2. Juli 2008

Ausstellung in Gundelsheim: "Kirchenraum im Wandel"

Vor zahlreichem Publikum wurde am 20. Juni im Siebenbürgischen Museum auf Schloss Horneck die Ausstellung „Kirchenraum im Wandel“ eröffnet. Die Präsentation in den beiden Räumen für Sonderausstellungen im ersten Obergeschoss ist eine Gemeinschaftsarbeit des Gundelsheimer Museums, der „Friedrich Teutsch“-Kultur- und Begegnungsstätte und der Kornwestheimer Museen. Sie wurde erstmals anlässlich des Kulturhauptstadtjahres 2007 in Hermannstadt gezeigt, anschließend in der Schwarzen Kirche in Kronstadt und zu Pfingsten 2008 beim Heimattag in Dinkelsbühl.
In ihrer Eröffnungsansprache betonte die Vorsitzende des Gundelsheimer Museumsvereins, Dr. Irmgard Sedler, dass in der Ausstellungsplanung gleich anfänglich zweigleisig gefahren worden sei. Erstens sollte, wie der Name verdeutlicht, ein Wandel in der Ausstattung der evangelischen Gotteshäuser in Siebenbürgen über Jahrhunderte hinweg bis in die Gegenwart dokumentiert und die vielschichtige Symbolik des Raumes sowie der Ausstattungsgegenstände dem Besucherpublikum anschaulich präsentiert werden. Zweitens habe man die Ausstellung zum Anlass genommen, um wertvolle kirchliche Kunstobjekte aus dem Besitz der Evangelischen Landeskirche in Siebenbürgen, wie die aus dem 16. Jahrhundert stammende Kirchentür aus Reichesdorf oder den bemalten Kanzelkorb aus Draas zu restaurieren. Nicht unbeträchtliche Geldmittel hat das Bundesland Nordrhein-Westfalen bereitgestellt. Dieser Idee folgend wurden im Teutsch-Haus und in der aktuellen Ausstellung in Gundelsheim jeweils andere restauratorisch aufbereitete Objekte für die Veranschaulichung des Wandels gezeigt.

Dr. Irmgard Sedler während der ...
Dr. Irmgard Sedler während der Eröffnungsansprache.
Auf zwölf Textfahnen unter Einbeziehung von repräsentativen Aufnahmen von Innenansichten siebenbürgisch-sächsischer Kirchen wird je ein Teilgebiet der Innenraumproblematik evangelischer Kirchen, zum Teil auch katholischer aus vorreformatorischer Zeit, erläutert. Sie stehen jeweils unter einem Bibelwort als Quintessenz dessen, was die Gestaltung der sakralen Bauten dem Gläubigen vermitteln will. „Die Erfahrung des Kircheninnern als eines heiligen Raumes, der seinen Bezug zum Jenseits, d. h. zum Göttlichen, offenbart, teilt sich dem Betrachtenden über die Architektur und die Innenausstattung eines Kirchenbaues mit. Bei christlicher Architektur und christlicher Kunst beherrscht daher der symbolische Gehalt den kultischen Zweck oder die künstlerische Absicht“, hieß es in der Eröffnungsansprache.
Neugotisches Taufbecken aus dem Harbachtal. ...
Neugotisches Taufbecken aus dem Harbachtal. Dauerleihgabe der Evangelische Kirche A.B. in Rumänien. Foto: Werner Sedler
In der Ausstellung wird dem Besucher anhand von Fragmenten der bemalten Kassettendecke aus der Kirche in Wolkendorf bei Schäßburg, die von dem Konsistorium der Ev. Landeskirche in Siebenbürgen der zentralen Museumseinrichtung in Gundelsheim als Dauerleihgabe überlassen wurde, an wertvollen, gotischen vasa sacra, kunstvoll mit lateinisch und deutschen Inschriften bestickten Vorhaltetüchern aus der Renaissance (Michelsberg), barocken Wandleuchtern, klassizistischen Liedertafeln (Nordsiebenbürgen), Altar- und Kanzelbehängen (Weinland), eines neugotischen Taufbeckens und anderer symbolbehafteter Einrichtungsstücke das über die Zeiten zu einem beeindruckenden Ganzen zusammengewachsene Kircheninnere siebenbürgischer Dorfkirchen vor Augen geführt. „Bei den historisch gewachsenen Inneneinrichtungen der evangelischen Kirchen in Siebenbürgen haben die Zeugnisse unterschiedlicher Stilrichtungen und des sich wandelenden Glaubensverständnisses zu einer unverwechselbaren Einheit zusammengefunden. Über das Bildprogramm, das bemalte Schreinermobiliar, die Inschriften und andere Memoria, wie da sind Bruderschafts- und Totengedenkfahnen und Gedenktafeln, ist dieser Kirchenraum als Versammlungsraum der Kirchengemeinde im reformatorischen Sinne ausgewiesen,“ so Dr. Sedler.

