19. Juli 2020

Strapaziöse Schlosseröffnung - Organisation in COVID-19-Zeiten

Was kann denn so schwer sein an der Organisation einer Eröffnung in so kleinem Rahmen? Diese Frage haben mir ganz viele Menschen gestellt. Es ist schwer zu verstehen, dass uns das gesamte Projekt und die kleine Eröffnung unter erschwerten Bedingungen bis an den Rand der Erschöpfung gebracht haben. Hier ein Rückblick auf eine sehr schwierige Zeit.
Wir waren alle stolz im Festteam, als wir die endgültigen Einladungen und Festprogramme für die große Eröffnungsfeier drucken konnten (siehe Eröffnung des Siebenbürgischen Kulturzentrums auf Schloss Horneck). Alles wurde verschickt und dann kam es, das erste riesige Hindernis: der Lockdown. Es folgte das erste Bangen um die Baustelle auf Schloss Horneck. Muss die Baustelle gesperrt werden? Kann es weiterlaufen? Bleiben alle gesund? Erstmal hatten wir großes Glück. Keiner der Handwerker ist erkrankt, einige Zulieferer mussten eine 14-tägige Quarantäne respektieren. Die Baustelle lief gut weiter, obwohl die Handwerker aus Siebenbürgen nicht kommen durften. Die bleierne Schwere des Lockdowns legte sich aber auch auf unsere Helfer. Was sollte mit der Eröffnung geschehen? Das große Fest wurde abgesagt, eine Eröffnung konnte nicht verschoben werden, das Begegnungszentrum sollte ja als Schlosshotel eröffnen dürfen und nicht bis Juli 2021 warten. Auch der symbolische Abschluss der Bauarbeiten war wichtig.

Nun galt es, behördliche Bestimmungen durchzulesen, gehörte doch unsere zu den ersten erlaubten Veranstaltungen. Quadratmeter und Abstände in allen Räumen wurden genau vermessen, Besucherführung mit Abstand durch alle Durchgänge minutiös geplant. Alles Neuland für uns Helfer. Jede Woche wurden Bestimmungen, damit auch unser Festprogramm geändert. Dann traten Lockerungen ein, aber unsere Abstands- und Quadratmeterzahlen vermehrten sich nicht, die Personenanzahl der Teilnehmer konnte nicht erhöht werden. So blieb es bei maximal 50 Personen, zu denen acht Helfer, zwölf Künstler, drei Moderatoren, vier Trachtenträger, vier Medienvertreter, zwei Kameraleute, zwei Architekten und jeder, der die Veranstaltung betreten sollte, mit eingerechnet werden mussten. Erheblicher Personenschutz für Politiker und hochrangige Persönlichkeiten war außerdem zu bedenken. Filmen, Schneiden und Ins-Netz-Stellen danach für alle, das klingt einfach, bedeutet aber viel Arbeit. Zusätzlich zu den erschwerten behördlichen Vorgaben gab es, je näher die Veranstaltung rückte, immer mehr Umbau-Unsicherheiten. Der Lockdown auf der Baustelle begann später mit den Lockerungen. Lieferketten aus dem Ausland waren unterbrochen, Verzögerungen waren normal. Oft musste neu geplant und improvisiert werden, ein riesiger Aufwand für alle Baubeteiligten. Alfred Deptner, Werner Gohn-Kreuz, Michael Konnerth wurden erst wöchentlich zuletzt fast täglich auf der Baustelle gebraucht. Lucian Binder-Catanas Film konnte nicht beendet werden wegen der fehlenden Fotos von fertiggestellten Räumen. Die Medienwand im Besucherzentrum wurde erst in den letzten Wochen gebaut. Erst dann konnte der gesamte fertige Text für die zehn Meter breite Medienwand auf der Wand gesehen werden. Vier Wochen vor dem Fest musste der Text neu konzipiert und geschrieben, wieder angepasst und nach adäquaten Fotos samt Copyright gesucht werden. Und wann passierte all diese unglaublich aufwendige Arbeit? Meistens nachts. Meine Nächte und die der Helfer wurden immer kürzer. Zwei oder drei Uhr nachts ins Bett gehen und ab 7 Uhr früh wieder arbeiten, das war die Normalität auch an den vielen Wochenenden. Ich schrieb Texte über Texte, Dr. Konrad Gündisch, Dr. Hans Kremer und Dr. Evelyn Rusdea korrigierten. Telefonischen Austausch gab es nur nach Mitternacht.

