29. Mai 2008
Lebendiges Theaterleben in Zeiden
Die Zeidner Heimatortsgemeinschaft hat wieder ein beachtenswertes Buch herausgebracht. Diesmal geht es um das Laientheater in Zeiden, und der Autor Franz Buhn war selbst einer der aktivsten, begabtesten und beliebtesten Laienschauspieler. Er nennt sein Buch einfach „Das Laientheater in Zeiden“. Im Untertitel erfahren wir, dass es „Dokumente, Erinnerungen und Aufzeichnungen aus 100 Jahren“ enthält.
Das Buch ist in der Reihe der „Zeidner Denkwürdigkeiten“ erschienen und im Auftrag der Zeidner Nachbarschaft von Georg Aescht, Udo Buhn und Helmuth Mieskes herausgegeben. Unser Altnachbarvater Balduin Herter hat den Entstehungsprozess beratend begleitet. Das Buch gliedert sich in drei Teile, von denen die ersten zwei dem Theaterspielen und der dritte den Persönlichkeiten aus dem Theaterumfeld gewidmet sind.
Teil eins zerfällt in vier Unterabteilungen, die in chronologischer Reihenfolge die Theateraktivität bis zum Zweiten Weltkrieg beleuchten. Von den „Anfängen“ (1896 – 1919), wo schon etwa 20 Theateraufführungen angegeben sind, bemerken wir eine Steigerung in den „Goldenen Zwanzigern“ (etwa 30 Stücke), zu den „Dreißiger Jahren“ (etwa 40 Stücke) und dann den Abfall in den Vierzigern, da finden wir unter dem Titel „Den Krieg vor der Tür“ noch vier Stücke aufgelistet.
Den zweiten Teil unterteilt der Autor in „Neuanfang unter schwierigen Bedingungen“ (1947 – 1957) und „Die Neuorientierung“ (1959 –1979), dazu bringt er noch zwei Übersichten: „Theaterspielen mit Kindern“ und „Letzte Spiele vor der Aussiedlung“, die Jugendtheatergruppe in den 80er Jahren.
Wie stellt Franz Buhn es nun an, dass das Buch nicht als trockene Aufzählung daherkommt, sondern unterhaltsam und ansprechend wirkt? Er hat nicht nur die Original-Ankündigungen, Einladungen, Plakate, Rollenbesetzungen, Proben von Handschriften und Bilder – so weit vorhanden – aufgenommen, sondern die Textbücher ausfindig gemacht, die Texte selber gelesen und den Inhalt zusammengefasst wiedergegeben, oder die Lehrerinnen, die in Zeiden das Fach Deutsch unterrichtet haben, zu diesem Zweck herangezogen. So findet der interessierte Leser Inhaltsangaben vor, die auch schon den Ansatz einer Analyse enthalten und dazu angetan sind, einst Erlebtes wieder lebendig zu machen. Diese Theaterstücke aufzutreiben war oft sehr kompliziert. Was jeden Leser interessieren wird, sind die Stimmen der Kritik, die im Wortlaut übernommen werden. Die ersten betreffen zwei Zeidner Autoren und die Aufführung ihrer Stücke: Pfarrer Johann Leonhardt und unseren Bauerndichter Michael Königes. Aus der „Kronstädter Zeitung“ Nr. 56 und 57/1902 werden lobende Worte über Leonhardts Stück und die Aufführung der Zeidner zitiert, und im „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt“ wird über das Stück von Michael Königes „Gewalt und Recht“ gesagt, dass es eine Talentprobe sei, „die jeden zwingt, den Dichter ernst zu nehmen“.
Was uns bei aufmerksamem Lesen auffallen kann: Ende der 20er Jahre ist von einem neuen Einfluss, der aus Deutschland kommt, die Rede, auch von der neuen Jugendbewegung. In den 30er Jahren häufen sich Vokabeln, wie „völkisch, deutsch, deutsche Ordnung, Volksgenossen“. Es sind die Gedanken der Nazizeit, die mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck kommen.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (die Stücke des zweiten Teiles) klingt es ganz anders. Das Wort deutsch kommt höchstens als Attribut zu Sprache vor (spectacol in limba germană). Von den Kulturschaffenden wird erwartet, dass sie die neue Gesellschaftsordnung stützen, den neuen, den „sozialistischen“ Menschen erziehen. In den Beiträgen von Georg Scherg (S. 114, 115), Hans Kehrer (S. 139) und Franz Buhn (S. 136, 137) erfahren wir von der Not der Verantwortlichen für die deutsche Kulturarbeit. Was durfte man, was wollte man spielen? Eigentlich sollte man die Stücke nur dem „kulturellen Wegweiser“ (später „Volk und Kultur“) entnehmen, und doch hat man auch weiterhin Nestroy und Anzengruber, Kleist und Goethe gespielt und das Möglichste getan, dass die Laienspieler Lust am Spielen und die Zuschauer Lust am Zuschauen haben.
