10. September 2022

Faszination Siebenbürgen – Tradition und Innovation beim Kultursommer 2022

Marianne Hallmen, Präsidentin des Vereins der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz, hat sich mit Freude auf den Weg gemacht, um an dem Siebenbürgischen Kultursommer 2022 teilzunehmen und von Seiten ihres Vereins eine Lesung in Hermannstadt und Schäßburg anzubieten. Hallmen berichtet.
Mit dem Siebenbürgischen Kultursommer hat sich eine neue Form aufgetan, Siebenbürgen in seiner kulturellen Vielfalt, in all seinen Facetten kennenzulernen und neu zu entdecken. Beeindruckend sind die wunderschöne, fast märchenhafte Hügel- und Kirchenburgenlandschaft und die üppigen dunkelgrünen Gebirgswälder. Der Karpatengürtel umrahmt, wie ein heiliger Ring, das schöne Siebenbürgenland. Man fühlt sich einfach wohl und geborgen hier – wie in einem Mutterbauch. Siebenbürgen ist ein Kraftort. Das spürt man einfach.

Das Heimattreffen 2022 wurde diesmal auf eine andere Art gestaltet. Das birgt enormes Potenzial, Siebenbürgen neu zu erleben: die Gemeinschaft wird so auf wundersame Weise wiederbelebt. In Erinnerung an die alte gute Heimat wurde in Stolzenburg Brot gebacken, an vielen Orten wurden siebenbürgisch-sächsische Balladen und Theaterstücke aufgeführt, manche aus der sogenannten „Lidertrun“. Wunderbare Konzerte wurden aufgeführt, himmlische Gesänge erklangen und Legenden sind erwacht (z.B. die Legende über die drei Schwestern in Talmesch, Stolzenburg und Michelsberg). Auch unsere Tracht mit dem „Bockeln“ kam auf die Bühne, überall hörte man unseren typischen siebenbürgischen Dialekt sprechen, der zu unserer Identität gehört. Schöne Erlebnisse lassen die guten alten Zeiten neu aufleben. Das gibt uns eine feste Grundlage, um positiv und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken und sie innovativ anzugehen. Das heißt, anders denken, kreativ und frisch, Neues wagen, wie zum Beispiel an der neu gegründeten Sommerakademie der Bildenden Künste in Michelsberg. Dort erklärte die Schirmherrin Gabriela von Habsburg treffend: „Kunst ist immer etwas Kreatives, nach vorne Gerichtetes, etwas, das die Gegenwart reflektiert und daraus die Zukunft baut.“
In Schäßburg erzählte die Autorin Erica Brühlmann ...
In Schäßburg erzählte die Autorin Erica Brühlmann-Jecklin die berührende Geschichte ihrer Tante, begleitet von Ehemann Toni. Foto: Yvonne Baier-Varvara
Wir fragen uns, inwieweit ist es notwendig, auch in anderen Bereichen, dass etwas Neues in Siebenbürgen kommt? Was gibt uns Trost, Hoffnung aber auch Mut in Zeiten, in welchen unser christliches Gemeinschaftsleben von „bösen Mächten“ und von einem „anderen Geist“ – einmal mehr vom Osten her – bedroht ist? Ich besinne mich auf unsere Wurzeln, auf unsere christlichen Werte, den eigenen Geburtsort und spüre den Ruf unseres Heilands Jesus Christus, der liebevoll seine Arme nach uns ausstreckt und zu uns sagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Joh 6,37) und „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“ (Math 11,28). Dieser Ruf nach der Quelle des Lebens erklingt schon lange und es ist wichtig, dass wir uns auf das Sehnsuchtsziel wieder ausrichten. In Stolzenburg, in der Kirche konnten wir das Heil der Liebe Christi diesmal – auch ohne unsere geliebte Orgel – wieder spürbar und sichtbar erfahren. Ein himmlischer Friede breitete sich während des Gottesdienstes in der Gemeinde aus, und das, weil der Auferstandene Christus Sieger über den Tod und über das Böse ist. Der Heiland sieht nicht auf das Äußere, sondern auf das Herz. Ja, Siebenbürgen ist eine Herzensangelegenheit.

Dieses Gefühl bleibt nicht auf unseren Heimatort beschränkt, sondern wir wollen diese Freude und Sehnsucht mit unseren Nachbarn und unseren Gleichgesinnten teilen. Das stärkt unser Zusammengehörigkeitsgefühl. Der Kultursommer bot eine ausgezeichnete Gelegenheit, auch andere Ortschaften zu besuchen, Freundschaften zu knüpfen, auch mit unseren rumänischen, ungarischen und anderen ethnischen Nachbarn, und unser soziales Netzwerk weiter auszubauen in dieser prekären Situation des Krieges. Das hat die Siebenbürger Sachsen seit eh geprägt. Unser Verantwortungsbewusstsein reicht über die Grenzen hinaus, so dass unsere vom Krieg geplagten Nachbarn aus der Ukraine wohltuende Gastfreundschaft in Siebenbürgen erfahren und als „die Unsrigen“ angesehen werden – auch sie gehören zur Familie. Die deportierten Siebenbürger Sachsen in die Sowjet-Ukraine 1945-50 und der aktuelle Ukraine-Krieg haben den Schmerz und Verlust unserer Eltern und Großeltern wieder aufleben lassen. Unser Herz blutet, wenn wir an unsere Eltern denken, die halb oder ganz verwaist aufwachsen mussten. Der Gedenkgottesdienst auf dem Friedhof in Stolzenburg lässt das Gefühl der Trauer und des Verlustes nochmal aufleben.

Dieses Trauma wiederholt sich heute vor unseren Augen. Davon berichtet die Schweizer Schriftstellerin Erica Brühlmann-Jecklin in ihrem Buch „Saras weiter Weg – Die Geschichte einer Frau aus Siebenbürgen“, das im März 2022, kurz nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, erschienen ist.

Die Autorin konnte innerhalb kurzer Zeit ihr Buch dreimal vorstellen: An dem Benefiz-Sommerfest am 2. Juli im Hotel Marriott Zürich (siehe Zürcher Sommerfest zugunsten der Ukraine-Hilfe), am 30. Juli im Deutschen Forum in Hermannstadt und am 1. August im Venezianischen Haus in Schäßburg. Nach den Lesungen entstand jedes Mal ein reges, voll von Emotionen geladenes Gespräch, wiederum eine Gelegenheit, unsere Vergangenheit aufzuarbeiten. Das kann der Anfang einer Versöhnungsgeschichte mit Gott sein, ein geistiges Abenteuer, das uns in die Geheimnisse eindringen und Innovatives und Kreatives erleben und begreifen lässt. Das ist für mich die Faszination Siebenbürgen. Es lohnt sich, einen Schritt in diese Richtung zu tun, um Gott ein Stück näher zu kommen – gerade weil unser Heiland bereits auf dem Weg zu uns Menschen ist.

Marianne Hallmen

Schlagwörter: Kultursommer 2022, Hallmen, Lesung, Hermannstadt, Schäßburg

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