10. Mai 2021

Josef Balazs in der Reihe „Lebendige Worte“ (XII)

Josef Balazs (*1952) ist freischaffender Autor und Moderator. Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik an der Universität Hermannstadt war er im Schuldienst tätig. Seit 1980 in Deutschland, zuerst im Lehrerberuf, wechselte er in die IT-Branche. Josef Balazs ist u.a. Mitherausgeber des Fotobandes „Der befestigte Glaube. Kirchenburgen in Siebenbürgen“ (2018) und Kurator der gleichnamigen Ausstellungen des Fotografen Prof. Dr. Jürgen van Buer. 2020 erschien in den Spiegelungen (IKGS, München) eine Auswahl aus seinem Gedichtzyklus „Eine Hommage an Paul Celan“. Seine Texte, Beiträge und Interviews wurden veröffentlicht in der MATRIX, Siebenbürgischen Zeitung, Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien und im Allgemeinen Deutschen Jahrbuch für Rumänien.
Josef Balazs. Foto: Gertrud Balazs ...
Josef Balazs. Foto: Gertrud Balazs
Zu einer festen Institution im Nürnberger Kulturleben wurden seine Literatur-, Konzert- und Theaterprojekte, die er u.a. als Mitglied des Nürnberger Kulturbeirates zugewanderter Deutscher organisierte und moderierte, darunter die WORTWECHSEL mit Dr. Bernd Fabritius, Dr. Ute Gabanyi und Dr. Konrad Gündisch und Lesungen mit Iris Wolff, Hans Bergel, Horst Samson, Dagmar Dusil, Frieder Schuller. 2020 war Josef Balazs Gast der XXX. Deutschen Literaturtage in Reschitza. Als Fotograf begleitete Balazs über zwei Jahrzehnte den Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl und prägte seine Fotogeschichte entscheidend mit.

Drei Fragen an Josef Balazs

Unsere Leser kennen Sie bereits als einen Autor, der zu historischen Themen schreibt. Welchen Zugang zur Geschichte wählen Sie?

Der Weg zur Historie beginnt immer mit einer Frage. Dann folgt die Suche nach Antworten in der bisherigen Forschung und den Quellen. Das sind die Antworten der Anderen. Sehr oft sind diese Antworten seit vielen Jahrzehnten nicht mehr auf ihre Haltbarkeit überprüft worden. Einmal behaupteter Unsinn wird ins Unendliche wiederholt. Das reizt mich dann und fordert heraus, Ironie und Sarkasmus in der Deutung der Geschichte anzuwenden. So geschehen bei meinen „Alternativen kleinteuflischen Miszellen“ über Samuel von Brukenthal. Es sind erfundene Anekdoten, die erzählen, was sich so nie zugetragen hat.

Wie kam es dazu, dass Sie Lyrik zu schreiben begonnen haben, und welche neuen Ausdrucksmöglichkeiten wurden Ihnen dadurch erschlossen?

Lyrik bedeutet für mich unbedingte Ehrlichkeit. Das Gedicht ist immer Synthese von Erlebtem und Gefühltem. Für mich wählte ich wiederholt den Weg des BildWortes. Zu einem realen oder virtuellen Bild suchte ich Worte. Ein großer Dichter sagte seinem Freund: „Alle meine Gedichte sind Gelegenheitsgedichte, sie sind durch die Wirklichkeit angeregt und haben darin Grund und Boden.“ Diesen Satz nehme ich für mich auch in Anspruch.

Was ist für Sie als Autor das wichtigste Thema?

Das Leben in seiner unendlichen Vielfalt schenkt dem fühlenden, sehenden und hörenden Menschen die in Emotionen, Farbe und Tönen changierenden Themen. Ein Gedicht kann bei einem Spaziergang an der Ostseeküste oder beim Betrachten einer Skulptur von Constantin Brâncuși in einem Museum in Basel entstehen. Aber auch beim Lesen anderer Gedichte. Man tritt dann in einen Dialog mit einem Autor; so geschehen auch bei meinem Gedichtzyklus „Eine Hommage an Paul Celan“, erschienen in der Zeitschrift Spiegelungen 2.20.

