18. November 2008

Auftakt zu siebenbürgischer Initiative: Spuren des Geistigen

Als Veranstaltung des Centre Pompidou, Paris, ist seit kurzem im Haus der Kunst, München, eine internationale Ausstellung zu sehen, die zum ersten Mal in einem weit gespannten Rahmen das „kontinuierliche Interesse am Geistigen, an der menschlichen Erkenntnis und Empfindungsstruktur“ vorzuführen versucht. Was heute vielleicht kaum noch bekannt ist: auch herausragende siebenbürgische Künstler – obwohl hier nicht vertreten – haben sich immer wieder dieser Thematik zugewandt und Werke geschaffen mit metaphysischem Hintergrund. Die Ausstellung soll zugleich der Auftakt zu einer siebenbürgischen Initiative in München sein – einem Gesprächskreis über Kunst.
In dieser groß angelegten Ausstellung werden nun zum ersten Mal 200 repräsentative Gemälde, Skulpturen, Installationen, Fotografien, Masken, Videos und Kollagen von 120 Künstlern gezeigt, die in der Zeitspanne vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart entstanden sind. Die Palette der Arbeiten reicht von Francisco de Goyas Radierungszyklus „Die Schrecken des Krieges“ (1819-1823) und Caspar David Friedrichs „Ruinen in der Abenddämmerung“ (1831) bis zu Arbeiten von Marcel Janco, Joseph Beuys und Andreas Gursky („Kathedrale I“, 2007). Diese vielseitige Werkschau – Titel: „Spuren des Geistigen / Traces du Sacré“ – wird in 16 Kapiteln aus verschiedenen Epochen aufgefächert und umfasst Themen wie Götterdämmerung, Synkretismus, Ritual, Profanierung, Sakralkunst, Trance, Ekstase, Göttliche Ornamentik, Mythen, Schamanentum, Zen, das Jenseits des Sichtbaren u.a. Dabei soll das hinter der „sinnlich erfahrbaren, natürlichen Welt Liegende, die letzten Gründe des Seins“, bildlich dargestellt werden.
„Wahrhaftig, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ ...
„Wahrhaftig, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ Kreuzigung Christi aus der Sicht des Burzenländer Malers Eduard Morres. Ölbild, nicht datiert, 79 x 94 cm. Eduard-Morres-Stiftung, Zeiden. Foto: Konrad Klein
Es war der Philosoph Friedrich Nietzsche, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Folge seiner Aussage „Gott ist tot“ (1881/82) eine „Glaubenserschütterung“ auslöste, wonach der Soziologe Max Weber (1904) von der „Entzauberung der Welt“ sprach und damit das Verhältnis des Menschen zur Religion in mancher Hinsicht veränderte. Doch danach folgte keine generelle Abkehr der künstlerisch Schaffenden von religiösen Verhaltensweisen und Metaphysik, sondern eigentlich das Gegenteil. Denn schon wenige Jahre später schrieb Wassily Kandinsky, dass Malerei sich immer wieder „als wirklich reine Kunst in den Dienst des Göttlichen stellt“, wie man in seinem Werk „Über das Geistige in der Kunst“ (1910) nachlesen kann.

So gehört „die Fähigkeit, eine Erscheinung des Göttlichen herbeizurufen, ohne Sentimentalität, nämlich eines Säkular-Göttlichen, das in die Geschichte eingebettet ist, vorzüglich zum Beruf des Künstler“, so Jannis Kounellis in einem Eröffnungstext zur Ausstellung. Es gab und gibt auch eine Reihe von siebenbürgischen Künstlern – und auf sie möchten wir hier hinweisen –, die diesen unsichtbaren „Schatten Gottes“ in ihrem Werk sichtbar machten. Freilich ohne die Chance, dass die Empfindungsstrukturen ihrer Werke von der Umwelt verstanden und wahrgenommen wurden. So sei hier z.B. an „Die Betende“ und „Die sächsische Madonna“ von Hans Mattis-Teutsch erinnert, an die „Madonna mit Kind“ von Hermann Konnerth oder an ähnliche Arbeiten von Fritz Kimm, Hans Hermann, Eduard Morres, Adelheid Goosch und Reinhardt Schuster.

