20. März 2009

Marianne Kühn erinnert an prägende Zeit in Hermannstadt

Liest man das 371 Seiten starke Buch „Was mich prägte“ – Untertitel „Meine Kindheit in Her­mannstadt“ – von Marianne Kühn, mit dem auf der Vorderseite des Umschlags abgebildeten Schwarz-Weiß-Foto aus den Kindertagen der Autorin, hat man die Hauptperson vor Augen, die weitab von den Nöten, den Verletzungen und dem Elend des Lebens steht.
Das Kind wächst in einer behüteten Familie auf und kommt gar nicht erst mit den Schattenseiten des Lebens in Berührung. In zwei Fällen tritt auch das Negative an sie heran, die Angst und der Schrecken, aber alles erweist sich als harmlos. Das zweite Erlebnis, wo sie das Leben hart getroffen hat, steht in Zusammenhang mit einer bedrohlichen Krankheit.

Das Buch von Marianne Kühn ist ein Loblied auf Hermannstadt. Dieser Hymnus, der wie ein roter Faden das Buch durchzieht, wird einem unbekannten Künstler in den Mund gelegt: „Ihre Stadt ist in jeder Hinsicht ein Schmuckstück, und die Menschen, die mir hier begegnen, sind darin die passenden Juwelen“.

Das Buch ist ein Sammelsurium von Erlebnis­sen, lehrbuchartigen Erklärungen, anschaulichen Erläuterungen, persönlichen Bekenntnissen, his­torischen Ereignissen, aufschlussreichen Hin­weisen, in deren Mittelpunkt nicht immer die Hauptgestalt zu finden ist. Die Dar­stellung wech­selt, erfolgt mal aus der Sicht des Kindes, dann wieder aus der Sicht eines Erwachsenen.

Der Beginn mutet wie ein aus einem Botanik­buch entnommener Exkurs an. Es wird auch in Vergessenheit geratenes, altes Handwerk er­wähnt (Scherenschleifer und Hutmacher), Hand­werk, das auch zum Stadtbild von damals gehör­te. Beeindruckend auch der Exkurs über die Stadt Hermannstadt, die bis heute den Charak­ter der Veränderung behalten hat. Kleinere Ge­schichten, als Einlage und Würze gedacht, betonen das Stadtkolorit. Die Kinderspiele sind sehr anschaulich und lebendig dargestellt; der Leser erlebt diese Spiele so, als stünde er mitten im Geschehen. So oder ähnlich hat es sich in den Kindertagen jedes einzelnen von uns zugetragen. Die Kinderspiele liegen nicht im Nebel der Zeit, sondern werden transparent im gegenwärtigen Leseerlebnis.

Einen großen Raum nimmt auch das Musi­zieren in der Familie und im geselligen Umgang mit Freunden ein. Über eine Geburtstagsparty schreibt die Autorin: „Es war vielmehr ein in jeder Weise gelungener kulinarischer, musikalischer und sogar Völker verbindender Geburts­tagskaffee!“ Oft gehen sehr gut dokumentierte geschichtliche Ereignisse bis in Details (z. B. zog Bismarck auch den Bankier der Hohenzollern, Gerson von Bleichröder, zu Rate, der 1872 gea­delt wurde). Wir finden in dem Buch auch Le­bensweisheiten, Redensarten und Aphoris­men, die wie kleine Perlen in das Gesamtgeschehen eingestreut sind. Leider sind manche Geschich­ten nur angeschnitten, wecken die Neugier des Lesers, um dann jäh abzubrechen (z. B. die Ge­schichte von Olgatante und dem Erdbeben vom 26. Januar 1916).

Wichtig für die Bildung des heranwachsenden Kindes war die Begegnung mit Werken großer Persönlichkeiten, wie Sigmund Freud und Georg Trakl, dessen Würdigung mit gefühlvollen Wor­ten niedergeschrieben wurde. Einen Ehrenplatz nimmt in diesem Buch das Kriegserlebnis mit dem Kosakenreiter ein, weil hier nicht nach dem Grundsatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gehandelt wurde, sondern ein humanes Verhal­ten, trotz schlimmer Kriegszeiten, obsiegte. Trotz einiger Mängel hat Marianne Kühns Buch viele Vorzüge. Die Stadt Hermannstadt wird verherrlicht.

Interessenten an dem im Eigenverlag erschienenen Band „Was mich prägte. Meine Kindheit in Hermannstadt“ können schriftlich in Kontakt treten mit Carmen Theil, Alte Poststraße 43, 85598 Baldham.

Dietfried Zink

Schlagwörter: Rezension, Hermannstadt, Erinnerungsliteratur

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Neueste Kommentare

  • 20.03.2009, 11:16 Uhr von hein: .. und was hat Trakls Gretchen mit der Präfektur zu tun? Ich wollte nur wissen, ob es noch so ... [weiter]
  • 20.03.2009, 11:00 Uhr von seberg: Ach hein, du gehörst wohl auch zu jenen, die bei all zu viel idyllischer Süße einen Hautausschlag ... [weiter]
  • 20.03.2009, 09:45 Uhr von hein: Welches ist der zeitliche Rahmen dieser Kindheit? [weiter]

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