6. Juni 2022

„In den verschachtelten Sätzen wohnen“: Franz Hodjaks neuer Lyrikband

Eine gewisse Melancholie strömt der Titel des schmalen Gedichtbandes von Franz Hodjak – „Was nie wieder kommt“ –, der Anfang Mai 2022 bei der Stadtlichter Presse in Wenzendorf erschienen ist, schon aus. Nachdenklich wirkt er, meditativ. Der Autor stellt philosophische Betrachtungen an, doch vor allem zieht er Bilanz.
Von der Warte eines distanzierten „Man“ analysiert Franz Hodjak im titelgebenden Gedicht das Leben bisher: „Es waren Jahre der/ Wanderschaft, der Lehrzeit,/ der Lebenserfahrung.“, und bilanziert: „Aber/ sie waren schön“, um gleich darauf festzustellen: „Schön ist immer/ etwas, das nie wieder kommt“. Eigentlich ist es eine bittere Tatsache, doch bei dem siebenbürgischen Autor klingt es nicht so, vielmehr hört es sich realistisch an und abgeklärt. „Man“ hat sich damit abgefunden. Das Eigentliche jedoch kommt als Credo schon zu Beginn des Gedichts zur Sprache: „In den verschachtelten Sätzen/ wohnen. Die Wörter ständig/ ausbessern“. (6)

In diesem Band nimmt Franz Hodjak uns mit auf eine Reise ins Gedächtnis. Er erzählt vom verschneiten Talgrund, dessen Wegweiser in die Jugend zeigt, von der brennenden Sonne, die ein lyrisches Wir Hollitschek nannte und meistens schließt sich am Ende des Gedichts eine Reflexion an. Es ist jedoch eine Weisheit, die sich selber infrage stellt: „Fuhren wir/ wieder hinunter,/ kamen wir dort an, wo wir/ nicht hin wollten.“ (5). Die Erinnerung ist letzten Endes aber das, was bleibt, denn: „Im Gedächtnis oder in/ Träumen wird weiter gefischt“. (50)

Andere Gedichte gehen von einer Alltagsbegebenheit aus, etwa vom Auftrieb im März und führen zur Selbstbefragung: „Und eine// Pause wäre gerade/ das Richtige, um/ herauszufinden,/ wer du wirklich bist“. (48) Oder sie stacheln die Neugier an, obwohl alles anders läuft, als das lyrische Du (diesmal) es erwartet (49). Und dennoch strömt auch Zufriedenheit aus diesen Versen, die erklären, was das lyrische Ich reizte: „was mich reizte, zu/ sehen, wie komme ich/ zurecht mit mir selbst“ und die seinen unkonventionellen Lebensweg bestätigen: „Wer etwas auf/ sich hält, hält/ sich nicht an das, was/ andere von einem/ erwarten.“ (52). Das lyrische Ich ist mit sich im Reinen.

Sogar eine Literaturgeschichte im Kurzformat gibt es in einem Gedicht, Helmut Braun gewidmet. In „Celan lesen“ fasst der Autor seine Lieblingsdichter zusammen von Novalis über Hölderlin, Else Lasker Schüler, Bacovia und Rose Ausländer bis hin zu Celan, mit dem pointierten Schlusswort: „Und wer Celan nicht kennt,/ hat alle anderen/ vergeblich gelesen“. (33)

Nicht fehlen darf ein Liebesgedicht, das einer imaginären Belinda gewidmet ist, mit dem das lyrische Ich auf dem Hausboot zusammenwohnt. Dabei könnte es auch ein negatives Liebesgedicht sein, denn Belinda ist kein Engel, obwohl sie zugeflogen ist. Ob sie das lyrische Ich liebt, ist nebensächlich, denn das höchste der Gefühle ist das Zugeständnis: „Ich genieße es,/ mit Belinda auf dem Hausboot/ zu wohnen“, was einer Liebeserklärung ähnelt, jedoch gleich darauf relativiert wird, zumal die Dauer ungewiss ist (44).

Neben seinen Betrachtungen und nonkonformistischen Lebensweisheiten gleitet Hodjak oft ins Anekdotische oder Ironisch-Alberne über, etwa wenn er ein Gedicht der Küchenschabe Nikita widmet (56), wenn er sich wünscht, einmal so wie Robert Redford zu sein (74), wenn er in der Konferenz als gehetzter Luchs auftritt (67), an Hegel denkt und dabei Schaka laka singt (13) oder eine Meditation über den ominösen Jemand schreibt, der für alles herhalten muss (61).

Der Autor spricht vielstimmig, er referiert meist im unpersönlichen Man. Doch manchmal wechselt er ins Wir über, manchmal ins Du, und nur zuweilen ins lyrische Ich. Bezeichnend für den Tonfall ist seine Distanziertheit und der wohltuende Mangel an Dramatik. Selbst der Tod wird beiläufig definiert als etwas „was man/ allgemein das/ große Nichts nennt“ (9). Oder er wird pragmatisch umschrieben mit den Worten des Großvaters: „Großvater sagte, so ist das./ Irgendwann/ wird es ganz dunkel, aber/ das wirst du/ gar nicht merken. (60).

Und auch die eigentlich bittere Erkenntnis: „Der Alltag lehrt uns, dass wir nichts/ aus dem Alltag lernen“ kommt mit leichten Füßen daher, denn „Zeit und Leben tun so, als ob“ und schließlich hält Licht die Welt zusammen „mit goldenen Spangen“ (73).

Insgesamt ist das neue Buch zwar eine nachdenkliche Meditation über das bisher Erlebte, jedoch von der Warte eines sowohl aufmerksamen wie auch neugierigen und letztendlich realistischen Beobachters, der stets seinen feinen Humor beibehalten hat. So schließt Franz Hodjak denn auch diesen Band nicht griesgrämig oder bitter – „Auch nicht, wenn der/ Tod danach käme“ – , sondern münzt die Tragik in Hoffnung um. Letzteres ist dann auch sein Schlusswort.

Edith Ottschofski


Franz Hodjak: „Was nie wieder kommt“. Gedichte. Wenzendorf: Stadtlichter Presse 2022, 80 Seiten, Paperback, 14,00 Euro, ISBN 978-3-947883-34-9

Schlagwörter: Lyrik, Buchbesprechung, Gedichtband, Hodjak

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