27. Dezember 2016

Streiflichter aus der Geschichte der Siebenbürger Sachsen

Zehnte (letzte) Folge: Trotz Hammer und Sichel ein später Sieg demokratischer Traditionen – Hammer und Sichel sind die bekanntesten Symbole des Kommunismus, der sich in Rumänien nach dem 23. August 1944 rasch breit machte und schließlich die gesamte Macht im Staate übernahm. Die beiden Werkzeuge sollten das Bündnis von Arbeiter- und Bauernschaft während der „Diktatur des Proletariats“ symbolisieren, doch könnte man alles auch anders, realitätsnaher sehen: Der Hammer schlug auf alle echten wie vermeintlichen Gegner ein, und die Sichel des Todes raffte Hunderttausende in staatlichem Auftrag dahin.
Diese Realität erlebten die Siebenbürger Sachsen insbesondere in den ersten Nachkriegsjahren: Sie wurden wegen ihrer Herkunft verfolgt, enteignet, deportiert, in Gefängnisse geworfen; ihre Wurzeln, in Jahrhunderten gewachsen, wurden gekappt, das oft beschworene „finis Saxoniae“ schien greifbar nahe. Ein kurzer Blick auf die Zeitgeschichte der letzten siebzig Jahre, der in der letzten Folge dieser „Streiflichter“ geworfen wird, widerlegt diese Perspektive, auch wenn ein abschließendes Urteil verfrüht erscheint, zumal ein Historiker kein Politologe sein kann, der Aktuelles einzuordnen hat, und schon gar nicht ein Zukunftsforscher sein darf, der aus im Wandel befindlichem Wegzeichen weiterer Entwicklungen deuten will.

Zerstreuung, Verfolgung, Deportation

Wenn man bedenkt, dass Ende 1943 etwa 54000 „Volksdeutsche“ aus Rumänien der Waffen-SS angehört haben, überdies etwa 15.000, in der Wehrmacht, in der Organisation Todt oder in Rüstungsbetrieben dienten und durch Führererlass vom 19. Mai 1943 reichsdeutsche Staatsbürger geworden sind, nach dem Frontwechsel Rumäniens und wegen der stufenweisen kommunistischen Machtübernahme aber meist nicht mehr nach Hause zurückkehren konnten, dann erkennt man eine erste Ursache für die Zerstreuung der Siebenbürger Sachsen nach dem Zweiten Weltkrieg – die nationalsozialistische Diktatur.

Ein zweiter Anlass war die Flucht von rund 48.000 Nordsiebenbürger Sachsen im September 1944 vor den nahenden Sowjettruppen. Etwa ein Viertel der Evakuierten, die 1945 in Niederösterreich von den vorrückenden Sowjets überrollt wurden, führte man nach Siebenbürgen zurück. Die restlichen ließen sich zunächst in Österreich nieder, viele zogen Anfang der 1950er Jahre in die Bergbaureviere Nordrhein-Westfalens weiter, andere begaben sich in die USA und nach Kanada.

An diesem Wandbild von König Mihai I. in der ...
An diesem Wandbild von König Mihai I. in der Klosterkirche von Sâmbăta de Sus werden aufs Sinnfälligste das Ende und die späte Wiederauferstehung des rumänischen Königstums offenbar. Das Stifterbild wurde zum Abschluss des Wiederaufbaus des Brâncoveanu-Klosters (1926-1946) gemalt und nach der Abdankung des Königs und der Ausrufung der Volksrepublik bereits 1948 wieder übertüncht (1993 freigelegt). Fotos und Bildtexte: Konrad Klein
Der überwiegende Teil der Südsiebenbürger Sachsen verharrte in seinen angestammten Wohnorten. Er folgte damit nicht zuletzt dem Abgeordneten und Landeskirchenkurator Dr. Hans Otto Roth, der seine Landsleute am 31. August 1944 aufrief, ruhig und besonnen zu bleiben: „Wir wollen leben und werden leben. Darum rufe ich Euch auf, Hof und Werkstatt nicht zu verlassen und in ruhiger Kraft dort zu verharren, wohin uns Gottes Wille gestellt hat. [...] Die Treue zum Staat war durch Jahrhunderte unverrückbare Grundlage unseres völkischen Lebens. Sie ist es auch heute. Darum stellen wir uns loyal auf den Boden der neugeschaffenen Ordnung. [...] Seid einsichtig, ruhig und gefasst, seid mutig in der Not und denkt an unsere wundervolle Heimat in den Bergen Siebenbürgens und den gesegneten Ebenen des Banates und vor allem: denkt an das Wohl und an die Zukunft unserer geliebten Kinder!“

