15. November 2022

„Memoria – Denk- und Mahnmale“: Peter Jacobis sehenswerte Ausstellung im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim

Das Siebenbürgische Museum Gundelsheim zeigt noch bis zum 26. Februar 2023 die Sonderausstellung „Memoria – Denk- und Mahnmale des Bildhauers Peter Jacobi“. In dieser Ausstellung sind erstmals im Siebenbürgischen Museum Werke des international renommierten Bildhauers und Fotografen Peter Jacobi, Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2003 und 2021 mit dem Constantin Brâncuși-Preis ausgezeichnet, in einer Zusammenschau zu sehen, die 50 Jahre seines künstlerischen Schaffens umspannt. Ein Hauptthema, das Jacobi seit den späten 1970er Jahren beschäftigt, ist der Holocaust. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der rumänische Staat ihn 2006 mit der künstlerischen Gestaltung des nationalen Holocaust-Mahnmals in Bukarest betraute. Dieses 2009 eingeweihte Denkmalensemble steht als ein Hauptwerk Jacobis im Zentrum der Ausstellung. Neben Skulpturen, plastischen Studien und Modellen seiner Denkmäler sind auch Fotografien des Künstlers zu sehen, die in ihrer stilllebenhaften Komposition Vergänglichkeit und Wandel, insbesondere der siebenbürgischen Heimat, vergegenwärtigen. Die Schau wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Blick in die Jacobi-Ausstellung im ...
Blick in die Jacobi-Ausstellung im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim, in deren Zentrum das nationale Holocaust-Mahnmal in Bukarest steht. Foto: Markus Lörz
Begleitend zur Ausstellung erschienen ist ein reich bebilderter Ausstellungskatalog. Dessen von Dr. Markus Lörz, leitender Kurator des Siebenbürgisches Museums und Kurator dieser Ausstellung, verfasste Einleitung wird im Folgenden wiedergegeben.

„Memoria – Erinnerung, Gedächtnis, welches Leitthema könnte besser zu einem Museum passen. Es ist auch das Leitthema des Bildhauers und Fotografen Peter Jacobi, das ihn durch die letzten 50 Jahre begleitet hat. ‚Die Rettung vor dem Vergessen und die Heilung des Gedächtnisses durch Ästhetik, sind‘, wie Magda Predescu unlängst schrieb, ‚ständige Themen seines Schaffens.‘

Peter Jacobi wurde 1935 in Ploiești, Rumänien geboren. Seine behütete Kindheit in weltoffenem, großbürgerlichem Umfeld – der aus Siebenbürgen stammende Vater war Fabrikdirektor bei den Malaxa-Werken in Bukarest – endete mit dem Staatsstreich im August 1944 und dem darauffolgenden Seitenwechsel Rumäniens. Die Familie flüchtete nach den Bombenangriffen auf Bukarest nach Siebenbürgen. Dort erlebte Peter Jacobi sowohl die Wirren des Kriegsendes, die Verhaftung des Vaters und die Deportation einiger Familienmitglieder zur Zwangsarbeit in die UdSSR als auch die Repressalien gegen die Rumäniendeutschen durch die neue kommunistische Staatsführung in den Folgejahren. 1955 bis 1961 studierte er Bildhauerei an der Kunstakademie Bukarest und wurde nach dem Abschluss als Kunstlehrer in Craiova ‚eingesetzt‘. Die 1960er Jahre waren zwar eine Zeit des ‚politischen Tauwetters‘ im kommunistischen Rumänien, in der die Möglichkeit zu Experimenten mit abstrakten Ausdrucksweisen jenseits des Formkanons des sog. Sozialistischen Realismus gegeben war. Jedoch war eine inhaltliche Auseinandersetzung mit politisch heiklen Themen wie etwa dem Holocaust tabu. Insofern ist diese Zeit im Schaffen Peter Jacobis einerseits eine wichtige Phase künstlerischer Entwicklung und erster großer Erfolge, wie der Teilnahme an der Biennale in Venedig 1970 zusammen mit seiner damaligen Frau Ritzi (1941-2022), andererseits aber musste die für den Künstler in der Folgezeit zentrale ‚Frage nach Erinnerungsträgern und nach den Ritualen der Erinnerung‘ noch unbeantwortet bleiben.