Was tut man nun, wenn man begründen muss, warum man ein Stück aufführen will, oder wenn man eine Aufführung bespricht? In den Besprechungen der Stücke betont man jetzt zum Beispiel, dass sie klassisch sind (also von keinem faschistischen Gedanken infiziert sein können), dass sie die Schwächen des Adels oder des Bürgertums „entlarven“, dass der reiche Bauer der moralisch Unterlegene ist, denn Klassenkampf ist angesagt, und nur die Arbeiterklasse und das Landproletariat, später der Kollektivbauer können positive Helden sein. Der findige Spielleiter fand immer eine Begründung, wenn es hieß, ob das Stück für die neue Zeit tauge.
So wie die Sprache und die Theatergeschichte gleichzeitig Zeit- und Kulturgeschichte widerspiegeln, so tun dies auch alle Einladungen, Plakate, Buchtitel, Fotos, die im Buch enthalten sind. Wir erfahren aus den Einladungen auch über Sport- und Musikveranstaltungen, Vorträge (z.B. über Heinrich Zillich, S. 60), über die Vereine, die vor dem Krieg die Kulturträger waren. In einem Bericht heißt es, der Saal war mit 15 Vereinsfahnen geschmückt. Der Feuerwehrverein führte alljährlich zu Ostern ein ernstes Stück auf, der Frauenverein im Wechsel mit den rumänischen Frauen ein heiteres Stück am zweiten Weihnachtstag, wir lesen von Bällen des Männerchors, denen eine Aufführung vorausging, vom Turnerball, vom Teeabend der evangelischen Frauen, von Jugendadventsaufführungen usw. usf.
Aber auch einfache Formelemente verraten etwas über die Zeit. Die reich verzierten, schön gedruckten Plakate entstammen einer anderen Zeit als die vor dem Krieg einfach auf der Schreibmaschine getippte, magere Einladung. Und nach dem Krieg? Zunächst hat man ganz auf Plakate verzichtet und nur für die Nachbarschaft im Hof gespielt, den Eintritt durfte man in Naturalien (z.B. Eiern) bezahlen. Man verlegte dann die Aufführungen in die Schule, in die Kirche. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, bald gab es wieder abendfüllende Theatervorstellungen, man trat als „Măgura-Ensemble“ auf und hatte alsbald Möglichkeiten, Plakate zu drucken und ganze Formationen von Laienspielern, Sängern und Tänzern auf die Bühne zu bringen. „Măgura Codlea“ war ein großes Holzverarbeitungswerk, das noch Geld für Kultur zur Verfügung hatte, und wir können annehmen, dass die Leitung des Werks uns Sachsen damals gut gesinnt war. So wurde unter der Führung des Dirigenten und Komponisten Norbert Petri die Operette „Die Landstreicher“ von Ziehrer aufgeführt, mit einer Vielzahl von Laienspielern, Sängern (man holte sich Verstärkung aus Weidenbach) und Tänzern. Und – man staune – auf dem Plakat lesen wir: Spielleitung Mișu Fotino, verdienter Künstler des Volkes! Und das 1957!
Dass die Persönlichkeiten, die das Laientheater in Zeiden gefördert haben, nicht nur genannt werden, sondern auch eine Darstellung ihres Lebens und ihrer Leistung aufgenommen wird, ist uns wichtig. Sie sind im dritten und letzten Teil des Buches enthalten. Es wird sich mancher interessiert in Zeidens Vergangenheit vertiefen, denn das Theaterbuch ist gleichzeitig ein Bilderbuch, ein Lesebuch und ein Erinnerungsbuch geworden. Wir danken Franz Buhn, dass er diese Riesenarbeit auf seine Schultern geladen hat, dass er die Kraft und Konsequenz aufgebracht hat, den Zeidnern die Beiträge, die Bilder, die Erinnerungen abzuverlangen, dass er selbst geduldig recherchiert und auch dann nicht aufgegeben hat, als es hieß: Jetzt noch einmal von Anfang, es muss überarbeitet werden. Die Arbeit hat sich gelohnt.
