16. April 2016

Nationaltheater „Radu Stanca“ aus Hermannstadt kooperiert mit Staatsschauspiel Stuttgart

Lessings „Nathan“ hat es nie an Aktualität gefehlt – erst recht nicht heute mit den kriegerischen, religiösen, wirtschaftlichen und politischen Konflikten im Nahen Osten und ihrer globalen Ausstrahlung. So gibt es nun auf den Bühnen eine Nathan-Renaissance. Armin Petras, der Intendant des Stuttgarter Staatsschauspiels, geht aber in seiner Inszenierung über eine „werkgetreue“ Interpretation ebenso hinweg wie über eine plumpe Aktualisierung. Zwar ist die Gegenwart im Bühnenbild des laufend bombardierten und beschossenen Hotels, in das er die Handlung verlegt, akustisch und optisch präsent, aber Petras sucht jenseits dieser äußerlichen Assoziationen nach den Konflikten in den von Fundamentalismus geprägten Köpfen der Protagonisten. Diese Absicht lässt sich mit einem multiethnischen Ensemble, das aus unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Spielkulturen kommt, überzeugender darstellen als mit einem (sprachlich) homogenen Ensemble, ist Petras überzeugt und hat im Hermannstädter Nationaltheater und deren Intendanten Constantin Chiriac die richtigen Partner gefunden.
Das internationale Theaterfestival in Hermannstadt ist ja in seinem Anspruch weltumspannend, ohne nivellierende Absicht einer hybriden Verschmelzung: Einheit in der Vielfalt. Es ist dem Regieteam hoch anzurechnen, dass es nicht der Verlockung erlag, den Personen jeweils eine Sprache zuzuordnen, sondern jede im Laufe der Aufführung deutsch, rumänisch und englisch sprechen zu lassen. Die Vielsprachigkeit liegt in den Personen – was an das alte Siebenbürgen erinnert, wo lokale Dreisprachigkeit, ergänzt mit den „modernen“ Fremdsprachen (Französisch, Englisch), nicht ungewöhnlich war. Heute brauchen wir dazu die Technik der Beamer-Übertitelung.

Petras Konzept wird von einer gewissen Kultur- und Zivilisations-Skepsis getragen: Die Ringparabel wird nüchtern, ohne Pathos gesprochen. Ihr Sinn bleibt für die Zuhörer auf der Bühne nicht (mehr) rezipierbar. Die „völkerverbindende“ Aussage liegt nun weniger im gesprochenen Text als im überzeugenden Zusammenspiel der beiden Ensembles. Die unterschiedlichen Identitäten sind so nicht Konfliktquellen, sondern Ausdruck eines emotionalen und geistigen Reichtums.
Im Bild, von rechts nach links: Staatssekretär ...
Im Bild, von rechts nach links: Staatssekretär Jürgen Walter, Honorarkonsul Prof. Dr. Manfred Schmitz, Intendant Armin Petras, Intendant Constantin Chiriac, Botschafter Emil Hurezeanu und Martin Rill, Büroleiter des Honorarkonsulats.
Und so passte gerade diese Inszenierung mit ihrem Konzept und einem gemischten Ensemble mit Darstellerinnen und Darstellern aus Stuttgart und Hermannstadt zum Theaterfestival und erlebte ihre „rumänische“ Premiere in Hermannstadt am 5. Juni 2015. Am 17. März 2016 folgte die „deutsche“ Premiere in Stuttgart. Der anfangs etwas verhaltene Schlussapplaus steigerte sich schließlich zu stehenden Ovationen.

Nach der Premiere lud der rumänische Honorarkonsul in Stuttgart, Prof. Dr. Manfred Schmitz-Kaiser, die beiden Ensembles und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu einem Empfang – auf der leeren Bühne, den Brettern, die die Welt bedeuten. Armin Petras und Constantin Chiriac würdigten in ihren Ansprachen den toleranten Geist der Zusammenarbeit während der Proben und gaben ihrer Überzeugung Ausdruck, dass diese Kooperation weitergeführt werden müsse. Dem pflichtete der Botschafter von Rumänien in Deutschland, Emil Hurezeanu (übrigens: Hermannstädter), in seiner deutsch gehaltenen Rede vorbehaltlos bei und erwähnte auch die zweite Säule der Zusammenarbeit des Hermannstädter Nationaltheaters mit der regionalen Theaterlandschaft: Die Badische Landesbühne Bruchsal – beim Empfang war auch deren Intendant Carsten Ramm – anwesend unterhält seit Frühjahr 1990 (!) Kontakte zur deutschen Abteilung des Nationaltheaters und war 2015 mit Kafkas „Der Bau“ beim Hermannstädter Festival präsent. Staatssekretär Jürgen Walter betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit der beiden deutschen Bühnen mit Hermannstadt: Ab- und Ausgrenzungen innerhalb und zu Europa sind nur durch menschliche Kontakte zu überwinden, durch gemeinsame Arbeit an einem lohnenswerten Ziel; wie die Kooperations-Inszenierung es belegt – und die guten, vielsprachigen Gespräche beim Empfang.

Franz Csiky

Schlagwörter: Hermannstadt, Theater, Stuttgart

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