Eine dritte Ursache für die Zerstreuung und Entwurzelung vieler Siebenbürger Sachsen ist in der Deportation der arbeitsfähigen Männer und Frauen zur so genannten Wiederaufbauarbeit in die Sowjetunion zu sehen, die im Januar 1945 auf Betreiben der sowjetischen Machthaber durchgeführt wurde. Rund 26.000 der insgesamt 70.000 aus Rumänien deportierten deutschen Frauen und Männer stammten aus Siebenbürgen. Etwa 15 Prozent der Verschleppten kamen um, und von den Entlassenen konnte nur ein Teil in die Heimatorte zurückkehren; die anderen kamen in die Sowjetische Besatzungszone und schlugen sich dann nach Westdeutschland und Österreich durch.

1941 wurden in Rumänien und Ungarn insgesamt etwa 251.000 Siebenbürger Sachsen gezählt, 1948 waren es nur noch 157.105. 25.000 bis 30.000 starben an der Front, in Gefangenschaft oder während der Deportation. 50.000 bis 60.000 Siebenbürger Sachsen lebten seit den 1940er Jahren nicht mehr in der Heimat, sondern in Deutschland, in Österreich, in anderen europäischen Staaten und in Übersee. Deren Schicksal in der Zerstreuung war ein ganz anderes als jenes der in Siebenbürgen verbliebenen. Eine Zweiteilung der sächsischen Geschichte begann.

„Mitwohnende Nationalität“ im kommunistischen Rumänien

Trotz grundlegender demographischer, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Veränderungen bestand in Rumänien auch nach 1945 eine deutsche Minderheit fort, da sie aus diesem Land, anders als etwa aus Polen, aus der Tschechoslowakei und aus Ungarn, nicht vertrieben wurde.

Doch erfolgte in den Jahren 1945-1947 die stufenweise Machtübernahme durch die von den Sowjets unterstützten Kommunisten, endgültig am 30. Dezember 1947 durch die Vertreibung von König Mihai I. und die Ausrufung der Rumänischen Volksrepublik. Die nationalsozialistische „Volksgruppe“ wurde schon am 8. Oktober 1944 aufgelöst und die Bemühungen unbelasteter siebenbürgisch-sächsischer Politiker um einen Neuanfang blieben erfolglos. Ungeachtet ihrer individuellen Schuld mussten die Deutschen Rumäniens für die Politik Hitlerdeutschlands und der eigenen nationalsozialistischen Führung kollektiv büßen. Zwar wurde noch 1945 allen rumänischen Staatsbürgern volle Gleichberechtigung zugesichert, „ohne Unterschied der Rasse, Nationalität, Sprache und Religion“, doch wurden davon alle ehemaligen Mitglieder der „Volksgruppe“ ausgeschlossen, praktisch also die gesamte deutsche Bevölkerung des Landes.

Es folgte die Vernichtung der wirtschaftlichen Grundlagen: Die am 23. März 1945 beschlossene Agrarreform sah die entschädigungslose und vollständige Enteignung aller „deutschen Staatsangehörigen sowie der rumänischen Staatsangehörigen, physischen und juristischen Personen, deutscher Nationalität [vor ...], die mit ­Hitler-Deutschland zusammengearbeitet haben“. Da laut Volksgruppendekret von 1940 praktisch alle Deutschen Rumäniens als Mitglieder dieser NS-Organisation betrachtet wurden, traf das Gesetz alle Landwirte unter ihnen: 55000 bis 60000 sächsische Bauern verloren nicht nur ihren Grund und Boden, sondern auch ihre landwirtschaftlichen Geräte und ihre Wohnungen. 1949 folgte nach sowjetischem Vorbild die erzwungene Vergenossenschaftung der Landwirtschaft, die Gründung der so genannten Kollektivwirtschaften (später „Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften“). Ebenso schwer wurden die siebenbürgisch-sächsischen Gewerbe-, Banken- und Industriebetriebe durch die nach sowjetischem Vorbild am 11. Juni 1948 beschlossene Verstaatlichung getroffen. Sie bezog sich zwar auf alle Betriebe und Banken des Landes, traf aber die Minderheiten ganz besonders.
Vom 26. bis 30. Oktober 1981 hielt sich ...
Vom 26. bis 30. Oktober 1981 hielt sich Bundespräsident Karl Carstens mit seiner Frau zu einem Staatsbesuch in Rumänien auf – seinem ersten in einem kommunistisch regierten Land. Im Bild: Begrüßung des Bundespräsidenten am 29. Oktober in Großpold durch ein Landlermädchen und rumänische Einwohner in ihren traditionellen Trachten. Wegen eines Eklats in Craiova wurde der Staatsbesuch beinahe vorzeitig abgebrochen. Foto: Bundesbildstelle Bonn Nr. 61727/23 (Bildarchiv Konrad Klein)
Diese tiefgreifenden Veränderungen wirkten sich auch auf die Sozialstruktur der deutschen Bevölkerung aus. Waren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges bis zu 75 Prozent der Deutschen in Rumänien landwirtschaftlich tätig, so waren es zehn Jahre später nur noch etwa 22 Prozent; über 57 Prozent waren nun Industriearbeiter.