du gingst für mich weit

du gingst für mich weit
weit ins meer hinein
und brachtest die muschel

das rauschen der welle
im tiefen generalbass
beziffert
das hohe c
der singenden muse

eine herzmuschel
versteckt
im sand
des unsokratischen jahrhunderts
tief beschämt


fräulein pogánys rote lippen

streng
gleichzeitig verführerisch
rot, dunkel
von ihr gebissen werden
ein traum
gewalt-ig
ach, fräulein
du bist einen beistrich wert
danach eventuell
doch
doch sicherlich
ein glas rotwein
wie deine lippen
feucht und sinnlich
betäubend gut


nachtgestalt

zu den gestalten der nacht
die alle einen eigenen
gezeichneten
schatten haben
schlich
sich meiner hinzu
ein echter
nicht fassbarer schatten
der aber von der camera
auch wenn es obscur klingt
belichtet wurde
am tag
so wurde ich tags
eine gestalt der nacht
nur schatten
mein eigentliches ich
war in diesem augenblick
außerhalb des bildes
in einem merzbau


als flaschenpost kehrte ich zurück

als flaschenpost kehrte ich zurück
die welle, der wind
brachten mich
ließen mich im watt
vor utersum tief atmend
stranden
ich streute salz auf die wiesen
und lockte
und lockte
so die gänse, fasane und hasen


eingemauert die weinflaschen

lasterhaft wollte ich eine ballade
vom bruder Villon singen
trinken
oh trinken
und die leeren flaschen einmauern
zum trotz
um in der ewigkeit
meine lustigkeit
zu erhalten
immerfort bin ich trunken
sang hafis
gepriesen sei sein streben
zwischen pokal und wein
zu lieben
ah okzident und orient
in mir vereint
im gesang und wein
eingemauert


lieben sie brahms?

lieben sie brahms
ich spiele ihn
mein leben lang
rhythmisch bebend
und mozart
den leichtlebigen
in der trauermusik
das blut
eine nebulisierende tonmonade
in der spiegelbildlichkeit
als mollgeschlecht
der traum besagte
es sei schwarz
gottähnlich
fließend
das treibende
hinter den gedanken
das geheimnis
des general basses
thalia musengleich
lächelte


ist das der ewige kampf

ist das der ewige kampf
licht und dunkelheit
es leuchtete doch so hell
die kerze
die dunkelheit ertrug es nicht
und wischte darüber
wie ein schwarzer vorhang
den wir so zuziehen
weil wir allzuoft des lichtes
überdrüssig sind
sehr aufgeklärt
sitzen wir dann im dunkeln
und starren vor uns
in richtung weisheit


im stundenbuch

im stundenbuch
wird vermerkt sein
wem die stunde schlägt
dann
erst dann
schlägt
der gestundete schatten
zu
an der steinernen wand
ablesbar die zeit
die einem dann
noch
verbleibt
im schattenreich
die zeiger unlesbar
dann


gedankenlos schweben, zeitlos denken

ich halte
den sand aus den uhren
deinen sand
in meinen offenen händen
offenen hirn
ich lese weiter und
ich schließe
die augen auch
und will die zeit aufhalten:
steht sie?

ich öffne die hände
ich öffne die augen
sie sind leer
alles leer
die zeit?
sie fließt wie der sand
wie das wasser
aus den augen
aus den händen

unsichtbar
ich höre aber die uhr ticken
und sehe die zeiger


Pont Mirabeau 1970

geboren in der spiegelung
des abendlandes
entdeckte er die fuge
als ewige wiederholung
das wasser aber
(als Element)
war ihm ein verhängnis
die brücke
als täuschung
darunter (dann) nur
die spiegelung
und die ewigkeit


das spätwort


das spätwort
das angedeutete nur
gezwinkert
aus dem nicht geschriebenen
buch
(im Leben?)
verschenkt für immer
im lesenichts


ungereimte ghasele

im scheinwerferlicht blau und rot
in der apsis
wo jahrzehnte heilige worte
an könige
gesprochen wurden
standen wir
und lasen fremdes vertraut
in liebe

im kerker ließ ich den hirten
mit kette und kugel am fuß
laut und schweißüberströmt
nackt tanzen

der silvaner holte uns
in die wirklichkeit empor
wir trugen masken
und verzogen den mund


der freiherr brukenthal

die atmende zahl 2 x 3
die hand noch zitternd
barock behandschuht

die geräusche der schrift
ein billett von ihrer hand
in eile
dabei orthographisch viel falsches
verkündete
des niederen herren freiheit
von jetzt an als baron

die krone im wappen war gesichert


man schrieb das jahr 1761
und frühe schneeflocken fielen

für viele ein geheimnis bis heute
doch ein spiel
denn es fiel ihr leicht


maiastra

in fremder stadt mich windend
stieß ich
in einer blauen ecke
auf den vogel
den seltenen
l’oiseau dans l’espace
bronze marmor sandstein
für mich gold
maiastra
die einen tiefen schatten wirft
für viele

der vogel überraschte
in seinem marmornest
weit installiert im raum
weiß
er hingegen grau
das nest aus holz und stein und wasser
das zuhause des urvogels
die unendliche jetzt als sockel
darauf
die unübersetzliche
die unübersetzbare
die unübertragbare
die maiastra