Teil eins zerfällt in vier Unterabteilungen, die in chronologischer Reihenfolge die Theateraktivität bis zum Zweiten Weltkrieg beleuchten. Von den „Anfängen“ (1896 – 1919), wo schon etwa 20 Theateraufführungen angegeben sind, bemerken wir eine Steigerung in den „Goldenen Zwanzigern“ (etwa 30 Stücke), zu den „Dreißiger Jahren“ (etwa 40 Stücke) und dann den Abfall in den Vierzigern, da finden wir unter dem Titel „Den Krieg vor der Tür“ noch vier Stücke aufgelistet.
Den zweiten Teil unterteilt der Autor in „Neuanfang unter schwierigen Bedingungen“ (1947 – 1957) und „Die Neuorientierung“ (1959 –1979), dazu bringt er noch zwei Übersichten: „Theaterspielen mit Kindern“ und „Letzte Spiele vor der Aussiedlung“, die Jugendtheatergruppe in den 80er Jahren.
Wie stellt Franz Buhn es nun an, dass das Buch nicht als trockene Aufzählung daherkommt, sondern unterhaltsam und ansprechend wirkt? Er hat nicht nur die Original-Ankündigungen, Einladungen, Plakate, Rollenbesetzungen, Proben von Handschriften und Bilder – so weit vorhanden – aufgenommen, sondern die Textbücher ausfindig gemacht, die Texte selber gelesen und den Inhalt zusammengefasst wiedergegeben, oder die Lehrerinnen, die in Zeiden das Fach Deutsch unterrichtet haben, zu diesem Zweck herangezogen. So findet der interessierte Leser Inhaltsangaben vor, die auch schon den Ansatz einer Analyse enthalten und dazu angetan sind, einst Erlebtes wieder lebendig zu machen. Diese Theaterstücke aufzutreiben war oft sehr kompliziert. Was jeden Leser interessieren wird, sind die Stimmen der Kritik, die im Wortlaut übernommen werden. Die ersten betreffen zwei Zeidner Autoren und die Aufführung ihrer Stücke: Pfarrer Johann Leonhardt und unseren Bauerndichter Michael Königes. Aus der „Kronstädter Zeitung“ Nr. 56 und 57/1902 werden lobende Worte über Leonhardts Stück und die Aufführung der Zeidner zitiert, und im „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt“ wird über das Stück von Michael Königes „Gewalt und Recht“ gesagt, dass es eine Talentprobe sei, „die jeden zwingt, den Dichter ernst zu nehmen“.
Was uns bei aufmerksamem Lesen auffallen kann: Ende der 20er Jahre ist von einem neuen Einfluss, der aus Deutschland kommt, die Rede, auch von der neuen Jugendbewegung. In den 30er Jahren häufen sich Vokabeln, wie „völkisch, deutsch, deutsche Ordnung, Volksgenossen“. Es sind die Gedanken der Nazizeit, die mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck kommen.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (die Stücke des zweiten Teiles) klingt es ganz anders. Das Wort deutsch kommt höchstens als Attribut zu Sprache vor (spectacol in limba germană). Von den Kulturschaffenden wird erwartet, dass sie die neue Gesellschaftsordnung stützen, den neuen, den „sozialistischen“ Menschen erziehen. In den Beiträgen von Georg Scherg (S. 114, 115), Hans Kehrer (S. 139) und Franz Buhn (S. 136, 137) erfahren wir von der Not der Verantwortlichen für die deutsche Kulturarbeit. Was durfte man, was wollte man spielen? Eigentlich sollte man die Stücke nur dem „kulturellen Wegweiser“ (später „Volk und Kultur“) entnehmen, und doch hat man auch weiterhin Nestroy und Anzengruber, Kleist und Goethe gespielt und das Möglichste getan, dass die Laienspieler Lust am Spielen und die Zuschauer Lust am Zuschauen haben.
Was tut man nun, wenn man begründen muss, warum man ein Stück aufführen will, oder wenn man eine Aufführung bespricht? In den Besprechungen der Stücke betont man jetzt zum Beispiel, dass sie klassisch sind (also von keinem faschistischen Gedanken infiziert sein können), dass sie die Schwächen des Adels oder des Bürgertums „entlarven“, dass der reiche Bauer der moralisch Unterlegene ist, denn Klassenkampf ist angesagt, und nur die Arbeiterklasse und das Landproletariat, später der Kollektivbauer können positive Helden sein. Der findige Spielleiter fand immer eine Begründung, wenn es hieß, ob das Stück für die neue Zeit tauge.