Ab 1948 wurden die diskriminierenden politischen Maßnahmen gegen die Deutschen allmählich gelockert, um sie in den kommunistischen Um- und Aufbau Rumäniens einzubeziehen. 1949 wurde das „Deutsche Antifaschistische Komitee in Rumänien“ gegründet, auch eine deutschsprachige Zeitung, Neuer Weg, wurde herausgegeben. Nun wurden sie auch im Nationalitätenstatut und in der Verfassung berücksichtigt, durften 1950 sogar an den Wahlen teilnehmen, unter den Bedingungen der Diktatur ein zweifelhaftes Zugeständnis. Die neue Verfassung von 1952 garantierte den „nationalen Minderheiten“ Gleichberechtigung und erlaubte auch eine eigene kulturelle Entfaltung. In Hermannstadt wurde schon 1950 eine „Deutsche Sektion des Bukarester Rumänischen Staatstheaters“ (später des Hermannstädter Theaters) gegründet; die Monatsschrift Neue Literatur (1950 erstmals unter dem Titel Banater Schrifttum erschienen) bot deutschsprachigen Autoren ein Forum. Ab 1959 wurde die wissenschaftliche Zeitschrift Forschungen zur Volks- und Landeskunde herausgegeben. 1956 wurden auch die enteigneten Häuser und dazugehörigen Gärten rückerstattet, eine wesentliche Erleichterung der wirtschaftlichen und alltäglichen Situation, die sich auf die Moral der ländlichen Bevölkerung positiv auswirkte.

Die evangelische Kirche der Siebenbürger Sachsen überstand ihre kurzfristige nationalsozialistische Orientierung relativ unbeschadet, was insbesondere dem neuen Bischof Friedrich Müller (-Langenthal) zu verdanken war, der sich klar gegen die Volksgruppenführung positioniert hatte und gute Beziehungen zu rumänischen Politikern wie Petru Groza und Emil Bodnăraș unterhielt. Zunächst konnte er sogar den deutschen Schulunterricht fortführen, bis dieser 1948 der Kirche entzogen und verstaatlicht wurde. Immerhin bestanden Einheiten mit deutscher Unterrichtssprache weiter und vermittelten, zwar unter kommunistischen und zunehmend nationalkommunistischen Vorzeichen, Kenntnisse deutscher Sprache und Kultur, anders als in den meisten sonstigen sozialistischen „Bruderländern“.

Der kommunistische Terror wurde aber nur selten gelockert, immer wieder folgten Phasen der einschüchternden Repression. Zahlreiche Politiker und Intellektuelle wurden in Gefängnisse geworfen, mussten am Donau-Schwarzmeer-Kanal bis zur völligen Erschöpfung schuften, viele, unter ihnen auch Hans Otto Roth, starben hinter Gittern. Die Absicht, das Volk seiner früheren Elite zu berauben, ist nicht zu verkennen, betraf aber alle Menschen in Rumänien, nicht nur die Siebenbürger Sachsen. Nach der gescheiterten ungarischen Revolution von 1956 allerdings folgten vorbeugende repressive Maßnahmen gegen sächsische Intellektuelle, etwa der „Schriftstellerprozess“, der zur Verurteilung von Andreas Birkner, Wolf von Aichelburg, Georg Scherg, Hans Bergel und Harald Siegmund zu langjährigen Haftstrafen führte, der „Schwarze-Kirche-Prozess“, dessen prominentestes Opfer Stadtpfarrer Konrad Möckel war, und mehrere weitere Schauprozesse.

