7. August 2006

Eine bilderfüllte Welt: Helfried Weiß zum 95. Geburtstag

Der schöpferische Genius, der Helfried Weiß beseelt, ist eine Konstante seines reichen Schaffens. Als Grafiker und Maler hat er seit seiner ersten Einzelausstellung 1934 im Salonul Oficial in Bukarest mehr und mehr Beachtung gefunden: Er hat seinen festen Platz in der von Turbulenzen durcheinander gewirbelten Kunstentwicklung der letzten 70 Jahre.
Mit der Vielfalt seiner Ausdrucksmöglichkeiten, der Beherrschung aller Techniken, versucht er jeder neu aufscheinenden Vision das Gültige in Form und Inhalt zu geben. Die Intuition, mit der er jedes Sujet in seiner Art erfasst, gibt seinen Bildern etwas Selbstverständliches, nichts ist gekünstelt, manches scheint man wiederzuerkennen, da es vertraut anmutet. Das gilt zunächst und primär für sein frühes Schaffen, das geprägt war von den strengen Formen seiner Holzschnitte. Unverwechselbar sind seine monumental erschauten Kirchenburgen; zutiefst ergreifend seine Illustrationen zu siebenbürgischen Balladen. Helfried Weiß schien mit seinen Schwarzweiß-Holzschnitten so festgelegt, dass ihm die spielerische, leuchtende Leichtigkeit des Aquarells, der Palette der Farben, nicht zugeschrieben wurde. Aber es war ja von Anfang an alles da!

Helfried Weiß beim Malen, Mai 2001. Foto: Ortwin G. Weiß
Helfried Weiß beim Malen, Mai 2001. Foto: Ortwin G. Weiß
Am 8. August 1911 wurde Helfried Weiß in Kronstadt geboren, Vater der Gymnasialprofessor Eduard Weiß, Mutter Alice, geborene Schmidt. 1929 Bakkalaureat am Honterusgymnasium, wo er von seinem Lehrer, dem Maler Heinrich Schunn, entscheidend gefördert wurde. 1929-1931 an der Kunstakademie Klausenburg, 1931-1932 Académie „Julian“, Paris, bei Professor Bergère, 1932-1934 Kunstakademie Bukarest, 1935 Militärdienst bei der Artillerie in Kronstadt, 1936-1937 Abschluss der Studienzeit bei dem legendären Bildhauer Professor Josef Henselmann an der Akademie für Angewandte Kunst in München. Ab 1937 Beginn der Berufstätigkeit als Zeichenlehrer/Kunsterzieher am Gymnasium in Tarutino in Bessarabien. Dieses „Gerüst“ des Lebenslaufs von Helfried Weiß erfordert zwischendurch einige „Arabesken“ als Farbtupfer.

Arabesken

Tarutino: Der Gegensatz zum bisher Erlebten konnte nicht größer sein! Kronstadt mit seinen Türmen und Toren, mit der hoch aufragenden Schwarzen Kirche, mit der einzigartigen Berglandschaft – da war er daheim. Sein kleines Atelier, in der Mansarde seines Elternhauses in der oberen Burggasse, war sein „Domizil“. Daran fügt sich, auch heute noch, eine sonnige Terrasse, die den Blick auf die Zinne freigibt. Die Stationen vor Tarutino: Paris, Bukarest, München waren randvoll mit Impressionen und Arbeit erfüllt. Via Paris war er nicht auf dem kürzesten Weg, sondern auf der Route Venedig, Triest, Padua, Mailand, wo es das meiste zu besichtigen gab, gereist. In Paris wohnte er mit dem besten Freund, Hans Meschendörfer (1911-2000), im Quartier Latin, auf dem Boulevard Saint Michel, ganz in der Nähe der Académie Julian. Heute noch ist es erheiternd zu hören, wie sie ihren „Haushalt“ führten. Helfried Weiß fragte sich in Tarutino, ob es richtig war auf einem „Abstellgleis“, als Zeichenlehrer, den Sinn des Lebens zu suchen. Was ihn hielt, war die lernbegierige Anhänglichkeit seiner Knabenklassen, die ihm folgten und zujubelten.

Ernst des Lebens

Der Zweite Weltkrieg zog einen Schlussstrich. 1940-1944 war Helfried Weiß als Kriegsberichterstatter an der Ostfront im Südabschnitt: Krim, Stalingrad, Kaukasus. Die Eindrücke, die er dort empfing, hat sein phänomenales visuelles Gedächtnis gespeichert, so dass er sie noch vierzig Jahre später in aller Unmittelbarkeit in Zeichnungen oder Pastellbildern wiedergeben konnte. Der nie zu ergründende militärische Nonsens verfügte seine Abberufung aus den Kämpfen um Stalingrad, kurz bevor die deutschen und rumänischen Truppen dort eingekesselt wurden. Während der Frontdienstunterbrechung und nach Kriegsende konnte er, 1943-1948, am deutschen Gymnasium in Bukarest unterrichten.
Helfried Weiß: Der weiße Sperling, 1971, Mischtechnik, 50x56 cm.
Helfried Weiß: Der weiße Sperling, 1971, Mischtechnik, 50x56 cm.

Heirat mit Alrune, geborene John, und die Geburt seiner drei Söhne Helfried (1943), Ingmar (1948) und Ortwin Gerald (1953) geben der Familie in Kronstadt wieder Halt. Aber die Freiheit ist unter der Diktatur in Rumänien verloren. Helfried Weiß ist ohne Konzessionen im Künstlerischen, dem Ethos des Humanen verpflichtet, seinen Weg gegangen. Er hat sich nie verbiegen lassen! Seine Kompetenz, Integrität und Fairness brachten ihm im Künstlerverband und als Juror alle Achtung ein. Dabei trat er bewusst auch aus der „Norm“ heraus. Dem Weggefährten Hans Mattis-Teutsch (1884-1960), dessen Kunst „von Amts wegen“ unerwünscht war, hat er bei der Beerdigung auf dem Martinsberger Friedhof in Kronstadt die Grabrede gehalten – in deutscher Sprache, den Protesten einiger Funktionäre zum Trotz.

Der weiße Sperling

1971 ist ihm ein weißer Sperling, in Kronstadt selten, in den Garten geflogen, ließ sich nicht vertreiben, blieb auch in den Händen von Helfried Weiß ohne Scheu, bis dieser ihn hoch in die Luft warf, ihm nachrufend: „Flieg in die Freiheit, kleiner weißer Spatz!“ Helfried Weiß hat diese anrührende Begebenheit zum Thema eines seiner schönsten, persönlichen Bilder gemacht: ein Maler, mit Anstreicher-Papiertschako, wirft den weißen Sperling in die Luft. 17 Jahre später, 1988, konnte Helfried Weiß ausreisen. Er lebt heute in Röhrmoos bei München, im Dachauer Malerwinkel, und das Leuchten seiner Farben ist noch nicht erloschen.

Hermann W. Schlandt


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 10. August 2006, Seite 7)

Schlagwörter: Jubiläum, Malerei

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