25. Juli 2006

Großer Coup mit politischem Kabarett

Vor mehr als zwei Jahre haben die Brüder Mark und Tristan Schuschnig aus Hermannstadt das "Figurentheater am Burgtor" in Rothenburg ob der Tauber übernommen. Die vor mehr als einem halben Jahrhundert von dem international bekannten Puppenspieler Rolf Trexler gegründete Institution hatte in den letzten Jahren ein Schattendasein geführt. Nun weht ein frischer Wind in der denkmalgeschützten, zum Theater umgebauten Scheune. Neben den amerikanischen und japanischen Touristen setzt das Theater verstärkt wieder auf deutsche Besucher.
Eine Puppen-Revue, die beinahe vierzig Jahre auf dem Spielplan stand, musste dem neuen Spielplan weichen. Die erste große Eigeninszenierung war Mozarts "Zauberflöte", die bereits über 150 Mal aufgeführt werden konnte. In diesem Frühjahr ist den Betreibern des Figurentheaters mit "Die Nibelungen", als politisches Kabarett, ein großer Coup gelungen.

Die Handlung ist hochaktuell. Nach einer für alle Parteien unbefriedigend verlaufenen Wahl sieht man sich gezwungen, aufeinander zuzugehen, miteinander zu sprechen. Es wird eine überparteiliche Gruppentherapie verordnet, die Kontakte herstellen und Zusammenarbeit ermöglichen soll. Was könnte die "neuen Beziehungen" besser fördern als das Theater? Also spielt man zusammen: "Die Nibelungen". Auf dieses Stück einigt man sich im Kompromiss. Und nun verwandeln sich unsere prominenten Politiker in die Figuren der Sage: Von der Bundeskanzlerin Angela Merkel (als Krimhild) über ihren Stellvertreter Franz Müntefering (Hagen) bis zu den Vertretern der Opposition (u. a. Gregor Gysi als Hildebrand) schlüpfen die Politiker in eine neue Identität. Nur einen strahlenden Helden, der den Siegfried spielen soll, kann man nicht ausmachen. Also wird kurzerhand Arnold aus Kalifornien eingeflogen, der hat ja schon eine ziemliche Routine in dem Fach.

Politprominenz beim Rollenspiel: König Gunther, Hagen und Hildebrand in
Politprominenz beim Rollenspiel: König Gunther, Hagen und Hildebrand in "Die Nibelungen" im "Figurentheater am Burgtor" in Rothenburg ob der Tauber.

Aktuelle Anspielungen ziehen sich durch die ganze Aufführung. So erklärt Altbundeskanzler Schröder, dass er, wenn er den Siegfried spielen dürfe, bereit sei, seine Haare leicht zu tönen; worauf ihm sein ehemaliger Freund und Gegenspieler lakonisch antwortet: "Den kriegen Sie nicht! Sie spielen überhaupt keine Rolle mehr!" - Die Amme erinnert sich an ihre ehemaligen Liebhaber: "Sie waren weiß und schwarz und braun, / fürwahr vielseitig anzuschaun / und von verschiednem Temperament / was man so multikulti nennt!" Die flotten Verse beflügeln die Aufführung, die so gar nichts Provinzielles hat und eigentlich nach München oder Berlin gehört. Die von der ehemaligen Hermannstädter Schauspielerin Beatrice Gutt gestalteten Puppen tragen karikaturistische Züge. Sie agieren auf fünf verschiedenen Bühnen, was der Aufführung Rhythmus verschafft. Zudem werden die verschiedensten Varianten des Figurentheaters verwendet: Handpuppen, Stabpuppen, Miniaturenfiguren à la Playmobil, Schattenspiel etc. Gesangliche Einlagen von Filmmusik und Schlagern bis hin zu den Beatles oder der DDR-Hymne lockern die Handlung auf. Wer einen heiteren, beschwingten Abend erleben möchte, sollte an Rothenburg ob der Tauber nicht vorbeifahren.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2006, Seite 6)

Schlagwörter: Theater

Bewerten:

2 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.