Zu sehen sind die Gedenktafel an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs und der gestorbenen Russlanddeportierten aus Werd und eine Totengedenkfahne zu Ehren der Brüder Miess aus Zied. Für den Betrachter ist noch erkennbar, dass diese älteste Fahne aus dem Zieder Gotteshaus in den achtziger Jahren und hauptsächlich nach der Auswanderung des letzten evangelischen Gemeindemitgliedes 1995 von Insekten fast vollständig zerstört wurde. Die HOG Zied ließ sie restaurieren und rettete somit ein wichtiges Zeugnis siebenbürgischer Säpulkralkultur, da sie eine im siebenbürgisch-sächsischen religiösen Volksglauben tief verankerte Stiftungspraxis veranschaulicht, die vorreformatorische Glaubensinhalte mit reformatorischen verbindet.
Der Fotograf Martin Eichler mit seiner Gattin ...
Der Fotograf Martin Eichler mit seiner Gattin Friederike bei der Ausstellungseröffnung in Gundelsheim.
Die Ausstellung will nicht nur eine Dokumentation der über Jahrhunderte sich vollzogenen Veränderungen der Kircheneinrichtungen sein, sie will die Aufmerksamkeit auf einen wichtigen Bereich materieller siebenbürgischer Sakralkultur lenken, der nur zum Teil musealisiert ist und so über die Zeiten gerettet werden kann. Sie ist zugleich ein Aufruf an alle Siebenbürger Sachsen, unabhängig davon, wo sie leben, in der Tradition Jahrhunderte lang erprobter Eigenverantwortung der sächsischen Gemeinden für ihr Gotteshaus, diese Verantwortung für die Zeugnisse kirchlichen Lebens im Karpatenbogen über die Grenzen hinweg weiter zu tragen.

Zur Eröffnung war der in München lebende Fotokünstler Martin Eichler angereist, aus dessen Besitz viele Aufnahmen dieser Ausstellung stammen. Sie sind eine beredte Dokumentation kirchlichen Lebens und noch intakter Gotteshäuser im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, Spiegelbilder eines christlichen Gemeinschaftslebens, dessen damalige Selbstverständlichkeit längst nicht mehr gegeben ist. Das Ausstellungsprojekt in der Konzeption von Dr. Irmgard Sedler und Marius Joachim Tataru unter Mitarbeit des Restauratorenteams um Prof. Dr. Livia Bucșa in Hermannstadt ist zugleich das Beispiel einer guten Zusammenarbeit zwischen den Museen in Deutschland und Siebenbürgen in der Verantwortung für das gemeinsame Kulturerbe. Die Ausstellung ist täglich (außer montags) bis Mitte September 2008 von 11-16 Uhr auf Schloss Horneck in Gundelheim zu besichtigen.

Werner Sedler

Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum, Ausstellung, Kirche

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