9. April 2025

Motivation und Anlass, Sächsisch zu sprechen: Erfahrungsaustausch junger Menschen und Mundartlesung in Neuburg an der Donau

Ihr seid willkommen, wenn ihr Sächsisch sprecht! Das ist der Tenor eines interessanten Gesprächs zwischen jungen Menschen aus unserer Gemeinschaft. Sie waren eingeladen, beim Mundartseminar in Neuburg an der Donau über ihre Erfahrungen und Beziehung zur Mundart zu sprechen. Die zwölf zumeist älteren Mundartautor/innen hörten zu, bevor sie auch mitredeten. Siehe da: Die jungen Sächsisch Sprechenden haben nur positive Erfahrungen gemacht, wenn sie ihren Dialekt verwendet haben. Heutzutage wird das Sprechen einer weiteren Sprache als Bereicherung wahrgenommen, sowohl in der Hirnforschung (das Erlernen einer neuen Sprache erleichtert das Erlernen weiterer Sprachen) als auch im Alltag, wo man auf viele Einheimische und Zugewanderte trifft, für die es „weitgehend normal ist“, mehrere Muttersprachen zu sprechen. Sehr erfreulich, dass über unseren Dialekt immer wieder positive Erfahrungen mit Siebenbürgen als Gegend verbunden werden! Sowohl von den Sprechenden als auch von Fremden.
Die Mundartautoren im Gespräch mit den am Fenster ...
Die Mundartautoren im Gespräch mit den am Fenster sitzenden jugendlichen Mundartsprecher/innen (von links) Manfred Herberth, Dagmar Seck, Jürgen Astner, Ricardo Rill, Elisabeth Kessler, Dominik Jakobi, Uwe Pelger, Carolin Hain und Adrian Martini. Foto: Roland Widmann
Moderiert von Dagmar Seck, Bundeskulturreferentin des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, beteiligten sich am 29. März im Sporthotel Neuburg an der Donau am Gespräch Jürgen Astner, Carolin Hain, Manfred Herberth, Dominik Jakobi, Elisabeth Kessler, Adrian Martini, Uwe Pelger und Ricardo Rill sowie die Mundartautor/innen Carolin Hain (21), Manfred Herberth (34), Doris Hutter, Hilde Juchum, Misch Kenst, Oswald Kessler, Malwine Markel, Michaela Schuller, Arthur Waadt, Roland Wagner, Roland Widmann, Helmuth Zink mit Angelika Meltzer, der Autorin der Liedersammlung E Liedchen hälft ängden.

Was braucht es also, um sich zu trauen, Sächsisch zu lernen? Auf keinen Fall Gelächter der Familie, wenn das Sächsisch noch nicht perfekt ist! Erst herausfinden und gerne direkt fragen, ob das Kind oder die lernende Person korrigiert werden will! Bei der Fülle unserer Ortsdialekte und schon viel Vermischen der Dialekte in nur einem Haushalt ist es für die meisten sowieso egal, wie „echt“ man spricht. Inzwischen fragen sich viele: Welcher Schaden ist größer: falsch oder gar nicht zu sprechen?! Und da sollten wir mit der Motivation ansetzen: der Verband, die Familien, Radio Siebenbürgen usw. Wir sollten die Willkommenskultur fürs Sprechen der Mundart ausbauen, Hürden abbauen und nachsichtiger werden. Andererseits könnte sanfter Druck nicht schaden, heißt es seitens eines Tanzgruppenmitglieds: Junge Tanzende werden von ihren Eltern auch mehr oder weniger „in die Kindertanzgruppe geschubst“… Der Heimattag eröffnet unserem Nachwuchs auch große Chancen, mit unserer mitgebrachten Kultur und Mundartsprechenden zusammenzutreffen.

Wir waren uns einig, dass das Sprechen unseres Sächsisch ein Stück unserer Kultur ist und dass es idealerweise im Kindesalter beginnt, weil dann die emotionale Bindung am größten ist, auch wenn das Kind erst mal Deutsch antwortet. Auch wird das Sächsisch mit Essen und dem Liedgut in Verbindung gebracht, mit Bräuchen, mit Gemeinschaft. Und wenn viele Tanzende in unseren Volkstanzgruppen sagen: „Leider kann ich nicht Sächsisch sprechen!“, dann ist noch ein Keim da, der aufgehen könnte, da glimmt noch ein verstecktes Feuer bei vielleicht mehr jungen Menschen als wir denken. Dann lohnt es sich, Angebote zu machen.

Darauf gingen unsere Mundartautoren mit großem Enthusiasmus ein und boten Hilfe an: Fragt uns, fordert uns, beauftragt uns mit Aufgaben, die euch beim Erlernen des Sächsischen helfen! Silben- und andere Rätsel mit siebenbürgischem Hintergrund erfinden, Redewendungen, historische und/oder witzige Geschichten ausgraben, Inhalte für Sketche schreiben, mit Radio Siebenbürgen und dem Podcast Soxesch Talk intensiver zusammenarbeiten, Kunst- oder Schreibworkshops sowie Kochkurse in den Kreisgruppen anbieten, bei denen niederschwellig Sächsisch gesprochen wird, bekannte Kinderlieder ins Sächsische übersetzen usw.

