26. April 2008

Reinhardt Schuster: Stationen einer Monumentalarbeit in Düsseldorf

In Düsseldorf wurden am 12. April zwei Wandbilder des Malers Reinhardt Schuster an den Wänden des Hochbunkers, Aachener Straße 39, der Öffentlichkeit präsentiert. Mit den Maßen von zweimal 3,25 x 15 Metern sind es wohl die größten und thematisch komplexesten malerischen Werke eines siebenbürgischen Künstlers. Ergänzend wird im Veranstaltungsraum des „Lernort-Studio“ eine Ausstellung mit Entwürfen, Studien und Bildern gezeigt, die im Laufe vieler Jahre entstanden und in die Gestaltung der Kompositionen eingeflossen sind.
In ihren Ansprachen zur Vernissage würdigten Günter Jockweg, Leiter des „Lernort Studio“, und Ludwig Petry, Vorsitzender des Fördervereins, die 19-jährige kunsterzieherische Tätigkeit von Reinhardt Schuster im „Lernort Studio“. Die Einführung des Schriftstellers und Kunstkritikers Franz Heinz zur Ausstellung und den Wandgemälden wird im Folgenden in einer gekürzten Fassung veröffentlicht.

Seit einer Reihe von Jahren bereits ist der aus Siebenbürgen stammende, heute in Bonn-Bad Godesberg ansässige Maler Reinhardt Schuster mit seiner „Wand“ in Düsseldorf-Bilk beschäftigt. Sie besteht aus zwei 3,25x15 Meter großen Längsflächen und einer sie verbindenden Decke, die künstlerisch auszugestalten sich der Künstler vorgenommen hatte.
Reinhardt Schuster: „Aggressionen“. Wandgemälde ...
Reinhardt Schuster: „Aggressionen“. Wandgemälde am Bunker (Ausschnitt), Aachener Straße 39, in Düsseldorf. Acryl- und Lackfarben. 3,25 x 15 Meter. Foto: Ivo Faber, Düsseldorf
Eine denkbar schwierige Aufgabe, die eine griffige Konzeption erforderte, ungünstige Lichtverhältnisse zu berücksichtigen hatte und auf der einen Hälfte zumindest auf den ersten Blick hinderliche Attribute wie Türen, Leuchtkörper und Kabelverkleidungen aufwies. Die gegenüberliegende Fläche lag zwar einladend wie eine große Leinwand da, war aber mit einer feinen Schotterschicht überdeckt, was die zweifache Grundierung und ein erhebliches Maß an Mehrarbeit in Aussicht stellte. Alles zusammengenommen eher abschreckende Voraussetzungen, und dennoch ging von den Bunker-Wänden in der Aachener Straße 39 eine kaum abweisbare Verlockung aus, „zumal es mir vorkam, als hätte ich mich bereits die längste Zeit auf eine solche Aufgabe zubewegt“, berichtet Schuster [...].

Es besteht baulich ein Spannungsverhältnis zwischen dem alten Schulgebäude im Hof und der zur Straße hin wuchtigen Betonmasse des Luftschutzbunkers aus dem Zweiten Weltkrieg und räumlich zwischen dem von alten Bäumen überschatteten Düsselgraben auf der einen und der quirligen Großbaustelle des neuen Einkaufszentrums am Bilker Bahnhof auf der anderen Seite. Von diesen historischen und stadtlandschaftlichen Dissonanzen umschlossen, bieten sich die Wände durchaus nicht als neutral aufzufassende und zu gestaltende künstlerische Vorlage an. Schuster erkannte ihre Herausforderung und stellte sich ihr thematisch und formell, indem er die Bunkerseite bedrohlich und dunkel gestaltete, die gegenüber liegende Stadtseite hingegen heiter und hell. Malerisch und inhaltlich sollen die unterschiedlichen Wände den Zustand der Welt wiedergeben, nicht aber auch ein Programm vermitteln. Die Sensibilität des Malers für das, was ist, versteigt sich nicht zur Belehrung und verirrt sich nicht in eine wie immer geartete Ideologie. Es ist seine erlebte, erlittene und wahrgenommene Welt, die sich, in die Wandfläche eingearbeitet, wiederfindet, nicht als Entdeckung, auch nicht als Anklage, sondern schlichtweg als zeitgebundenes künstlerisches Motiv. Schuster gestaltete in Bilk nicht ein Manifest. Auch wenn er von einem politischen Motiv ausgeht, wird das Thema im individuellen Prisma des Künstlers zerlegt, was ihn davor bewahrt, im engen Sinn politisch oder auch nur modisch zu sein, sich einer Strömung zu überlassen oder ihr auch nur nachzuhinken.
Reinhardt Schuster: „Aggressionen“. Wandgemälde ...
Reinhardt Schuster: „Aggressionen“. Wandgemälde am Bunker (Ausschnitt), Aachener Straße 39, in Düsseldorf.
In der Ausstellung im „Lernort Studio“ (bis 5. Mai) sind nun die Vorarbeiten und Parallelstücke zur „Wand“ zu sehen. Skizzen, Entwürfe und Tafelbilder weisen über das eigentliche Projekt hinaus darauf hin, wie intensiv sich der Maler Reinhardt Schuster schon immer mit dem Thema Krieg und Gewalt beschäftigt hat, auch wenn es vordergründig nicht sein Gesamtwerk bestimmt. Der eigenen Kriegsnot und Entrechtung in den Kindheitsjahren folgten Kuba-Krise, Kalter Krieg und Ceaușescus sozialistische Diktatur, die den im Kern eher unpolitischen, aber von den Ereignissen sehr wohl betroffenen Künstler nicht unberührt lassen konnten. Seine mehr oder weniger verkappten und nur selten ausgestellten Bilder zum Thema Gewalt reißen Jahrzehnte hindurch nicht ab und drängten an die Oberfläche.

