25. Oktober 2015

Zwischen Realität und Fiktion: Ursula Ackrill las im HDO

Die 1974 in Kronstadt geborene Autorin Ursula Ackrill war am 15. Oktober zu einer Lesung ins Haus des Deutschen Ostens in München gekommen und gestaltete den dritten Leseabend im „Literarischen Herbst“, der schon mit einer siebenbürgischen Autorin (Iris Wolff) begonnen hatte. Mit ihrem Debütroman „Zeiden, im Januar“, der Anfang des Jahres erschien, war Ackrill im März für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik nominiert; ein beachtenswerter Erfolg mit einem sehr speziellen Roman, der ihr Lob und Anerkennung in fast allen bedeutsamen deutschsprachigen Feuilletons einbrachte.
Wieder hatten das HDO, das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland gemeinsam eingeladen. Begrüßt wurden die rund 40 Zuhörer – unter ihnen IKGS-Direktor Dr. Florian Kührer-Wielach und der Bundeskulturreferent des siebenbürgischen Verbandes, Hans-Werner Schuster – von der stellvertretenden HDO-Direktorin Brigitte Steinert. Die Moderation übernahm der Literaturwissenschaftler Christian Frühm von der LMU, der in das Buch einführte sowie Thematik und Figurenensemble kurz skizzierte. Das Außergewöhnlichste am Roman „Zeiden, im Januar“ sei die Vermittlung der Geschehnisse, stellte er gleich zu Beginn fest. Es entwickelte sich – unterbrochen nur von zwei längeren Auszügen aus dem Buch – ein Gespräch mit der Autorin über „das Faktuelle und das Gesponnene“, die Geschichte, die Ursula Ackrill um eine historische Begebenheit, den Nationalsozialismus und seine Auswirkungen auf die deutschstämmigen Siebenbürger Sachsen in Siebenbürgen, gesponnen hat.

Um die Wiedergewinnung von verlorenem Vokabular ...
Um die Wiedergewinnung von verlorenem Vokabular bemüht: Ursula Ackrill bei ihrer Lesung in München. Foto: Konrad Klein
Sie habe als Kind viel Zeit mit ihren Großeltern verbracht und die Selbstdarstellung der Siebenbürger Sachsen als Opfer der Deportation (und de facto ihrer deutschen Abstammung) mitbekommen. Mit ihrem Buch wolle sie eine Öffnung hin zu und Beschäftigung mit dem Mitläufertum während der NS-Zeit bewirken, die, so Ackrill, erst zum Opferdasein und dem damit verbundenen Leiden berechtige. Die Welt solle Anteil an diesem Schicksal nehmen. Der von vielen siebenbürgischen Landsleuten als provozierend, gar beleidigend oder falsch empfundene Duktus und Inhalt des Romans ist also Absicht – das wurde an diesem Abend im HDO ebenso deutlich wie der daraus entstehende Konflikt zwischen Realität und Fiktion, der sich nach der Lesung auch in einigen Zuschauermeldungen Bahn brach. Eine ausführliche Diskussion war wegen der vorangeschrittenen Zeit leider nicht mehr möglich, was die Autorin bedauerte. Ihr „Offener Brief“ (heute in der SbZ Online) ist eine Reaktion auf die Lesung in München, aber auch auf viele andere Veranstaltungen, bei denen sie sich nicht nur zahlreichen dankbaren, sondern oft auch kritischen Lesern gegenüber sah.

Die nicht spannungsfreie, aber spannende Veranstaltung, nur leicht getrübt vom kontinuierlich knackenden Funkmikrofon, das Ursula Ackrills ohnehin zarte Stimme arg strapazierte, können die drei Veranstalter als Erfolg verbuchen. Wir freuen uns auf weitere Früchte dieser konstruktiven Zusammenarbeit.

Doris Roth

Schlagwörter: Ackrill, Lesung, München, HDO, IKGS

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