6. Januar 2025

Andreanum-Ausstellung in Gundelsheim gibt besondere Einblicke

Noch bis zum 23. Februar wird im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar die Ausstellung des Deutschen Kulturforums östliches Europa sowie des Departments für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens und weiterer Partner anlässlich des 800. Jubiläums des Andreanums, des sog. „Goldenen Freibriefs“, in dem König Andreas II. von Ungarn 1224 die Rechte der deutschen Siedler im südlichen Siebenbürgen bestätigte, präsentiert.
Abb. 1: Tanzordnung für einen Ball, 1898, Commis ...
Abb. 1: Tanzordnung für einen Ball, 1898, Commis-Verein Hermannstadt, Siebenbürgisches Museum; Foto: M. Lörz
Einmalig an dieser Station der Wanderausstellung ist, dass nicht nur die Präsentationstafeln, sondern auch originale Objekte aus den Sammlungen des Siebenbürgen-Instituts und des Siebenbürgischen Museums zu sehen sind, die aufgrund ihrer Empfindlichkeit kaum ausgestellt werden. Insofern bietet sich hier die einmalige Gelegenheit, etwa die originale Ernennungsurkunde Samuels von Brukenthal zum Gouverneur Siebenbürgens aus dem Bestand des Siebenbürgen-Instituts und Weiteres zu bestaunen, das das lange Nachwirken des Andreanums sicht- und begreifbar macht.

Das bis ins 17. Jahrhundert vielfach bestätigte Andreanum war es, auf dessen Basis schließlich die Siebenbürger Sachsen zum staatstragenden Landstand Siebenbürgens wurden. Ihre besondere Rechtsstellung konnten sie bis 1876 halten, als die Selbstverwaltungen der Sachsen und Szekler abgeschafft und ihre Territorien den Komitaten zugeschlagen wurden. Die jahrhundertelange Erfahrung der Selbstverwaltung befähigte sie jedoch zu modernen Organisationsformen des Gemeinwesens bis in die Gegenwart hinein, wie im kostenlos erhältlichen Beiheft der Ausstellung zu lesen ist.

Nach dem Ende der Autonomie fand dies auch im regen Vereinswesen der Siebenbürger Sachsen seinen Ausdruck.

Einige besonders schöne Beweise dieser großartigen Vereinskultur sind sogenannte Ballspenden oder Tanzordnungen, von denen das Siebenbürgische Museum mehrere hundert Exemplare aus der Zeit von ca. 1870 bis in die 1920er Jahre besitzt.

Abb. 2: Ballspende, 1896, Bistritzer ...
Abb. 2: Ballspende, 1896, Bistritzer Gesangskränzchen, Siebenbürgisches Museum; Foto: M. Lörz
In Zeiten, als es noch kein Internet und keine Social-Media-Kanäle gab, wurden unter anderem Empfänge und Bälle ausgerichtet, wo sich die „heiratslustige Welt zum Rendezvous zusammenfand“, wie man damals sagte, oder einfach um zu sehen und gesehen zu werden. Um diese gesellschaftlichen Ereignisse entwickelte sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur bei den Sachsen, sondern in der gesamten Monarchie eine regelrechte Ballkultur, die eine eigene Infrastruktur mit Tanzkapellen, Ballsälen und Galanteriewaren-Herstellern mit sich brachte.

Letztere stellten auch Tanzordnungen und Ballspenden her, die auf keinem Ball fehlen durften. Ursprünglich entstanden waren die teils aufwendigen Ballspenden aus den Tanzordnungen, die den Ballbesucherinnen vom Veranstalter überreicht wurden. Ein schönes Beispiel in der Ausstellung ist die Tanzordnung für einen Ball der Hermannstädter Commis-Vereins von 1898. [Abb. 1]

Jeder Ball hatte Ende des 19. Jahrhunderts ein festgelegtes Tanzprogramm aus traditionellen Tänzen wie Walzer, Marsch oder Polka. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen moderne Tänze wie Foxtrott, One Step oder sogar Shimmy hinzu, wobei die große Zeit der Tanzordnungen wie der Gesellschaftsbälle hier schon vorüber war. Die Herren baten die Damen meist zu Beginn des Balls, ihnen einen Tanz zu reservieren. Dies wurde von den Damen in der Tanzordnung notiert, weshalb viele über einen beigefügten kleinen Bleistift verfügten.