Diese künstlerische Beschäftigung mit existenziellen Fragen persönlicher wie kollektiver Vergangenheitsbewältigung war erst nach der Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland im Juni 1970 möglich. 1971 zogen Ritzi und Peter Jacobi nach Pforzheim, wo er eine Professur an der Hochschule für Gestaltung erhielt. In der Industriestadt am Rande des Schwarzwalds waren die Spuren des verheerenden Luftangriffs von 1945 auch 26 Jahre danach immer noch sicht- und spürbar. Der Wallberg, ein Trümmerberg am Rande der Stadt, löste bei Peter Jacobi von nun an eine, wie er sagt, Beschäftigung mit dem ‚Trümmerberg der eigenen Geschichte‘ aus. In der Folgezeit entstanden eine Vielzahl von Werken etwa zum Holodomor, Stalins Massenmord an ukrainischen Bauern, die gerade heute traurige Aktualität besitzen, ebenso wie zum Zweiten Weltkrieg, zu Stauffenbergs Attentat auf Hitler oder zu den martialischen Hinterlassenschaften des Westwalls und den Zerstörungen der Bombenangriffe auf Pforzheim und Stuttgart. Hinzukamen aber auch die ganz persönlichen Themen der eigenen wie der kollektiven siebenbürgischen Geschichte, an die der Künstler mit seinen Werken erinnert; so z.B. die Deportation von Rumäniendeutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion 1945 bis 1949, die der Künstler als neunjähriger Junge in der eigenen Familie miterleben musste. Ein Hauptthema, das Peter Jacobi seit den späten 1970er Jahren beschäftigt und das er immer wieder durch seine Werke im Gedächtnis halten will, ist der Holocaust. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der rumänische Staat ihn 2006 mit der künstlerischen Gestaltung des nationalen Holocaust-Mahnmals in Bukarest betraute. Dieses 2009 eingeweihte Denkmalensemble steht als ein Hauptwerk Peter Jacobis im Zentrum der Ausstellung. Dieser Katalog gibt einen kurzen Einblick in die historischen Ereignisse des lange vergessenen und verdrängten Themas des Holocaust in Rumänien. Dieser historische Begriff wird hier verwendet, da er auch von der 2003 unter dem Vorsitz Elie Wiesels einberufenen internationalen Kommission benutzt wurde. Er soll für die Verfolgung und Ermordung aller Opfergruppen in Rumänien gleichermaßen stehen und schließt damit die Schoah an der jüdischen Bevölkerung Rumäniens ebenso ein wie den Porajmos an den rumänischen Roma. So spannt die Ausstellung einen großen Bogen über 50 Schaffensjahre Peter Jacobis ebenso wie über eine große Vielfalt eigener wie kollektiver Erinnerungen, die jeweils in künstlerisch reflektierter Weise den einzelnen Werken ihren eigenen Charakter und Ausdruckskraft verleihen. Abschließend sei Prof. Peter Jacobi für die gute Zusammenarbeit im Vorfeld dieser Ausstellung, für seine künstlerische Souveränität wie sein Vertrauen und last but not least für die großzügige Leihgabe eines Großteils der Exponate herzlichst gedankt. Ein Dank geht weiterhin an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und insbesondere an unseren Förderverein für die großzügige Finanzierung des Ankaufs der bedeutenden Bronzeplastik ‚Fufaika‘, die nicht nur diese Ausstellung, sondern zukünftig dauerhaft unsere Sammlung bereichert.“

Gedächtnisstätten des Leides

Anlässlich der Vernissage am 16. September sagte die Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum Gundelsheim, Dr. Irmgard Sedler: „Der 1935 geborene Bildhauer Peter Jacobi hat die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Lager der Sowjetunion als Kind miterlebt, das Wissen um den Holocaust in Rumänien, dessen Verdrängung aus dem offiziellen gesellschafts-kommunistischen Diskurs als politischen Manipulationsmechanismus vor Ort spüren können. Ob es um die Säuberungsaktionen in Stalins Reich oder aber um die Bombardierung der Stadt Pforzheim im Februar 1945 durch die Royal Air Force geht, bei der ein Fünftel der Bevölkerung ihr Leben ließ – der Bildhauer Jacobi sucht hier seine Inspiration, wohl auch um über das Medium Kunst, Emotionen und Denkbilder zu generieren, die ihrerseits die Koordinaten für Diskussionsfelder des ‚Nie wieder‘ zu liefern vermögen. Es gelingt ihm, mittels künstlerischer Verdichtung kollektiver, tiefer Leiderfahrung, diese im Bewusstsein des Betrachters mit Würde und – warum auch nicht? – mit der Schönheit von Trauer in Verbindung zu bringen. Klar und streng, raumgreifend, mit Anleihen bei den ganz Großen der Moderne, ohne ins Epigonenhafte abzudriften, wollen diese Arbeiten als Mahnmal und zugleich als Gedächtnisstätten des Leides wahrgenommen werden.“

Schlagwörter: Peter Jacobi, Ausstellung, Gundelsheim

Bewerten:

10 Bewertungen: +

Neueste Kommentare

  • 15.11.2022, 16:59 Uhr von HELLMUT SEILER: Es sind Werke, die betroffen machen: bei aller "Ästhetisierung des Grauens" ist und bleibt Peter ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.