16. Januar 2000

Bemerkenswerter denkmalpflegerischer Erfolg

Die UNESCO hat im Dezember 1999 sechs weitere Kirchenburgen Siebenbürgens sowie die Altstadt von Schäßburg in die Weltkulturerbeliste aufgenommen: Kelling, Wurmloch, Keisd, Deutschweißkirch und Tartlau sowie, für die Familie der Szekler Kirchenburgen, durch diejenige von Ders (rumänisch: Dirjiu). Schon 1993 waren die Kirchenburg von Birthälm, das Kloster Horezu und die Klöster der Nordmoldau als Kulturdenkmäler sowie das Donaudelta als Naturreservat der UNESCO deklariert worden.
Von Christoph M a c h a t , Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats

Auf seiner jüngsten Sitzung, die im Dezember letzten Jahres in der marokkanischen Hauptstadt Rabat stattfand, hat das Welterbekomitee der UNESCO einer Erweiterung der Position „Birthälm“ auf seiner Welterbeliste durch die siebenbürgischen Kirchenburgen von Kelling, Wurmloch, Keisd, Deutschweißkirch und Tartlau sowie, für die Familie der Szekler Kirchenburgen, durch diejenige von Ders (rumänisch: Dirjiu) zugestimmt und auch die Altstadt von Schäßburg in die gleiche Liste aufgenommen. Dafür hatten sich seit Jahren der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat und sein Vorsitzender Dr. Christoph Machat in Zusammenarbeit mit den zuständigen rumänischen Stellen, der Heimatkirche und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) eingesetzt. Die jetzige Entscheidung stellt einen bemerkenswerten Erfolg dieser Bemühungen dar. Dazu äußert sich Vorsitzender Machat im nachfolgenden Text.