Eine erneute Phase der Lockerung setzte 1965 unter Nicolae Ceaușescu ein, der als Generalsekretär der herrschenden Partei nicht nur in der Außen-, sondern auch in der Innenpolitik neue Akzente setzte. Die von ihm verordnete Verfassung von 1965 schrieb zumindest auf dem Papier weitgehende Rechte der „mitwohnenden Nationalitäten“ fest, bis hin zur Verwendung ihrer Sprache bei Amtshandlungen. Der 1968 geschaffene „Rat der Werktätigen deutscher Nationalität“ sollte sogar eine eigene Interessenvertretung simulieren. Zwei Wochenzeitungen, die Karpatenrundschau und die Hermannstädter Zeitung, ein Verlag der Minderheiten, Kriterion, vier selbständige deutsche Gymnasien (Lyzeen) und verschiedene andere Maßnahmen, etwa die Wiederbelebung des Agnethler Urzellaufes, von Kronenfesten, Kathreinenbällen u.a., sollten – vor allem den westlichen Demokratien – eine vorbildliche Nationalitätenpolitik vortäuschen, aber auch dem immer stärkeren Sog der Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland entgegenwirken. Letztlich aber sollten alle innen- und außenpolitischen Maßnahmen einem einzigen Ziel dienen, der Festigung und Ausweitung der Macht des kommunistischen Diktators. Als dieses erreicht worden war, sprach man plötzlich davon, dass sich die Nationalitäten des Landes „im Verlaufe des Prozesses der Schaffung der vielseitig entwickelten sozialistischen Gesellschaft und des Kommunismus immer mehr in das einheitliche, werktätige Volk der kommunistischen Gesellschaft integrieren“ müssten. Das Gesetz zum Schutz des nationalen Kulturgutes (1974) ist nur ein Beispiel dafür, dass sich der kommunistische Staat anmaßte, jeden Besitz im Land für sich zu beanspruchen, auch das kulturelle Erbe der Minderheiten. Auch das Schulwesen, zu dem 1974/1975 in Rumänien noch 723 Einrichtungen mit deutscher Unterrichtssprache gehörten, wurde eingeschränkt, von der straffen ideologischen Ausrichtung mal ganz abgesehen. Ab dem Schuljahr 1985/1986 gab es keine selbstständigen deutschen Schulen mehr, wohl aber entsprechende Abteilungen. Doch darf die herausragende Rolle der deutschsprachigen Lehrerinnen und Lehrer nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die meisten haben es verstanden, erzieherische Traditionen zu beleben und weiterzuführen, eine sehr gute Ausbildung zu garantieren und nicht dem staatlichen Ziel zu dienen, einen „neuen, sozialistischen Menschen“ zu schaffen und die „Homogenisierung der Bevölkerung“ voranzubringen.

Im Zuge der so genannten kleinen Kulturrevolution Ceaușescus (ab 1971) wurden deutschsprachige Intellektuelle systematisch bespitzelt (was übrigens schon seit 1947 gängige, zuweilen gelockerte Praxis war), literarische Zirkel gegängelt oder geschlossen, der „Rat der Werktätigen deutscher Nationalität“ programmatisch zum „Rat der rumänischen Werktätigen deutscher Nationalität“ umgetauft. Die geplante „Systematisierung“ der Dörfer zielte nicht unmittelbar auf jene der Minderheiten ab, sollte aber den willkommenen Nebeneffekt haben, gewachsene Strukturen und Traditionen, somit Identitäten zu zerstören.

Die Enttäuschung nach der kurzen liberalen Phase in der rumänischen Politik gegenüber den Minderheiten, die sich rapide verschlechternden Lebensbedingungen und die Assimilationspolitik verstärkten den Wunsch und die Bemühungen der Siebenbürger Sachsen, aus Rumänien auszusiedeln. Gefördert wurde diese Bestrebungen durch das Einwirken der Bundesrepublik zugunsten der „Familienzusammenführung“, die letztlich zum „Kauf von Freiheit“ (so das Motto des deutschen Chefunterhändlers, des Rechtsanwalts und Bundestagsabgeordneten Dr. Heinz Günther Hüsch) führte, von dem Zehntausende Siebenbürger Sachsen profitierten. Die Maßnahmen zur Förderung der Aussiedlung waren nicht unumstritten, „Bleiben oder Gehen“ wurde zur Schicksalsfrage der Siebenbürger Sachsen.

