27. Dezember 2006

Heinz Otto Singer: Heimatliches in neuer Verkleidung

Unter den Dichtern unserer Zeit ist Heinz Otto Singer noch ein Unbekannter. Gedauert hat es gleichsam ein ganzes Leben, bis so viele Verse verschiedenster Art beisammen waren, dass ein richtig rundes Bändchen daraus geworden ist, fast 300 Seiten stark. Und weil es halt so sehr zum Bilde drängte, wurde es noch mit Illustrationen von Wieland Sternagel versehen, einem Künstler mit Einfühlungsvermögen und subtilem Witz, wie mancher ihn sich wünschen würde, der seine Rede in die Sichtbarkeit erweitern möchte.
Heinz Otto Singer, geboren am 26. Februar 1931, ist mit Leib und Seele Kronstädter. Nach seinem Weggang aus seiner Vaterstadt und seiner Übersiedlung nach Deutschland ist er es nicht minder geblieben. Dichten hatte mit seinem Beruf als Techniker nichts zu tun. Dichten ist für ihn eher heimliche Berufung.

So originell und unverbildet wie bei Singer geht es in unserer von gelernten Germanisten bevölkerten literarischen Welt niemals zu. Zwar beginnt es auch bei Heinz Otto Singer mit Sinnigem à la „Pastorale“ oder „Die Birke“, aber schon mit „Der Zaun“ schickt der - in diesem Falle hölzerne - Gegenstand sich an, sein Eigenleben zu entfalten und ähnlich anderen Gegenständen (oder manchmal auch Tieren) nach Menschenart über sich selbst hinauszuwachsen.


Humor ist es aber vor allem, was Singers Verse durchzieht und trägt, und seine selbstironische Variante gebiert wie von selbst die Figur des „Heinz Otto“, die dem zweiten Teil des Buches Namen und Gestalt gibt. Bis wir aber dorthin gelangen, ergötzen wir uns noch an solchen Versgebilden wie „Der Kleptomane“, „Der Kuckuck“, „Puppenkopf aus Porzellan“ oder „Der Fünfbeinstuhl“, vielleicht auch noch an „Zwischen Skylla und Charybdis“ (wie andernorts lässt sich auch hier ablesen, dass der Autor das Kronstädter Honterusgymnasium zu einer Zeit besuchte, als Latein dort noch Pflichtfach war und nicht Russisch).

Es dauert dann nicht mehr lange und „Der Fußpilz“ tritt auf als ein souveränes Wesen, das in Hallenbädern über das Wohl und Wehe naiver Geh- und Steh-Gliedmaßen die Herrschaft gewinnt. Und überhaupt nicht steht diesem Fußpilz der „Betablocker“ nach, der „auf einem Gallenstein statt (einem) Hocker“ hockt und des Reimes wegen „betablockt“. Er ist Anlass und Anstoß zu einer richtigen Ballade, die nur noch durch die wortwitzige Betrachtung unter dem Titel „Der Elefant“ und die Quasi-Ballade „Die Lurelei“ beinahe überboten wird. Der „Heinz Otto“-Teil des Buches ist ein Kapitel für sich. Man sehe sich dort besonders die Titel „Malaise“, „Im Lichtspielhaus“, unbedingt auch „Der Bio-Wahn“, schließlich noch die „Party-Splitter“ und, nicht zu vergessen, die dazugehörigen Illustrationen an. Sicher kommt man bei alledem auf seine Kosten und kann sich über das Heimatliche in neuer Verkleidung, was diesen Autor auszeichnet, ausgiebig freuen.

Dieter Roth

Heinz Otto Singer: „Rhythmische Gedanken. Gesammelte Gedichte in zwei Teilen“, mit Illustrationen von Wieland Sternagel, 272 Seiten. Preis: 15 Euro zzgl. Porto. Zu beziehen bei Heinz Otto Singer, 86974 Apfeldorf, Annenberg 1.

Schlagwörter: Rezension, Gedichtband

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