„Ich wusste“, so Schuster, „dass alles nur Vorarbeiten für eine großangelegte Komposition sind.“ Noch immer hatte er ein Tafelbild im Sinn, in dem freilich das meiste von dem nicht unterzubringen war, was sich an Gestaltungselementen aufdrängte und an konkret erlebter Welt herausforderte. Er malte den „Satrap“, wo er die willkürliche Herrlichkeit des rumänischen Diktators umschrieb, dem Balkankrieg stellte er die entlarvte Wirklichkeit „An der schönen blauen Donau“ entgegen, und in einer Reihe von Schrott-Bildern prangerte er die um sich greifende Wiederbelebung alter Rüstungsbegehrlichkeiten an.

Schuster behandelt Schrott als symbolträchtiges Gestaltungselement, das davor warnt, die Vergeblichkeit von gestern neu einkleiden zu wollen und das den Schrecken – als bewährtes Mittel des Schwächeren – lächerlich macht. Es ging und geht dem Künstler Reinhardt Schuster dabei weniger um das Tagesgeschehen als um das Grundsätzliche, und dafür boten sich geradezu erlösend die großflächigen Wände in der Aachener Straße an. Was hier mit grotesker Gewalt bedrohlich klirrt und detoniert wird zur Farce und, auf der gegenüberliegenden frühlingshaft heiteren Wandfläche, übertrumpft vom Spiel und vom ephemeren Glück des Schmetterlings, das Rost in den Harnisch wirft und die Unterwürfigkeit des Gleichschritts bloßstellt. Es ist nicht der heldenhafte Widerstand, der triumphiert, sondern die stets sich erneuernde Schöpfung, die humane Einsicht und das geschenkte, nicht das erworbene Glück. Denn wir sind zum Glück – wir ahnen es – eigentlich nicht fähig.

Die Bunkerwand in Bilk gewährte eine gestalterische Freiheit, die – man wird mir den Vergleich nachsehen – so bedingungslos selbst ein Michelangelo zeitlebens nie geboten bekam. So wird verständlich, was den Maler Reinhardt Schuster unermüdlich sein und bei Laune bleiben lässt, wenn es um seine „Wand" geht, obwohl deren künstlerische Aufwertung weder gefördert noch jemals sein Künstlerbrot versüßen wird.

Es ist weniger die Idee an sich, die in der Bilker „Wand“ besticht. Gut und Böse werden einander gegenüber gestellt – das ist nicht neu, muss indessen auch nicht neu begründet werden. Sämtliche Themen der Kunst bewegen sich in dem uns bekannten Raster und vermögen doch uns immer wieder von Neuem zu faszinieren, weil sie schlichtweg ewig oder, bescheidener ausgedrückt, unbewältigt geblieben sind. Sie jeweils zeitnah zu vermitteln, legitimiert erst das Kunstwerk. Die Bilker Wand erfüllt diese Forderung.

Nach sieben Arbeitsjahren nun diese Ausstellung im „Lernort Studio“ und die „Übergabe“, wenngleich es ausgemachte Sache ist, dass wir Reinhardt auch weiterhin im Arbeitskittel vor seiner „Wand“ finden werden. Abgesehen davon, dass der Decke ihre verbindende Funktion noch zu geben ist, findet Reinhardt Schuster an den beiden Seitenwänden immer wieder Stellen, die malerisch kräftiger, kompakter sein könnten, vollendet eben nach dem Auge und Willen des Meisters. Wir erkennen im Vergleich mit den im Saal ausgestellten Skizzen und Bildern in der „Wand“ manches Motiv und manchen Schrott-Ritter wieder, vordergründiger und in einen größeren Kontext hineingestellt. Der Vergleich zeigt, wie sich – nach Schuster – eine thematische Konstante im Ausdruck, in der Darstellungsweise wandelt und in der Fläche eine vertiefte Sinngebung erhalten kann.