Nach dem Sturz der Diktatur in den blutigen Dezembertagen 1989 entschied sich ein großer Teil der Siebenbürger Sachsen für die Aussiedlung. Zu stark war das Misstrauen gegenüber dem Staat, der sie jahrzehntelang geknechtet, viele von ihnen aus Profitgier und vermeintlicher außenpolitischer Vorteile wegen verkauft hatte. Zu gering war die Hoffnung auf den danach tatsächlich eingetretenen Wandel. Ganze Dörfer entleerten sich, ganze Straßenzüge in den Städten ebenso.
Ehe die Sachsen titeln konnten „Wir sind ...
Ehe die Sachsen titeln konnten „Wir sind Präsident“, war Klaus Johannis 14 Jahre lang (2000-2014) Bürgermeister – der erfolgreichste in Rumänien, wie sich ausnahmsweise mal alle einig waren. Das Foto entstand einige Tage nach Johannis’ Wiederwahl vom 6. Juni 2004 zum Bürgermeister von Hermannstadt und zeigt ihn vor einer Tischuhr aus dem Geschäft seines Urgroßvaters („Adolf Hemper, Hermannstadt“), seinerzeit des meistgeschätzten Uhrmachers in der Stadt.
Die Verbliebenen fanden zur Demokratie zurück, programmatisch im Namen des noch im Dezember 1989 gegründeten „Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien“ verdeutlicht. Dessen Erfolge, das Wirken der an Seelenzahl stark geschrumpften, aber weiterhin sehr aktiven Evangelischen Kirche, die wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen vor Ort wurden von vielen nicht erwartet, nicht erhofft. Vieles wurde in Siebenbürgen anders, manches besser, einiges ging verloren, so auch wertvolle Kunst- und Baudenkmäler, aber vieles erstrahlt auch in einem nie dagewesenen Glanz – etwa Hermannstadt, die Europäische Kulturhauptstadt 2007, oder Birthälm, das UNESCO-Weltkulturerbe, der frühere Bischofssitz der Siebenbürger Sachsen.

Integration in der alten, nun „neuen Heimat“

Anders als die Geschichte der in Rumänien Verbliebenen – sie bildeten bis in die 1970er Jahre die überwiegende Mehrheit – verlief jene der Siebenbürger Sachsen, die aufgrund der Kriegsereignisse, der NS-Verstrickungen und deren Folgen im Ausland lebten. Sie bildeten keine geschlossene Gruppe, sondern wurden über die Aufnahmegebiete verstreut, geradezu vom Winde verweht. Überall, ob in Deutschland, in Österreich, in den USA oder in Kanada, entstanden neue gemeinschaftliche Strukturen, die bewusst oder unbewusst an die Traditionen der Vorkriegszeit in Siebenbürgen anknüpften: die Landsmannschaften, heute Verbände genannt, in Deutschland (1949), Österreich (1956) und Kanada (1963), die Association of Transylvanian Saxons in den USA (1969) als politische Vertretungen, kirchlich-karitative Vereine wie das Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben (heute: Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen im Diakonischen Werk der EKD, 1946), wissenschaftliche Verbände wie der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (1961) oder der Verein Siebenbürgisches Museum Gundelsheim (1973), Heimatortsgemeinschaften, die sich zu einem eigenen Verband zusammengeschlossen haben. Über sie und viele andere Verbände und Stiftungen wird in der Siebenbürgischen Zeitung und in zahlreichen anderen Publikationen laufend berichtet. Ihre jeweilige Geschichte hier nochmal zu schildern, würde den Rahmen dieser „Streiflichter“ sprengen und wäre auch eher aktualitäts- denn geschichtsbezogen. Doch dienen sie alle der gegenseitigen Hilfe, der Identitätswahrung und der Pflege des in Jahrhunderten angehäuften kulturellen Erbes, letztlich aber der Integration in die Gesellschaften, in die sich die Siebenbürger Sachsen eingefunden und eingelebt haben, bei Wahrung des eigenen Selbstbewusstseins. In den Kirchengemeinden fanden die Siebenbürger Sachsen ebenso Halt und geistliche Betreuung wie in den neuen Wohnungen, gar Wohnorten wie Elixheim in Österreich, Herten-Langenbochum, Oberhausen-Osterfeld, Setterich-Baesweiler und besonders Drabenderhöhe eine dauerhafte Bleibe und eine neue Zukunft.