Dr. Axel Froese reiste aus München wöchentlich mindestens zwei Tage an die Baustelle, um zu koordinieren, neues Material zu bestellen, neue Handwerker einzustellen, alle zu motivieren, die Arbeiten zu strukturieren, Finanzen zu kontrollieren und auch noch Bericht an die Zuwendungsgeber zu erstatten; obendrein konnte er seine Firma nicht völlig vernachlässigen - zusammengenommen kaum realisierbare Aufgaben.

Zimmerschilder, Raumschilder, Orientierungsschilder, Wandtafeln insgesamt 130 an der Zahl, sollten fertig korrigiert in Produktion gehen, um noch vor dem 10. Juli fertig zu sein.

Im Schloss wurden riesige Lieferungen abgeladen. Wohin damit? Hausmeister Georg Mick, tagtäglich über die Maße strapaziert, und Verwaltungskraft Martina Handel, die dauernd umziehen musste, gaben ihr Bestes. Unter den Handwerkern, die auf Horneck wohnten, blieb die Stimmung erstaunlich gut. Für Herrn Delic war es wichtig, dass das Schloss schön wird. Er hat die Handläufe der Treppe eigenhändig abgeschmirgelt und die Grabdenkmäler restauriert - in vielen unbezahlten Überstunden.
Neuer Treppenaufgang im Schlosshotel - als ...
Neuer Treppenaufgang im Schlosshotel - als Zusatzprojekt zu dem geplanten Ausbauprojekt. Foto: Jürgen Binder
Wieso haben wir die Zeit nicht besser eingeplant, fragen sicher einige. Erstens kam Corona, zweitens gab es einige Zusatzprojekte, die in dem großen Bauprojekt nicht vorgesehen waren und erst dank Spenden ausgeführt werden konnten. Eines davon ist der gesamte Treppenaufgang, der neu entstanden ist und jetzt die Visitenkarte des Schlosses ist. 63 Stufen wurden jede einzeln mit einer individuell angepassten Unterkonstruktion versehen, die millimetergenau stimmen musste. Die Treppenstufen wurden zwei Wochen vor der Eröffnung von Sütö Eleks Schäßburger Mannschaft in mühsamer Kleinarbeit auf einer von Architekt Schell gefertigten Metallschablone eingebaut.

Zudem nicht im Großprojekt eingeplant war das Besucherzentrum, das in letzter Minute fertig geworden ist, als beeindruckendes informatives Entree des Kulturzentrums. Dank einer Spende von Familie Graeser konnte es in Angriff genommen werden.

Das dritte Hindernis: Alle Zimmer im Schloss haben Böden mit unterschiedlichem Gefälle. Die Möbel mussten individuell in jedem Zimmer an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Nicht in dem Großprojekt enthalten sind die sechs Zusatzzimmer, für die noch ein Bauantrag gestellt und die Baugenehmigung erteilt werden musste - ein Projekt, an dem Familie Pietralla mitbeteiligt ist. Diese Zimmer werden erst im September fertig sein.

Nebenbei mussten die Schwarz-Weiß-Fotografien von Prof. Jürgen van Buer und Rudolf Girst ausgesucht, bestellt und fachgerecht an die Wände gehängt werden. Informationsbroschüren für jedes Zimmer wurden vorbereitet – im ersten Teil mit Informationen über Siebenbürgen, im zweiten über den Ort, dessen Namen das Zimmer trägt, im dritten die Selbstauskunft des Spenders. Einige sind noch in Arbeit.

Das Kinderbuch „Pimpolinos Abenteuer auf Schloss Horneck“ sollte im Schiller-Verlag Hermannstadt/Bonn gedruckt werden (siehe Kinderbuch von Ines Handel: „Pimpolinos Abenteuer auf Schloss Horneck“). Verleger Anselm Roth starb unerwartet, die Herausgabe des Buches wurde von Konrad Gündisch koordiniert. Eine Geschichte von Schloss Horneck in Wort und Bild von Konrad Gündisch wurde im Pustet-Verlag Regensburg publiziert und erst wenige Tage vor der Eröffnung ins Schloss geliefert (Besprechung: Kostbares Geschenk zur Eröffnung: Konrad Gündischs Publikation über Schloss Horneck).