Die frühen Bilder, die Reinhardt Schuster im „Lernort-Studio“ zeigt, weisen auf Verdichtungen hin, die vor sich gegangen sind und zugleich auf eine formale und ästhetische Kontinuität. Er spricht von einer „Rückkehr der Motive“ in seinem Werk, wie es sich selbst versteht. Das weist den Meister ja aus, im Eigenen beheimatet zu sein, sich mit seinem Werk in der Zeit darstellen zu können und nicht irgendwo anstehen zu müssen. Für den Besucher von Wand und Ausstellung in Bilk entsteht ein innerlich geführter Dialog mit dem Werk, in den der Künstler mittelbar zugeschaltet ist mit dem, was wir über ihn wissen und noch erfahren. „Mir geht es“, sagt er „um eine, wenn auch in Teilen bestehende, einheitliche Komposition, die zusammengehalten wird durch eine das Ganze durchziehende Rhythmik und kontrapunktmäßige Elemente. Das ist nur mit Hilfe einer flächenhaft aufgefassten Gestaltung zu erreichen, die die Wände als solche respektiert, ohne durch tiefenillusorische Tricks Löcher in sie zu malen.“

Was Reinhardt Schuster in der Ausstellung zur Übergabe seines Monumentalgemäldes in der Aachener Straße zeigt, ist mehr als nur eine Dokumentation zur „Wand“, wie sie sich in einer Reihe von Skizzen und Studien äußert. Das führte dazu, zahlreiche seiner Hauptwerke bis zurück in die achtziger und sogar sechziger Jahre in die Ausstellung einzubeziehen, die somit eher den Eindruck einer Retrospektive erhält, wenngleich sämtliche Bilder einen Bezug zur „Wand“ erkennen lassen. Im großen Saal des „Lernort Studio“ im Bunkerhof füllen Schusters große Tafelbilder die Wände und bezeugen, über die Dokumentation hinaus, die verschleppten Ängste der letzten Jahrzehnte, aus denen uns zu befreien nur sehr bedingt gelungen ist. Die „T-Raumstation“ – eine bereits zu Pfingsten 2007 in Dinkelsbühl gezeigte illusorische Montage von Fundstücken – nimmt auch hier die Stirnwand des Saales ein und steht, wenn auch nicht gleich als Hoffnung, so doch für die Utopie des Aufbruchs ohne Angst in einen erlösenden Zeitraum neuer Dimensionen.

Kleiner im Format, jedoch nicht weniger beachtenswert in seiner komplementären Funk-tion ist der Entwurf für die noch zu gestaltende, die beiden Seitenflächen verbindenden Decke in der Tordurchfahrt. Seine Vision mag nicht ohne Hoffnung sein, seine Welterfahrung indessen mahnt zur Wachsamkeit.

Geballter noch als im Saal begegnet uns die Drohgebärde des letzten Jahrhunderts im ehemaligen Luftschutzbunker selbst, in den der Künstler einen Teil seiner Ausstellung verlegt hat. Dem Bombengeschwader, das den Besucher gleich hinter der Türschwelle empfängt, folgen in Treppenhaus und Tiefgeschoss die zu Kampfmaschinen umprogrammierten menschlichen Gestalten und Masken, denk- und gefühlsunfähig geworden und sinnentlehrt. Aus den kalten Betonwänden wachsen metallene Relikte der einstigen Bunkerausstattung im Zweiten Weltkrieg und verstärken als zwar unvorsätzliche, jedoch expressive Assemblagen die künstlerische Absicht. Eine Treppenanlage führt den Besucher in die Enge eines Kellergeschosses, in dem die Bilder des Künstlers die Brutalität und zugleich die Atrophie der Gewalt erlebbar werden lassen.

Auf drei Ebenen somit – im Saal, im Bunker und in den Wandgemälden – lässt Schuster uns teilhaben an diesem monumentalen Werk, an seiner Vorgeschichte und Vollendung, und es ist dem Künstler anzumerken, dass er hier eine seiner besonderen Ambitionen und ein inneres Anliegen präsentiert und in die Obhut der Stadt Düsseldorf zu übergeben gewillt ist. Nicht alles, was ihn mit dieser Stadt am Rhein verbindet, ist ungetrübt. Wir wissen indessen: Auch das Unvollkommene verbindet und bindet, und nicht selten entdecken wir den wahren Freund verzögert.

Franz Heinz


Schlagwörter: Ausstellung, Düsseldorf, Künstler, Reinhardt Schuster

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