Eduard Morres, dessen künstlerisch-kreativer Synkretismus bereits in seinen frühen Federzeichnungen, wie z.B. „Wintersonne im Burzenland“ (1920) erkennbar wird, wo die Natur von einer kosmischen Kraft aufgeladen erscheint, schuf sogar Gemälde mit rein christlichem Hintergrund, wie das Altarbild in der evangelischen Kirche in Schirkanyen. Soweit bekannt, dürfte er der einzige Künstler sein, der einst bekenntnishaft sagte: „Meine Kunst ist meine Religion“, und das zu einer Zeit, als eine allgemeine Glaubenserschütterung die modernen Kunstbestrebungen un

d das Interesse am Geistigen zu lenken versuchte.
Unter den ausgestellten Werken befinden sich auch zwei Assemblagen des bekannten rumänischen Avantgardekünstlers Marcel Janco aus dem Jahr 1919, „Masque 1“ und „Masque 2“. Es sind dreidimensionale Arbeiten aus geklebten Papierstücken, Pappe, Holzfaser mit Ausbesserungen in Pastell und Gouache, die das Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris, als Leihgabe zur Verfügung gestellt hat. Hier hätten jedoch gleichberechtigt auch einige Werke von Hans Mattis-Teutsch oder Constantin Brâncuși stehen können, die sich in rumänischen Museen befinden, so z. B. eine der schönsten Skulpturen der modernen Bildhauerei, „Rugăciunea“ (Das Gebet) von Brâncuși, oder „A szász madona“ (Die sächsische Madonna) von Mattis-Teutsch, derzeit im Kunstmuseum Györ (Raab).

Es wäre wünschenswert, wenn sich einmal zu dieser Thematik, die auch als „Kunst im Dienst des Göttlichen“ bezeichnet wurde, eine ähnliche Präsentation mit siebenbürgischen bzw. rumäniendeutschen Künstlern in einer der hiesigen Galerien veranstalten ließe. Ein Vorschlag, über den man nachdenken sollte.

Die Ausstellung „Spuren des Geistigen. Traces du Sacré“, im Haus der Kunst, München, Prinzregentenstraße 1, ist bis Februar 2009 montags bis sonntags, 10-20

Uhr und donnerstags, 10-22 Uhr zu besichtigen. Claus Stephani

Gesprächskreis über Kunst: Siebenbürgische Initiative in München

Über Kunst und Künstler diskutieren – und das nach einer Ausstellung, die man zuvor besucht hat. Das will eine Veranstaltungsreihe initiieren, die am 3. Dezember 2008 beginnt, wonach man sich regelmäßig zum Gespräch und Meinungsaustausch zusammenfindet. Organisatorisch wird dieses Vorhaben von der Kreisgruppe München, Vorsitzende Heidemarie Weber, betreut; die Gesprächsrunden werden vom Schriftsteller und Kunsthistoriker Dr. Claus Stephani moderiert. Die Gesprächsinhalte sollten sich jeweils aus den Wortbeiträgen der Beteiligten ergeben. Eingeladen zu diesen offenen Begegnungen sind Kunstfreunde und solche, die es werden wollen, oder die sich mit modernen Kunstbestrebungen auseinander zu setzen versuchen.

Die erste Zusammenkunft thematisiert die sehr unterschiedlichen Kunstäußerungen in einer weit gefächerten Ausstellung: „Spuren des Geistigen / Traces du Sacré“ im Haus der Kunst München, Prinzregentenstraße 1. Es wäre wünschenswert, wenn diese vorher besichtigt würde. Die Besuchszeiten sind Montag bis Sonntag, 10-20 Uhr, und Donnerstag, 10-22 Uhr – siehe Besprechung auf dieser Seite. Was sagen uns die Werke, wie berühren sie unsere „Seele“, das „Geistige“, um so unser Denken „zu verfeinern und zu bereichern“?

Um diese und andere Themen könnten die Gespräche kreisen, wobei „diskutieren, zuhören und diskutieren“ das Motto des Dialogs sein soll. Am Mittwoch, dem 3. Dezember 2008, 19 Uhr, findet die erste Zusammenkunft der Gesprächsrunde im Haus des Deutschen Ostens, München, Am Lilienberg 5, nahe der S-Bahnstation „Rosenheimer Platz“, statt.

Schlagwörter: München, Kunst, Ausstellung

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