Bereits vor sechs Jahren konnten wir berichten, dass im Dezember 1993 die Kirchenburg von Birthälm, das Kloster Horezu und die Klöster der Nordmoldau als Kulturdenkmäler sowie das Donaudelta als Naturreservat in die Welterbeliste aufgenommen worden waren. Damit hatte das Welterbekomitee der UNESCO mit einer freundlichen Geste auf die ersten Vorschläge Rumäniens reagiert, das erst zwei Jahre zuvor der Welterbekonvention beigetreten war, obwohl im Lande selbst die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, etwa durch ein Denkmalschutzgesetz, noch nicht gegeben waren.
Bekanntlich ist die UNESCO-Konvention zum Schutz des Natur- und Kulturerbes der Welt die erfolgreichste von allen, die je von kulturellen Tochterorganisationen der UNO verabschiedet wurden. Völlig neuartig war bei ihrer Formulierung 1972 die Idee des gemeinsamen Schutzes von Natur und Kultur aus der Erkenntnis heraus, dass beide in ihrer Wechselbeziehung zunehmend unter einer und derselben Umweltzerstörung gigantischen Ausmaßes zu leiden haben. Nachdem die ersten Länder die Konvention unterzeichnet hatten – inzwischen sind es weit über hundert -, konnte 1975 das Welterbekomitee der UNESCO seine Arbeit aufnehmen und die ersten Denkmäler von weltweiter Bedeutung in seine Welterbeliste aufnehmen. Diese Liste umfasst derzeit weit über 600 Positionen, davon etwa ein Drittel Natur- und zwei Drittel Kulturdenkmäler. Finanzielle Vorteile sind mit der Aufnahme in die Liste nicht verbunden, denn mit der Unterzeichnung der Konvention verpflichtet sich jedes Land, selber für Schutz und Pflege seiner Welterbedenkmäler aufzukommen. Gleichwohl wurde seitens der UNESCO ein Fonds für Dringlichkeitsmaßnahmen an „gefährdeten“ Denkmälern eingerichtet, während die „akut gefährdeten“ Objekte in eine sogenannte „Rote Liste“ aufgenommen wurden.
Nach der Unterzeichnung der Welterbekonvention hatte die rumänische Regierung ihre Nationalkommission für Denkmäler, Ensembles und historische Stätten beauftragt, eine Vorschlagsliste mit rumänischen Kulturdenkmälern von internationaler Bedeutung aufzustellen. Unter den 15 Vorschlägen fungierten auch die Kirchenburg von Birthälm und die Altstadt von Schäßburg. Eine erweiterte bzw. aktualisierte Fassung dieser Vorschlagsliste in Form wissenschaftlicher Beiträge ist übrigens Ende 1995 in Band XIV der Reihe Hefte des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS unter dem Titel „Denkmäler Rumäniens“ in München veröffentlicht worden. Als Herausgeber zeichnete der Verfasser dieser Zeilen.
Die Aufnahme Birthälms in die Welterbeliste sollte sehr bald zu massiven Interventionen von Vertretern des DFDR und auch der siebenbürgischen Landeskirche bei der rumänischen Regierung und bei der deutschen Botschaft in Bukarest führen, da mit Birthälm allein die große Zahl der Wehrkirchen Siebenbürgens auf Weltebene nicht genügend repräsentiert sei. Der damalige Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, Dr. Anton Roßbach, wandte sich daraufhin an den Vorsitzenden des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates mit der Bitte um Beistand und Beratung, war doch gerade die von der Bundesregierung finanzierte flächendeckende Erfassung der sächsischen Siedlungen Siebenbürgens als Projekt des Kulturrates in vollem Gange.
Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im internationalen Denkmalschutz, gesammelt im Rahmen von ICOMOS, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege und alleinigen Fachberater der UNESCO für die Welterbeliste, konnte der Verfasser dieser Zeilen gemeinsam mit rumänischen Fachkollegen kurzfristig eine Vorschlagsliste mit Ergänzungen für die Position „Birthälm“ aufstellen, die mit der rumänischen Nationalkommission für Denkmalpflege und der rumänischen UNESCO-Kommission abgestimmt wurde. Auch wurde den rumänischen Kollegen zugesagt, für die erforderliche Dokumentation der ergänzenden Nominierungen die Ergebnisse des genannten, vom Kulturrat durchgeführten Projekts – Luftbilder, Bauaufmaße u.a. – zur Verfügung zu stellen. Die ergänzenden Vorschläge sind zudem mit dem DFDR und der Landeskirche noch 1994 abgestimmt worden. Trotzdem sollte es noch Jahre dauern, bis unter Federführung der heutigen Regierung in Bukarest die Dossiers zur Ergänzung der Position „Birthälm“ und zur Altstadt von Schäßburg (neben den Holzkirchen der Maramuresch und den Festungen der Dakerzeit um Sarmisegetuza) 1997 und 1998 unter konkreter Mithilfe seitens der Mitarbeiter des Kulturrates in Gundelsheim erstellt werden konnten, um rechtzeitig 1998 beim Sitz der UNESCO in Paris zur Begutachtung vorzuliegen und im Dezember 1999 während der Sitzung des Welterbekomitees in Rabat beschieden zu werden.
Mit der Einbeziehung der Wehrkirche von Ders (Dirjiu) in die Ergänzungsvorschläge zu Birthälm, d.h. mit der zusätzlichen Dokumentation der „gesamten Familie“ won Wehrkirchen in Siebenbürgen, folgte das rumänische Kulturministerium einer Anregung des Welterbekomitees, die bereits im Dezember 1995 in Potsdam ausgesprochen worden war. Bei dieser Gelegenheit war gleichzeitig suggeriert worden, nicht weitere kirchliche Wehranlagen vorzuschlagen, dafür aber die jeweiligen historischen Dorfanlagen als Beispiele ländlich-bäuerlicher Kultur in Siebenbürgens einzubeziehen. Dieser Anregung ist bei der Auswahl ebenso Rechnung getragen worden wie auch folgenden Gesichtspunkten: zum einen der Berücksichtigung unterschiedlicher Siedlungsgebiete der Siebenbürger Sachsen, zum anderen der typenmäßig bedingten baulichen Unterschiede, um auf diese Weise eine möglichst repräsentative Auswahl des Formenreichtums an Kirchenbefestigungen dokumentieren zu können.
