22. Dezember 2024

Recherche und Gefühl: Krimiautorinnen lesen im HDO

Dass der Nikolaus eine Lesung in den Stiefel steckt, ist ja eher ungewöhnlich. Gut, dass das Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München diese Aufgabe übernommen und für den 6. Dezember zu einem Abend mit den Autorinnen Lioba Werrelmann aus Köln und Beate Sauer aus Bonn eingeladen hatte. Sie lasen in der Reihe „Frauen schreiben Geschichte(n)“ aus jeweils zwei ihrer Krimis und gaben danach im Gespräch mit Patricia Erkenberg vom HDO Einblicke in ihre Arbeit und ihr Werk. Das Publikum saß wie in einem Café an mehreren runden Tischen, konnte warme und kalte Getränke und kleine Snacks genießen und sich dank der Vorbereitungen des HDO-Fördervereins rundum wohl fühlen.
Lioba Werrelmann ...
Lioba Werrelmann
Die HDO-Lesereihe „Frauen schreiben Geschichte(n)“ wird seit 2021 veranstaltet und bietet Schriftstellerinnen aus Deutschland und dem östlichen Europa ein Forum. Nach Lyrik, Romanen und Erzählungen stand dieses Mal der Kriminalroman im Fokus, denn Krimis sind das beliebteste Buchgenre in Deutschland, wie Patricia Erkenberg in ihrer Begrüßung erklärte. Inzwischen finden sich in Kriminalromanen auch Themen der Deutschen aus und im östlichen Europa, die mit dieser Ausgabe der Lesereihe aufgegriffen wurden.

Lioba Werrelmann las aus ihren Siebenbürgen-Krimis „Tod in Siebenbürgen“ (2023) und „Tödlicher Winter“, der Ende November erschienen ist; die Lesung an diesem Abend im HDO war die erste aus dem neuen Band. Beate Sauer hatte ihre historischen Krimis „Echo der Toten“ (2018) und „Der Hunger der Lebenden“ (2019) mitgebracht, deren Handlung 1947 in Köln, der Eifel und dem Bergischen Land angesiedelt ist. Als verbindendes Thema der vier Bücher hatte Patricia Erkenberg eingangs „Hunger, Essen, Genuss“ ausgemacht, die in den vorgetragenen Auszügen auch eine Rolle spielten. Im Gespräch nach der Lesung ging es dann aber um ganz andere Dinge.

Beate Sauer. Fotos: Lilia Antipow ...
Beate Sauer. Fotos: Lilia Antipow
Lioba Werrelmann schreibt über Siebenbürgen und hat keinen biografischen Bezug dazu, Beate Sauer hat eine aus Ostpreußen stammende Hauptfigur ersonnen und ist selbst nicht mit der Region verbunden – welche Rechercheleistung stecke hinter diesen Büchern, wollte Patricia Erkenberg angesichts der außerordentlichen Detailgenauigkeit wissen. Werrelmann, die ihre Reihe über Siebenbürgen als Auftragsarbeit des Verlags begonnen hatte („Da sagt man nicht nein“), hat ihr journalistisches Handwerkszeug genutzt, Bücher gelesen, Filme gesehen und schließlich eine Reise nach Siebenbürgen unternommen, während der „essen, schmecken, riechen“ ganz wichtig gewesen seien, denn zu einer Geschichte gehöre nicht nur Recherche, sondern Gefühl. Sauer hat von ihren Eltern, die beide Jahrgang 1931 sind und Krieg sowie Nachkrieg bewusst erlebt haben, viel erzählt bekommen, zum Thema Flucht und Vertreibung Zeitzeugen befragt und natürlich auch viel gelesen; eine geflohene Ostpreußin sollte ihre Hauptfigur sein, um den größtmöglichen Kontrast zum Leben im zerstörten Köln zu erzielen. „Ich wollte eine junge Frau, die aus ihrem Leben gerissen wird und völlig neu anfangen muss.“ Krimis habe sie als Kind schon geliebt und bereits mit zehn Jahren die Sherlock-Holmes-Geschichte „Das gefleckte Band“ gelesen, die nachhaltigen Eindruck hinterlassen habe. Als studierte Theologin sei für sie auch der Themenkomplex Schuld und Sühne immer präsent, und die Geschichte von Kain und Abel sei ja auch ein Mordfall. Ihre Kollegin Werrelmann bekannte, auch schon immer Krimis gelesen und sich während einer langen Krankheitsphase, die einen Einschnitt in ihrem Berufsleben als „rasende Reporterin“ bedeutete, daran erinnert zu haben, was sie eigentlich machen wollte: Bücher schreiben. Ihr erster Krimi „Hinterhaus“ wurde mit dem Friedrich-Glauser-Preis 2020 als bestes deutschsprachiges Debüt ausgezeichnet.

Ob Frauen anders schreiben als Männer, fragte Patricia Erkenberg, worauf Lioba Werrelmann spontan sagte: „Ich hoffe nicht!“; Beate Sauer schloss sich dem an, verwies aber darauf, dass Agatha Christie „wahnsinnig gute Plots“ erdacht habe. Aus dem Publikum wurde gefragt, warum die eine Autorin eine weibliche und die andere eine männliche Hauptfigur für die vorgestellten Bücher gewählt habe, was bei Sauers Friedrike Matthée am Thema liegt, denn es geht um die Weibliche Polizei in Köln, und bei Werrelmanns Paul Schwartzmüller auf einer Verlagsentscheidung beruht („Ich hätte lieber eine Frau gehabt“). Zu der auch aus dem Publikum kommenden Frage, wie die Reaktionen auf die Bücher aus den Kreisen der Aussiedler und Vertriebenen seien („Krittelei oder Dankbarkeit?“), erzählte Beate Sauer, sie habe nichts Explizites aus dem ostpreußischen Kreis gehört, aber von Zeitzeugen des Krieges nur Positives; Lioba Werrelmann berichtete von ausschließlich positiven Rückmeldungen von den Siebenbürger Sachsen, worüber sie sie sich sichtlich freute.

Mit einem Verweis auf Beate Sauers aktuelle Trilogie „Die Fernsehschwestern“ (der dritte, „Glücklich sind die Mutigen“, ist im November 2024 erschienen), Lioba Werrelmanns unter dem Pseudonym Lilly Bernstein geschriebene historische Romane (der neueste, „Sturmmädchen“, ist seit Februar 2024 im Handel) und den von Stefanie Bach betreuten Büchertisch, der nach der Veranstaltung fleißig frequentiert wurde, verabschiedete Patricia Erkenberg die Gäste, die die Gelegenheit nutzten, das eine oder andere Wort mit den Autorinnen zu wechseln und sich Bücher von ihnen signieren zu lassen.

Doris Roth

Schlagwörter: Lesung, HDO, Kriminalroman

Bewerten:

10 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.