26. November 2018

Siebenbürger Sachsen renovieren Ruine der Liebfrauenkirche Wüstenhausen

Über den Tag des offenen Denkmals, dem 9. September, wurde in der „Heilbronner Stimme“ geschrieben und über die Kirchenruine in Wüstenhausen berichtet. Zeitgleich lernten wir Familie Wegendt, die Besitzer der Ruine, in Stuttgart im Haus der Heimat kennen. Unser Interesse war geweckt. Grund genug, Familie Wegendt auf ihrem Anwesen zu besuchen.
Elfriede und Stefan Wegendt stammen aus Siebenbürgen und leben seit 1990 in Deutschland, in Wüstenhausen bei Ilsfeld. Ihr Haus, ihr Blumen- und Obstgarten sind mustergültig gepflegt. Das Nachbargrundstück mit den Resten der uralten Kirche hatten sie ständig vor Augen. 2003 bot sich ihnen die Gelegenheit, das Grundstück mit Ruine zu ersteigern. Stefan Wegendt steckte sich ein hohes Ziel: die Kapelle zu restaurieren. Wie die Liebfrauenkirche einst ausgesehen hat, darüber gibt es keine sicheren Erkenntnisse. Wüstenhausen wird urkundlich erstmals in einem Kaufvertrag vom 1330 erwähnt, zum zweiten Mal dann in einer Kaufurkunde aus dem Jahre 1400, in der an den Kaplan der „Kapelle zu unserer lieben Frau“ in Wüstenhausen etwas verkauft wird. Wüstenhausen hatte also damals schon eine christliche Kirche, eine Liebfrauenkapelle. Dem frühgotischen Baustil nach wurde diese Kirche im 13. Jahrhundert erbaut, es ist jedoch möglich, dass es vor ihr eine hölzerne oder eine romanische Kapelle gab. Die Höhe des heute noch vorhandenen Chors lässt darauf schließen, dass es sich bei diesem Gotteshaus nicht nur um eine der üblichen kleinen Feldkapellen, sondern um eine ansehnliche Kirche handelte. Die Kirche wurde von einem Kaplan betreut. Kaplan und Pfleger war um 1400 Bruder Johannes Helpfrich, später wird ein Kaplan Laurin erwähnt. In Urkunden aus den Jahren 1453, 1468 und 1479 wird die Liebfrauenkirche wieder erwähnt.
Stefan Wegendt erläutert die ...
Stefan Wegendt erläutert die Renovierungsarbeiten.
Über das weitere Schicksal dieser frühgotischen Kirche ist nichts bekannt, auch nicht, wann und warum der Gottesdienst in ihr aufgegeben wurde. Wahrscheinlich ist die Kirche im Dreißigjährigen Krieg teilweise zerstört und seitdem nicht wieder aufgebaut worden. Im 19. Jahrhundert, nachdem die Kirche in Privatbesitz übergegangen war, wurde ein Tonnengewölbe eingezogen. Im 20. Jahrhundert verschwand das Kreuzrippengewölbe und die äußeren Strebepfeiler wurden abgeschlagen. Es gackerten die Hennen in der Kirchenruine, weil sie viele Jahre als Hühnerstall diente.
Die renovierte Kapelle in Wüstenhausen. Fotos: ...
Die renovierte Kapelle in Wüstenhausen. Fotos: Johannes Kravatzky
Familie Wegendt interessiert sich für Kunst und Geschichte. „Wir haben jahrelang zurückgebaut“, berichtete uns Herr Wegendt, bis die Ruine wie früher aussah. Zugemauerte Fenster wurden geöffnet und Treppen gebaut, das Mauerwerk wurde sandgestrahlt und das alte Scheunendach durch ein sechseckiges Dach ersetzt, welches den Grundriss des Chores aufnimmt. Der Keller wurde gerichtet, ein Treppenaufgang zum darüber liegenden Raum erbaut. Das steinerne Kreuzrippengewölbe im Innern des heute noch stehenden Chores ist gut erhalten. Stefan Wegendt hat noch viele Pläne: Der Boden im oberen Raum soll kein Provisorium bleiben, sondern geschlossen, die Decke eingezogen werden. Sein größter Wunsch ist es, auch den Turm zu bauen. Sein Ziel bleibt es, das noch Erhaltene zu bewahren, wobei das Neugemachte erkennbar sein soll. Familie Wegendt hat selbst Hand angelegt, in Eigenregie renoviert und die Arbeiten aus privaten Geldmitteln bestritten. Im Lutherjahr 2017 wurde am 9. Juli die Liebfrauenkapelle von Pfarrerin Birgit Haufler-Lingoth eingeweiht. In der Kapelle können nun wieder Gottesdienste zelebriert werden. Im Gästebuch steht ein Zitat Richard von Weizsäckers: „Heimat ist da, wo man sich in die Pflicht nehmen lässt.“ Dies ist eine große Anerkennung für Elfriede und Stefan Wegendt und gleichzeitig ein Ansporn das Begonnene zu vollenden.

Die restaurierte Kapelle in Ilsfeld-Wüstenhausen, Landkreis Heilbronn, ist jeden ersten Mittwoch im Monat von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr geöffnet. Im kommenden Jahr ist auch eine Powerpoint-Präsentation geplant. Wir wünschen Familie Wegendt weiterhin viel Erfolg, Anerkennung ihrer Leistungen und der Kapelle viele Besucher.

Gerlinde Schuller

Schlagwörter: Denkmalpflege, Baden-Württemberg, Kirche, Renovierung, Kulturerbe

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