So ist Kelling im Unterwald die einzige in Siebenbürgen erhaltene Wehranlage einer Graefenfamilie, mit Wohnturm, Kapelle, Torturm und Bering, 1269 im Besitz des Chyl von Kelling erstmals erwähnt, 1430 durch die Dorfbewohner von der Familie erworben und als Kirchenburg ausgebaut. Wurmloch ist eines der markantesten Beispiele für die Wehrbarmachung eine Kirche (ausgehendes 13. Jahrhundert) mit Wehrgeschossen über dem gesamten Kirchengebäude, insbesondere den vier Geschossen über dem Chor, und gut erhaltenem Bering. In Keisd begegnen wir einem der wenigen Beispiele eines nach Abbruch des romanischen Vorgängerbaus im Jahre 1493 als Wehrkirche komplett neu errichteten Bauwerks, während auf der westlich davon liegenden Anhöhe die Ruinen der bäuerlichen Fliehburg erhalten sind, die auch benachbarten Gemeinden bei Gefahr als Zuflucht diente. Deutschweißkirch ist ein typisches Beispiel für die Wehrbarmachung von Kirchen in Siebenbürgen am Ende des 15. Jahrhunderts unter Ausnutzung des bereits während der Besiedlung als strategisch vorteilhaft erkannten Standorts, mit doppeltem Bering, Türmen und Torturm sowie dem überdachten Wehrgang des inneren Berings als Gadenersatz. Tartlau schließlich ist wegen seiner Lage in der Ebene wohl die mächtigste Befestigungsanlage Siebenbürgens, mit außergewöhnlichem kreisförmigem Grundriss um die frühgotische Kreuzkirche (13. Jahrhundert), mit drei- bis viergeschossig gemauerten Gaden und Vorwerken aus dem 16./17. Jahrhundert, unter Einfluss des damaligen „offiziellen“ Festungsbaus errichtet.
Alle diese Ortschaften bewahren das traditionelle, von der ursprünglichen Anlage als Straßendorf geprägte Ortsbild mit der Reihung der Gehöfte und wenigen neuzeitlichen Veränderungen. Für ihre dokumentarische Darstellung sind die Ergebnisse des Dokumentationsprojektes, die in Gundelsheim archiviert werden, zur Verfügung gestellt worden. Vor der Aufnahme in die Welterbeliste mussten vom rumänischen Kulturministerium sogenannte „Management-Pläne“ für Schutz und Pflege des gesamten Ortes erstellt werden. Auch für Birthälm war die Dokumentation des Gesamtorts, einschließlich der prägenden kulturlandschaftlichen Elemente der Umgebung, erforderlich.
Die Wehranlagen selbst sind größtenteils in gutem Zustand oder „in guten Händen“: In Kelling hat die Klausenburger Stiftung „Ars Transilvaniae“ die Kirchenburg übernommen und richtet dort zur Zeit ein wissenschaftliches Dokumentationszentrum für siebenbürgische Denkmalpflege ein, nachdem bereits 1995 ein Kooperationsabkommen mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat unterzeichnet worden ist. Tartlau ist aus Mitteln der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, München, restauriert worden, die auch für Instandsetzungsmaßnahmen in Wurmloch Mittel zur Verfügung gestellt hat. Für Keisd und Deutschweißkirch sind die dringend erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an den Kirchenburgen auf dem Projektwege bereits durch den rumänischen Staat vorbereitet, wobei Deutschweißkich mit Großschenk, Birthälm und Meschen zu den vier Ortschaften gehört, die über ein Projekt der Weltbank in Washington auf Möglichkeiten der Revitalisiserung hin untersucht worden sind.
Die Altstadt von Schäßburg, als Beispiel einer siebenbürgisch-sächsischen Acker-Bürger-Stadt und schon auf der ersten Vorschlagsliste von 1991 enthalten, bedarf keiner besonderer Vorstellung. Das Welterbedenkmal umfasst hier natürlich nicht nur die Burg, also die Oberstadt, sondern auch sämtliche historischen Bereiche der Unterstadt, einschließlich der durch die Systematisierungspolitik Ceausescus entstandene Baulücke im Bereich der Mühlgasse. Dank der Aufnahme in die Welterbeliste kann hier nunmehr erfolgreich verhindert werden, das Stadtbild weiterhin durch unpassende Betonbauten zu verschandeln. Für die Erstellung der Dokumentation zu Schäßburg konnte auf die Unterlagen des rumänischen Ministeriums für Öffentliche Arbeiten zurückgegriffen werden, das bereits 1994 für das historische Stadtgebiet – modellhaft für Rumänien – einen Denkmalschutzbereich erarbeitet und ausgewiesen hatte. Bekanntlich sind die von der Messerschmitt Stiftung in München finanzierten Instandsetzungsarbeiten an der Bergkirche nahezu abgeschlossen, und im Hallenlanghaus der Kirche wird zur Zeit ein Museum für kirchliche Kunst eingerichtet. Die Instandsetzungsarbeiten am „Haus mit dem Hirschgeweih“ auf dem Burgplatz, Sitz der Messerschmitt Stiftung in Schäßburg, schreiten voran, und weitere Projekte wie die statische Sicherung des Zinngießerturms sind bereits vorbereitet. Für die Sanierung des gefährdeten „Stundturms“, Wahrzeichen der Stadt, hat die weltweit operierende Getty-Stiftung in Los Angeles Unterstützung zugesagt.
Aus fachlicher Sicht können wir Siebenbürger Sachsen mit der Aufnahme dieser Kulturdenkmäler in die Welterbeliste der UNESCO durchaus zufrieden sein. Zu den eingegangenen Verpflichtungen, für Schutz und Pflege dieser Denkmäler aufzukommen, wird der rumänische Staat zweifellos stehen, doch wird auch weiterhin jede Hilfe unsererseits willkommen sein, vorausgesetzt, sie wird entsprechend über die im Kulturrat zusammengefassten Organisationen koordiniert. Ob die vom rumänischen Kulturministerium angestrebte Nominierung auch der Altstadt von Hermannstadt in absehbarer Zeit vorbereitet und auch durchgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. Die bislang unternommenen Anstrengungen beginnen langsam Früchte zu tragen, und auch diese Bemühungen gilt es weiterhin zu unterstützen.

Schlagwörter: Denkmalpflege, UNESCO, Tartlau, Birthälm, Schäßburg

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