthaber unterworfen. Auszüge aus Dokumenten dieser Zeit aus dem Staatsarchiv Bistritz verdeutlichen prägnant die neuen Gegebenheiten.
„Polizeinspektorat Klausenburg – Nr. 3095 vom 30. Mai 1945 – An die Polizeileitung in Bistritz – In Übereinstimmung mit dem Befehl der Generaldirektion der Polizei Nr. 7499/26. Mai 1945 werden Sie angewiesen, Maßnahmen zu treffen, damit alle Deutschen mit rumänischer Staatsbürgerschaft, die mit den deutschen Truppen geflüchtet sind und nun in ihre Heimatorte zurückkehren zu verhaften und in Lager zu internieren. – Unterpolizeiinspektor (gez.) Keltev Alexandru.“ Quelle: Staatsarchiv Bistritz, Präfektur, Ordner Nr. 181/1945, Blatt 12

In einem Brief von Dr. Rudolf Schüller, Kurator der evangelischen Kirchengemeinde in Bistritz, an den Chef der städtischen Polizei Bistritz, beinhaltend Vorschläge zur Lösung der Lage der zurückgekehrten und im städtischen Lager befindlichen Sachsen (1. Juli 1945), heißt es: „Herr Polizeichef, auf Ihre Anregung hin, Ihnen einen Vorschlag in Bezug auf die Lage der Geflüchteten zu machen, habe ich die Ehre, Ihnen folgende Vorschläge zuzuleiten: 1. Nach meiner Meinung sind diese keine Gefahr für den Staat. Sie sind lediglich ihren früheren Führern irrtümlicherweise gefolgt. Sie sind nicht mit den ungarisch-deutschen Armeen geflohen, sondern vor deren Rückzug, aus Angst vor der sowjetischen Armee, nachdem deutsche Offiziere eine entsprechende Psychose entfacht und behauptet hatten, dass in Russland der Hass gegenüber den Deutschen so groß sei, dass alle, die hier bleiben würden, von der russischen Armee massakriert würden. 2. Somit gäbe es aus der Sicht der Staatssicherheit keinerlei Grund, diese Menschen nicht frei zu lassen. 3. Die Schwierigkeiten der Befreiung aus den ‚Lagern‘ sind durch die Agrarreform hervorgerufen worden.

Aufgrund des Befehls der sowjetischen Armee sind diese Menschen überall dort, wo sie sich auf von der sowjetischen Armee befreitem Territorium befinden, angehalten, sich zu ihren Heimatorten zu begeben und nun finden sie hier ihre Wohnungen und ihren Besitz besetzt von anderen Bewohnern. … Wenn alle Evakuierten zurückkämen – und es sind ja mehr als 30000 – würde die Einrichtung eines ‚Lagers‘ für eine so große Anzahl von Menschen unmöglich sein. Bistritz, 1. Juli 1945, (gez.) Dr. Rudolf Schüller.“

Textauswahl: Horst Göbbel

Schlagwörter: Evakuierung, Bistritz

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