So wie die Sprache und die Theatergeschichte gleichzeitig Zeit- und Kulturgeschichte widerspiegeln, so tun dies auch alle Einladungen, Plakate, Buchtitel, Fotos, die im Buch enthalten sind. Wir erfahren aus den Einladungen auch über Sport- und Musikveranstaltungen, Vorträge (z.B. über Heinrich Zillich, S. 60), über die Vereine, die vor dem Krieg die Kulturträger waren. In einem Bericht heißt es, der Saal war mit 15 Vereinsfahnen geschmückt. Der Feuerwehrverein führte alljährlich zu Ostern ein ernstes Stück auf, der Frauenverein im Wechsel mit den rumänischen Frauen ein heiteres Stück am zweiten Weihnachtstag, wir lesen von Bällen des Männerchors, denen eine Aufführung vorausging, vom Turnerball, vom Teeabend der evangelischen Frauen, von Jugendadventsaufführungen usw. usf.
Aber auch einfache Formelemente verraten etwas über die Zeit. Die reich verzierten, schön gedruckten Plakate entstammen einer anderen Zeit als die vor dem Krieg einfach auf der Schreibmaschine getippte, magere Einladung. Und nach dem Krieg? Zunächst hat man ganz auf Plakate verzichtet und nur für die Nachbarschaft im Hof gespielt, den Eintritt durfte man in Naturalien (z.B. Eiern) bezahlen. Man verlegte dann die Aufführungen in die Schule, in die Kirche. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, bald gab es wieder abendfüllende Theatervorstellungen, man trat als „Măgura-Ensemble“ auf und hatte alsbald Möglichkeiten, Plakate zu drucken und ganze Formationen von Laienspielern, Sängern und Tänzern auf die Bühne zu bringen. „Măgura Codlea“ war ein großes Holzverarbeitungswerk, das noch Geld für Kultur zur Verfügung hatte, und wir können annehmen, dass die Leitung des Werks uns Sachsen damals gut gesinnt war. So wurde unter der Führung des Dirigenten und Komponisten Norbert Petri die Operette „Die Landstreicher“ von Ziehrer aufgeführt, mit einer Vielzahl von Laienspielern, Sängern (man holte sich Verstärkung aus Weidenbach) und Tänzern. Und – man staune – auf dem Plakat lesen wir: Spielleitung Mișu Fotino, verdienter Künstler des Volkes! Und das 1957!
Dass die Persönlichkeiten, die das Laientheater in Zeiden gefördert haben, nicht nur genannt werden, sondern auch eine Darstellung ihres Lebens und ihrer Leistung aufgenommen wird, ist uns wichtig. Sie sind im dritten und letzten Teil des Buches enthalten. Es wird sich mancher interessiert in Zeidens Vergangenheit vertiefen, denn das Theaterbuch ist gleichzeitig ein Bilderbuch, ein Lesebuch und ein Erinnerungsbuch geworden. Wir danken Franz Buhn, dass er diese Riesenarbeit auf seine Schultern geladen hat, dass er die Kraft und Konsequenz aufgebracht hat, den Zeidnern die Beiträge, die Bilder, die Erinnerungen abzuverlangen, dass er selbst geduldig recherchiert und auch dann nicht aufgegeben hat, als es hieß: Jetzt noch einmal von Anfang, es muss überarbeitet werden. Die Arbeit hat sich gelohnt.
Katharina Unberath
"Das Laientheater in Zeiden. Dokumente, Erinnerungen und Aufzeichnungen aus 100 Jahren", gesammelt und bearbeitet von Franz Buhn, herausgegeben von der Zeidner Nachbarschaft, 2007, 200 Seiten, ISBN 978-3-929848-67-0, zu bestellen zum Preis von 20,00 Euro bei Rüdiger Zell, Storchenweg 1,89257 Illertissen, Telefon: (0 73 03) 90 06 47, E-Mail: ruedigerzell [ät] web.de.
Das Laientheater in Zeiden: Dokumente, Erinnerungen, Aufzeichnungen, Bilder (Zeidner Denkwürdigkeiten)
Arbeitskreis f. Siebenbürgische Landeskde
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Schlagwörter: Rezension, Theater, Burzenland, Zeiden
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