AUS dem Zyklus: Alternative kleinteuflische Miszellen


Brukenthal beim König

Als Brukenthal in Berlin war, traf er auch den Preußenkönig Friedrich II., berichten alle seriösen Historiker. Da er mit dem Monarchen nicht Französisch sprechen wollte, dieser aber nicht einmal mit seinen Windspielen Deutsch sprach, beschloss Brukenthal den Souverän in seiner siebenbürgisch-sächsischen Mundart anzusprechen.

Gewöhnt mit seinen Siedlern zu parlieren, dachte der König, er habe es mit einem holländischen Bauern zu tun, griff in die Rocktasche und schenkte ihm drei Kartoffeln mit den Worten: Diese sind Gold wert.

Vorfall vom 7. März 1743

Mit großem Pomp fand die Initiation statt. Er war nun Eingeweihter. An einem einzigen Logenabend vom Profanen zum Lehrling aufgenommen und gleich danach zum Freimaurer-Meister erhoben!

Wenige Tage danach fand abermals ein Logenabend statt. Pünktlich klopfte er an die Pforte, sagte auch pflichtgemäß das Passwort, das ihm beim Eingang gefordert wurde. In der großen Eingangshalle erblickte er eine weibliche Person, die, versteckt hinter einer Säule, ihm Zeichen machte. Er ging hin. „Katharina mein Name“, sagte sie, „ich bin hier bei der Herrschaft im Dienst. Habe gehört, dass der Herr aus Leschkirch kommen. Ich hingegen aus Agnetheln. Kommen Sie doch mit mir in die Küche und erzählen mir Neuigkeiten aus der Heimat.“ Sie öffnete eine geheime Tür und beide verschwanden. Am gleichen Abend wurde die Loge auf Maria Theresias Befehl von Soldaten überfallen und sämtliche Freimaurer verhaftet. Brukenthal war nicht dabei.

Das Festessen

Abermals waren viele Gäste an Brukenthals Tafel im Frecker Schloss zugegen. Sein französischer Koch dagegen befand sich in Wien, wo er auf Befehl seiner Exzellenz die neuesten Pastetenrezepte erlernen sollte. Den Hauptkochlöffel führte indes die böhmische Großköchin Libusa. Die vielfältigen Vorspeisen wurden mit größter Bewunderung goutiert, der edle Tokajer mundete auch sehr. Gute Stimmung stellte sich ein, man wechselte aus dem Ungarischen ins Deutsche und umgekehrt.

Im Türrahmen erschien der Tafel­decker Seiner Exzellenz und kündigte den ersten Hauptgang an: Rehrücken. Jedem Gast wurde von der weißbehandschuhten Dienerschaft ein großer Silberteller vorgesetzt. Die Damen holten sogleich ihre Lorgnons hervor, um den unbekannten Brei, der neben dem edlen Fleisch kredenzt wurde, zu begutachten. Die Herren schwitzten unter der Perücke beim Betrachten der unbekannten Masse auf ihren Tellern. Leicht hüstelnd versuchte eine Dame zu kosten, verschluckte sich aber dabei. „Das ist doch ungenießbar“, sagte sie dem Baron Brukenthal, der gegenübersaß. Exzellenz war auch ganz verdutzt und sprachlos, da er die Speise noch nie gesehen, geschweige denn gegessen. Der freiherrliche Tafel­decker musste sodann die Großköchin herbeizitieren. Eine Zumutung sei das, sagte der Baron, und lief rot an. Ja, sagte die Großköchin Libusa, das mutet Seine Exzellenz seinen Bauern wohl zu. Das ist die von Seiner Exzellenz vielgepriesene Kartoffel. Diesmal als Püree zubereitet, das kenne sie noch von ihrer Mutter. Schmeckt gut!

Schlagwörter: Balazs, Literatur, Lyrik, Lebendige Worte

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