3. Dezember 2008

Dietfried Zink: Liebe in Zeiten der Securitate

Ein buntes Konglomerat von Lebensgeschichten, Personen und Begebenheiten rankt sich um Ernst Buchner, Ich-Erzähler, Hauptfigur des Romans und Hermannstädter wie der Autor. So viele Biographien verweben sich zu einem dichten erzählerischen Netz, dass man ab und zu eine Lesepause machen und die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander klären muss. Der Wechsel der verschiedenen Zeitebenen macht es nicht einfacher, aber wenn man den Rhythmus gefunden hat, kann man sich in die Geschichte versenken.
Die Liebe zu Mariana Banu, der Tochter des Hermannstädter Securitate-Chefs, bestimmt zu einem erheblichen Teil das Leben von Ernst Buchner. Als 15-Jähriger lernt er die drei Jahre ältere Mariana kennen, die ihn auf Geheiß ihres Vaters als Spitzel anwerben soll – und gar nicht so abgebrüht ist, wie sie sich am Anfang gibt. Auch sie entwickelt Gefühle für Ernst, die schnell so weit über die „geschäftliche“ Beziehung hinausgehen, dass sie ihn vor den Machenschaften der Securitate beschützen will. Leider gelingt es ihr nicht immer, ihr „Pappchen“ in diese Richtung zu beeinflussen, so dass Ernst sich im Laufe seines Lebens in verschiedenen Verhören wiederfindet, erpresst wird und gar eine Entführung zu überstehen hat. Der Fluchtversuch nach Deutschland gemeinsam mit Mariana, die sich endlich aus den Klauen ihres Vaters befreien will, misslingt – im Aussiedlerheim in Nürnberg, wo sich die beiden bereits in Sicherheit wähnen, bekommen sie Besuch von den „Lederjackenmännern“ und werden gezwungen, nach Rumänien zurückzukehren.

Rund um die Liebesgeschichte entwickelt Dietfried Zink ein Sittengemälde Rumäniens zur Zeit Ceaușescus. Im Vordergrund steht die Securitate, deren Denk- und Arbeitsweise das Leben aller Romanfiguren bestimmen. Da werden Akten gefälscht oder verschwinden, Intrigen und Erpressungen – auch untereinander – sind an der Tagesordnung, und nirgendwo kann man vor Bespitzelung sicher sein. Die Lächerlichkeit vieler Aktionen lässt den Leser gleichzeitig schmunzeln und erschrecken; geht es doch meist um das Schicksal eines Menschen, der von den Sicherheitsagenten wie eine Spielfigur hin und her geschoben wird.

Ein echter erzählerischer Höhepunkt ist die Szene, in der Ionel Tobaru, Banus Chauffeur, eine Aussage beim Kriminalinspektor Sorin Șoimeanu macht. Die Charakterisierung der beiden Figuren ist dermaßen gelungen, dass man sich unwillkürlich fragt, warum dieser Esprit nicht auch auf den restlichen 465 Seiten des Romans zum Tragen kommt. Der Chauffeur Ionel Tobaru erhebt die Hasenjagd mit seinem Chef zur Kunstform. Für die Handlung spielt er nur eine kleine Rolle, bleibt aber als grotesk überzeichnete Figur im Gedächtnis. Dietfried Zinks erster Roman hat gewisse Längen, lässt sich aber gut lesen und vermittelt einen ausführlichen Eindruck der Verhältnisse in Rumänien im Vorfeld der Revolution von 1989. Das Buch kann beim Autor Dietfried Zink, Augustenstraße 14, 96047 Bamberg, Telefon: (09 51) 9 17 84 81, Fax: (09 51) 91 70 82 84, E-Mail: rina.marin[ät]web.de, im Siebenbuerger-Shop-Portal oder über jede Buchhandlung bestellt werden.

Doris Roth

Dietfried Zink, „Für einen Fingerhut Freiheit“, hora Verlag, Hermannstadt, 2008, 468 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-973-8226-67-8, zu bestellen im Siebenbuerger-Shop-Portal.
Für einen Fingerhut Freiheit
Dietfried Zink
Für einen Fingerhut Freiheit

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Schlagwörter: Rezension, Roman

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