Die Übernahme der Patenschaft für die Siebenbürger Sachsen durch das Land Nordrhein-Westfalen (1957), die Förderungen durch Bund und Länder (besonders Bayern und Baden-Württemberg), die zahlreichen Besuche deutscher, aber auch rumänischer und anderer Politiker bei den Veranstaltungen der Siebenbürger Sachsen, etwa bei dem seit 1951 jährlich stattfindenden Heimattag in Dinkelsbühl, zeugen davon, dass die Siebenbürger Sachsen angekommen sind, angenommen wurden und, wiederum eine alte Tradition fortführend, in Treue zu ihrer Herkunft und zum Staat, in dem sie leben, sich aktiv am Aufbau ihrer Heimaten beteiligen.

In diesem Sinn erklärten die Bundesvorsitzenden der vier siebenbürgisch-sächsischen Landsmannschaften (Verbände) in Deutschland, Österreich, den USA und Kanada im Jahre 1972: „Wir bekennen uns zum Grundsatz der Erhaltung siebenbürgisch-sächsischer Eigenart und Tradition. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, uns für die Pflege des Gemeinschaftsbewusstseins einzusetzen, und betrachten die von uns vertretenen siebenbürgisch-sächsischen Gruppen über Grenzen hinweg als eine durch Abstammung, Sprache und Schicksal geprägte Einheit. Wir setzen es uns zum Ziele, als loyale Bürger der Länder, in denen wir leben, dem Interesse unserer Landsleute und auf der Grundlage der Menschenrechte der Verständigung von Volk zu Volk zu dienen.“ Die Erklärung kann als Grundlage der 1983 gebildeten weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen angesehen werden, der 1993 auch das Siebenbürgenforum beigetreten ist.
Grenzüberschreitende Beziehungspflege beim ...
Grenzüberschreitende Beziehungspflege beim diesjährigen Rathausempfang auf dem Heimattag in Dinkelsbühl: Vorne Philosoph Andrei Pleșu, in 2. Reihe von links Ministerpräsident Dacian Cioloș im Gespräch mit Dr. Christoph Machat, rechts Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des DFDR, mit Emil Hurezeanu, Botschafter Rumäniens in Berlin. Hinten links Ovidiu Ganț, Mitglied des rumänischen Parlaments, rechts Bundesvorsitzende Herta Daniel und Dr. Bernd Fabritius, MdB, BdV-Präsident und Verbandspräsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Als Ganț von Dr. Fabritius mit seinen Verdiensten und der launigen Ergänzung vorgestellt wurde, dass er Banater Schwabe sei, war dieser um die bestmögliche Antwort unter so vielen Sachsen nicht verlegen: „Niemand ist vollkommen.“ Foto: Konrad Klein
Heute erleben die Siebenbürger Sachsen beispiellose Erfolge: Einer aus ihren Reihen, Klaus Johannis, ist nach demokratischer Wahl durch die Mehrheitsbevölkerung 2014 Präsident von Rumänien geworden, nicht zuletzt in Anerkennung jener Traditionen und Tugenden, die er verkörpert, nämlich in Jahrhunderten geübte Zuverlässigkeit, Korrektheit, Demokratieverständnis und Staatstreue. Ein anderer, den gleichen Traditionen und Tugenden verbunden, ist das aktive Mitglied des Deutschen Bundestags, der Präsident des Bundes der Vertriebenen und Verbandspräsident der Siebenbürger Sachsen, Bernd Fabritius.

Historiker sollten sich nicht als Zukunftsprognostiker versuchen. Mit Blick auf Vergangenheit und Gegenwart kann man aber zumindest eines sagen: Das so oft prognostizierte „finis Saxoniae“ ist nicht eingetreten, die siebenbürgisch-sächsische Eigenart und Tradition bleibt, in gewandelter und sich stetig wandelnder Form, erhalten. Wie lange noch? Das kann man nach den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts, von zwei Weltkriegen und zwei Diktaturen, nicht sagen. Aber dass die Demokratie gerade angesichts der speziellen Erfahrungen der Siebenbürger Sachsen stets eine Chance hat, ist nicht zu bestreiten.

Dr. Konrad Gündisch

Schlagwörter: Geschichte, Streiflichter

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