„Es braucht Inhalte von Gleichaltrigen zu Gleichaltrigen!“, hieß es aber auch. Die Siebenbürgische Zeitung (SbZ) sollte junge Leute ermutigen, sächsische Texte einzuschicken. Mundart-Slams werden angeregt, Marketingstrategien wie zum Beispiel auf Papierservietten sächsische Begriffe übersetzen. Oder die Reichweite von unseren Medien besser nutzen: SbZ Online, also Siebenbuerger.de, und Radio Siebenbürgen mit seinem Mundartkanal. Der Verband sollte auf Influencer zugehen und sie einbinden, auf Instagram werben und TikTok nutzen. Online-Seminare zum Erlernen der Mundart werden vorgeschlagen. Die Luxemburger etwa bieten Kurse über YouTube an. Was ganz schnell umsetzbar wäre: am Heimattag auch einige Programmpunkte in Sächsisch anmoderieren. Vielleicht beim Gemeinsamen Tanzen auch ein sächsisches Lied gemeinsam singen?

Nach dem Abendessen fuhren einige Jugendliche auf den Ball nach Nürnberg, andere trafen sich mit den Autoren im Tagungsraum, wo sächsische Lieder gesungen und Reste des Kuchenbuffets genossen wurden. Hilde Juchum, die das Seminar vor allem kulinarisch köstlich mitgestaltet hatte, kann sich auf die Hilfsbereitschaft ihrer Freundinnen verlassen, die für uns gebacken und Brotaufstriche zubereitet hatten.
Die Mundartautor/innen nach der Lesung (von ...
Die Mundartautor/innen nach der Lesung (von links): Oswald Kessler, Misch Kenst, Helmuth Zink, Roland Widmann, Michaela Schuller, Carolin Hain, Doris Hutter, Arthur Waadt, Roland Wagner, Hilde Juchum, Manfred Herberth, Malwine Markel, Angelika Meltzer. Foto: Martina Hermann
Am Sonntag (30. März) besprachen die Mundartautor/innen aus Bayern ihren geplanten Auftritt am Nachmittag des Pfingstsonntags in Dinkelsbühl: eine Lesung zum Thema Handwerk. Danach wurde ihre Zusammenarbeit mit Radio Siebenbürgen diskutiert. Anknüpfend an das Gespräch der jungen Leute, für die das Schreiben eine weitere Hürde beim Erlernen der Mundart ist, wurde die Eifler Regel beleuchtet. Der zufolge fällt das auslautende N vor konsonantischem Anlaut weg, es sei denn das folgende Wort beginnt mit D, H, N, T oder Z. Auf den ersten Blick verwirrend, aber wenn wir genau hinhören, sprechen wir es tatsächlich richtig aus, wenn wir etwa flüssig sagen: E klien Nästnätz aber E klie Liedchen. Durch die Erfahrung „klein“ aus dem Deutschen wird klie nicht gleich erkannt … Man erkennt an diesem kleinen Beispiel, mit welchen Herausforderungen sich die Mundartautor/innen beim Schreiben befassen müssen.

Mit dem freudig begrüßten Überraschungsgast Bernddieter Schobel sprachen wir über die Veröffentlichung von Mundart in der SbZ und wollen, um den Lesenden das Lesen zu erleichtern, hinfort möglichst auch Übersetzungen der Texte ins Deutsche mitliefern.

Schon früh kam das Publikum zur Lesung, zu deren Verbreitung sicher auch der Flyer von Carolin Hain beigetragen hatte. Sie wurden eingespannt beim Heranschleppen von Stühlen. Der Saal war randvoll, als die zwölf Mundartautor/innen aus ihren Werken vortrugen und den reichlichen Applaus entgegennahmen. Die Vorsitzende der Kreisgruppe Neuburg, Isabella Höchsmann, und weitere Vorstandsmitglieder waren zugegen, ebenso Angelika Meltzer, die uns an der Gitarre begleitete, als wir gemeinsam während der Lesung vier sächsische Lieder aus ihrem Liederbüchlein sangen. „So gewöhnt man sich auch ans Lesen des Sächsischen“, witzelte ich beim Dank an alle Mitwirkenden.

Der besondere Dank geht freilich an die Mundartautor/innen, die mit ihren Texten die Mundart weitgehend am Leben erhalten und verbreiten, ebenso jedoch an die Teilnehmenden am Seminar, die uns mit ihrem Interesse und ihren Ideen weitere Wege gezeigt haben, die junge Menschen gehen könnten, wenn sie dem Sächsischen mehr Raum in ihrem Leben geben wollen. Dank sage ich auch dem Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e.V., das diese Tagung aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert hat, und unserem Landesverband Bayern, mit dem ich als Landeskulturreferentin dieses Projekt, das mir sehr am Herzen liegt, organisieren durfte.

Doris Hutter

Schlagwörter: Mundart, Jugend, Austausch, Autoren

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