8. Oktober 2022

Heinz Acker, der Musiker, punktet im Nürnberger Haus der Heimat auf literarischem Terrain

Kann ein Buch, das mit dem Satz beginnt: „Für euch, meine lieben Enkel, habe ich dieses Buch geschrieben“, auch für eine breite Leserschaft außerhalb der Familie ein literarischer Leckerbissen sein? Kann Heinz Acker, bekannt als namhafter Musiker und Dirigent, ein kunterbuntes Publikum im Nürnberger Haus der Heimat am 18. September mit einer Lesung aus seinem autobiografischen Werk „Zwei Leben und …“ begeistern? Ja, das Buch ist ein Leckerbissen, ja, Heinz Acker kann begeistern.
Ein Herz und eine Seele – Heinz und Marianne ...
Ein Herz und eine Seele – Heinz und Marianne Acker am Rednerpult. Foto: Inge Alzner
Wer ist Heinz Acker? Was beinhaltet „Zwei Leben und ...“? Worin liegt das Faszinierende an einer Lesung mit Heinz Acker? Beginnen wir mit dem Verfasser. Prof. Heinz Acker, geboren 1942 in Hermannstadt, studierte in Klausenburg Musik und arbeitete zunächst in seiner Heimatstadt als Musikpädagoge, Orchesterdirigent und Musikrezensent. Fünfunddreißigjährig wanderte er mit seiner jungen Familie 1977 nach Deutschland aus und begann nach eigener Feststellung sein „zweites Leben“. Als Professor für Musiktheorie an der Musikhochschule Heidelberg-Mannheim und Leiter des von ihm gegründeten international erfolgreichen Jugendsinfonieorchesters Bruchsal wirkte er auf breiter Basis sehr erfolgreich. Ihm wurden zahlreiche nationale und internationale Preise und Ehrungen zuteil, so etwa 2012 die „Schönbornmedaille der Stadt Bruchsal“ und „Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg“, 2013 der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis und 2020 der „Johann Wentzel-Stamitz-Preis“ der Esslinger KünstlerGilde. Theoretische Schriften (Modulationslehre) und vokal-sinfonische Kompositionen („Heidelberg-Variationen“, „Carmina Selecta“, „Sonnengesang“ „Pfingstkantate“, uraufgeführt in Hermannstadt 2017, das große „Credo in unum deum“ der „Kronstädter Messe“, uraufgeführt zur großen 500-Jahrfeier der Reformation in Kronstadt 2017 u. a. m. entstammen seinem Geist und seiner Feder. Heinz Acker hat oft sein Können mit qualitativ hohen musikalischen Darbietungen etwa in Dinkelsbühl unter Beweis gestellt. Er wurde zum siebenbürgischen „Ritter wider den tierischen Ernst“, als „doctor humoris causa“ geschlagen. Verheiratet ist Heinz Acker seit 1964 mit der Germanistin Marianne Acker. Sie, eine geborene Rether, ebenfalls 1942 in Hermannstadt geboren, besuchte gemeinsam mit Heinz Acker das Brukenthal-Gymnasium und studierte Germanistik und Rumänistik in Klausenburg. Sie war Deutschlehrerin in Kleinscheuern, Hermannstadt und Schellenberg. In Deutschland übernahm sie zunächst die Erziehung der drei Söhne, anschließend Management-Aufgaben in der Orchestertätigkeit des Dirigenten Acker und eigene Vortragsreihen in der Erwachsenenbildung. Zur Familie gehören drei Söhne und deren Familien mit sechs Enkelkindern.

Was beinhaltet „Zwei Leben und ...“ einiges mehr? Der Titel dieses Buches bezieht sich auf die zwei Lebensphasen des Autors Heinz Acker und seiner Frau Marianne, getrennt durch eine deutliche Zäsur, die sich ergab, als das Ehepaar nach der schrecklichen Erdbebennacht von Bukarest (4. März 1977), mehrfach gebeutelt, ihre alte Heimat Siebenbürgen verließ, um sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. Zwei Leben, die entgegengesetzter nicht sein können. Danach gefragt, äußert Heinz Acker am 18. September: „Ich muss sagen, dass ich eigentlich sehr dankbar bin, dass ich beide hatte. Davon profitiere ich immer wieder. Die Erinnerung aus der alten Heimat ist ein großer Schatz, zwar mit Schrammen, dennoch ein unwahrscheinlicher Schatz, der uns gegeben wurde. Natürlich ist es die wertvolle Grundlage für alles, was folgte. Man freut sich nach dem ersten Leben in Siebenbürgen über das zweite Leben in Deutschland und über die Tatsache, dass man beides kombiniert, besonders. So, wie meine Mutter ihre harten Erfahrungen der Deportation nie missen mochte, so möchte ich die Jahre der Unfreiheit im kommunistischen Rumänien nicht missen.“