Erst eine Woche vor der Feier war es klar, dass es im zweiten Obergeschoss 15 fertige Übernachtungszimmer geben wird, drei Tage davor wurde der Jugendstilsaal entrümpelt und spontan eine bleibende Film- und Projektionswand eingebaut (eine Idee des Hausmeisters), der Festsaal wurde am Vortag freigegeben. In den Fluren wurden bis zuletzt Teppiche verlegt. Am Tag vor dem Fest wurde gehämmert, gesägt, eine zu frühe Lieferung von 2,5 Tonnen Schotter musste vom Hausmeister eiligst am Vortag weggebracht werden, die Putzkolonnen fegten eifrig durch das Schloss. Die Trennwände der Toiletten neben dem Festsaal, pandemiebedingt mit Verspätung angeliefert, wurden am Vorabend der Feier bis zum frühen Morgen eingebaut.
Medienwand im neuen Besucherzentrum: ...
Medienwand im neuen Besucherzentrum: Zusatzprojekt zu dem geplanten Ausbauprojekt. Foto: Jürgen Binder
Doris Wagner-Prica und Ute Nordmann aus Heltau sind noch rechtzeitig eingesprungen als Hilfe im Team, bestehend aus Evelyn Rusdea, Inge Hermann, Hans Kremer, Herta Daniel, Konrad Gündisch, den drei erwähnten Männern und mir. Neben all den Dingen, die fertig werden mussten, wurden viele, von den Behörden wegen der Pandemie eingeforderten Listen, Platzkarten, Hygieneplakate, Corona-Verpflichtungen, eine gebaute Plexiglaswand für die Flötistin, nachweisbare Pläne mit Abstand der namentlichen eingezeichneten Besucher für jeden Raum, Hygienekonzepte entwickelt, Namen der Gäste in Abständen auf den Boden geklebt, Platzhalter für Internet und soziale Medien, Festprogramme, digitale Programme, Infos auf Facebook, Pressemappen gefertigt. Wie dankbar waren wir für die professionelle Unterstützung von Günther Melzer, Heidrun und Hermann Depner für die digitale Eröffnung zwei Tage danach! Der gesamte Film „Einblicke ins Innere des Schlosses“, mit Dagmar Seck als fragende, informierende Besucherin, wurde erst am Donnerstag vor der Veranstaltung und am Freitag nach der Veranstaltung gedreht und in den nachfolgenden Nächten geschnitten. Hut ab vor der professionellen Leistung von Dagmar Seck!

Ja, diese kleine Veranstaltung und all das, was bis dahin fertig sein sollte, war durch erschwerende Umstände ein Kraftakt und Härtetest für das Helferteam und bis zuletzt unvorhersehbar. Herzlichen Dank an alle Helfer, an alle Beteiligten, die trotz dieser großen Strapazen des Umbaus, Ausbaus und der Pandemie diese Eröffnung so gut gemeistert haben.

Trotz allen Widrigkeiten sogar am Tag der Eröffnung: Sturm, gerissenes Kabel durch Pressefotografen, heftige Tonstörungen durch den Wind, Ohnmacht einer Trachtenträgerin hat uns letztendlich das Schloss doch feierlich einziehen lassen und ein würdevolles Fest vor den Bildschirmen feiern lassen. Bis September werden alle Räume fertiggestellt sein. Eine erste siebenbürgische Hochzeit wird im September gefeiert: Oliver Sill, der 2017 am Betriebskonzept mitgearbeitet hat, heiratet auf Schloss Horneck. Damit schließt sich ein Kreis der Schlosshelfer. Ich wünsche mir und allen Helfern erstmal eine Auszeit und Schlaf. Dem Schloss wünsche ich, dass es möglichst viele Siebenbürger Sachsen mit Leben füllen. Das ist nicht mehr allein die Aufgabe eines kleinen Teams, sondern die Aufgabe der Gemeinschaft im Schloss vor Ort und der großen Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen.

Heidrun Negura

Schlagwörter: Siebenbürgisches Kulturzentrum, Schloss Horneck, Gundelsheim, Eröffnung, Organisation, Corona, Gündisch, Froese, Negura, Daniel, Deptner, Gohn-Kreuz, Konnerth, Seck

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Neueste Kommentare

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  • 19.07.2020, 09:32 Uhr von lakrima: Atemlos las ich den Artikel bis zum Ende... und vor vier Jahren hatte keiner geglaubt, dass... ich ... [weiter]

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