Aus den Tanzordnungen entstanden mit der Zeit die meist aufwendig gestalteten Ballspenden; nicht zu verwechseln sind diese mit den Damengeschenken der Herren wie Sträußchen, Bonbonieren oder Parfumflakons, die den Damen anlässlich eines Balls von ihren Begleitern geschenkt wurden. Die Kosten für die Ballspenden trug der Veranstalter und machte damit sozusagen auch Werbung für die eigenen Vereinszwecke oder konkurrierte mit anderen Einrichtungen durch den Aufwand der Ballspenden. In einem Herstellerkatalog aus der Zeit um 1900 heißt es dazu: „Diese Büchelchen können in einer Unzahl von Gestaltungen hergestellt werden, nur müssen sie so geartet sein, dass sie von der Dame leicht getragen und gehandhabt werden können. Je origineller der Gegenstand ist, desto mehr Beifall wird er hervorrufen.“

Abb. 3: Ballspende, 1902, Siebenbürgischer ...
Abb. 3: Ballspende, 1902, Siebenbürgischer Karpatenverein, Hermannstadt, Siebenbürgisches Museum; Foto: M. Lörz
Zwei sehr schöne Beispiele in der Ausstellung, die diesen Aufwand belegen, sind zum einen eine Ballspende des Bistritzer Gesangskränzchen, gestaltet als kleines Buch mit Samteinband und einer Lyra als Dekoration von 1896; zum anderen, noch aufwendiger mit einem kleinen Blumenkörbchen gestaltet, eine Ballspende des Siebenbürgischen Karpatenvereins von 1902. [Abb. 2 und 3]

Insbesondere dieses ist mit seiner Gestaltung, dem alten Landeswappen in Goldprägung, somit Beweis für das Selbstbewusstsein der siebenbürgisch-sächsischen Vereine und Verbände, in einer Epoche, in der, wie erwähnt, die politische Eigenständigkeit verloren gegangen war.

Die Vielfalt der Anlässe von Studenten- und Schulabschlussbällen über Bälle von Gesangs- und Sportvereinen, Feuerwehren, Reservisten und Offizieren oder beispielsweise Handels- und Gewerbevereinen ließen das Geschäft der findigen Hersteller florieren. Es entstanden Objekte, die für die Zeit meist sehr aufwendig ausgeführt waren: im Vierfarbdruck, mit Vergoldung, Stanzungen, Relief- oder Prägedruck. Durch die weite Verbreitung und die daraus resultierende industrielle Herstellung konnten sich auch die weniger betuchten Vereine und Veranstalter, wie etwa der Hermannstädter Arbeiterbildungsverein, solch aufwendige Tanzordnungen und Ballspenden leisten.

So zeugen diese kleinen Souvenirs an unbeschwerte Stunden bis heute von Gemeinschaft, Gemeinsinn und der reichen und vielfältigen Verbands- und Vereinskultur der Siebenbürger Sachsen in jener Zeit.

Abb. 4: Automobil-Emblem, ca. 1960er Jahre, ...
Abb. 4: Automobil-Emblem, ca. 1960er Jahre, Alliance of Transylvanian Saxons, USA, Siebenbürgisches Museum; Foto: M. Lörz
Dass die Verbundenheit mit der „Nation“ der Siebenbürger Sachsen nicht nur zeitlich, sondern auch geografisch weit reicht, dafür steht ein weiteres Objekt in der Ausstellung. Dies ist eine Plakette der Alliance of Transylvanian Saxons, die sich ihre Mitglieder in den USA der 1960 oder 70er Jahre als Zeichen an ihren Straßenkreuzer montieren konnten. [Abb. 4]

Sie steht beispielhaft für das Nachwirken des Andreanums in Organisationsformen des Gemeinwesens der Siebenbürger Sachsen bis in die Gegenwart und über Kontinente hinweg.

Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum, Gundelsheim, Andreanum, Ausstellung, Bälle

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