Bevor in seinem Buch vom Autor selber berichtet wird, sucht er die Wurzeln seiner eigenen Existenz. Das reich bebilderte Buch wird dadurch zu einer breit angelegten „Familien- und Zeitgeschichte“ (Untertitel des Buches), die einen Zeitraum von 400 Jahren siebenbürgischer Geschichte beleuchtet. Faszinierende Gestalten, etwa des Reußmarkter Königsrichters Acker, Ahnherr eines stolzen Bauerngeschlechts aus dem Unterwald, Carl Reich, Kerzer Pfarrer und Stammvater einer bekannten siebenbürgischen Pfarrer- und Lehrer-Sippe, der Reichs, Georgs und Galters, ein Hermannstädter Tuchmacher Georg etwa, der es in Konstantinopel zum Chef-Kondukteur der neueingeweihten Orienteisenbahn bringt, oder ein entlaufener Szekler Leibeigener, der zu einem führenden Kellinger Bauern aufsteigt, Weber- und Schmiedemeister, usw. Damit ist ein vielgestaltiger Exkurs in die Geschichte Siebenbürgens präsent, der außer den Enkeln des Autors auch der Allgemeinheit spannende Lektüre bietet.

Auf den folgenden 350 Seiten breitet der Autor sein eigens Leben in vielfachen Zusammenhängen aus: Familie, Erziehung und Ausbildung, beruflicher Werdegang in Siebenbürgen und im „zweiten Leben“ in Deutschland. (Tod des Vaters vor Stalingrad, Deportation der Mutter in die Sowjetunion, „Waisenkindererleben“ in der Obhut der Großeltern Georg in Hermannstadt, Schulzeit am Brukenthal-Gymnasium, Studienzeit in Klausenburg, Wirken als Lehrkraft am Hermannstädter Musikgymnasium, an der Staatsphilharmonie, als Musikberichterstatter, Schikanen, Demütigungen, Mangelwirtschaft, Exodus der Siebenbürger Sachsen, verhängnisvolle Ausreise, Neubeginn im „zweiten Leben“ mit seinen Sonnen- und Schattenseiten, mit beruflichem und gesellschaftlichem Erfolg, mit der lesefreundlichen Darstellung der bunten Welt von Erlebnissen rund um den Familienvater, Landsmann, Pädagogen, Dirigenten, Komponisten, Kulturpreisträger und Bücherschreiber.

Heinz Acker, von Inge Alzner vom Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher begrüßt und von Angelika Meltzer akkurat vorgestellt, präsentierte sich in Nürnberg als Profi: Wer mit zahlreichen Orchestern an allen möglichen und „unmöglichen“ Orten dieser Welt - etwa auf Rossinis Spuren in der Emilia Romagna, als Versöhnungsbotschafter in Israel, an Tschaikowskis Dirigentenpult in Sankt Petersburg oder mit Beethovens Neunter in der Festjurte des kirgisischen Präsidenten, in Jordanien und Syrien, im Baskenland oder in Spaniens Süden, in Großbritannien oder in der Niederlande, in den Weiten der Neuen Welt in den USA, an zahlreichen deutschen Orten - seine Zuhörer faszinieren kann, dem fällt es scheinbar leicht, seine Autobiografie dem wiss- und erlebnisbegierigen Publikum im Haus der Heimat schwungvoll und variantenreich darzubieten und dabei seine anwesende Ehegattin in die Präsentation geschickt einzufügen. Ja, er hat dynamisch agiert, er hat wesentliche Fakten und Abbildungen ausgewählt, erläutert, temperamentvoll kommentiert. Zugleich hat er sich anmerken lassen, wie sehr diese Lesung für ihn auch eine tiefe emotionale Geschichte ist: da war er das Kind, der Jugendliche, der Erwachsene, der sein siebenbürgisch-sächsisches Wesen nicht abstreifen konnte und auf keinen Fall abstreifen wollte, sein von Siebenbürgen, von seinem Volk, von seinen Lebenserfahrungen dort und hier geprägtes Credo nicht verstecken wollte, was ihn auch so nahbar gemacht hat, was letztlich seinem Buch und seiner Präsentation eindeutig auch eine Aura eines tiefgründigen siebenbürgisch-sächsischen Vermächtnisses gab. Heinz, du bleibst ein leuchtender Stern auch am siebenbürgisch-sächsischen Musik- und Literaturhimmel. Danke Heinz und Marianne Acker. Danke auch im Namen des Nürnberger Kulturbeirats zugewanderter Deutscher.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Heinz Acker, Lesung, Haus der Heimat, Nürnberg

Bewerten:

16 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.