5. Februar 2010

Der Vater der Hallerwiese in Hermannstadt

120 Jahre seit der Gründung des Stadtviertels Hallerwiese durch den Hermannstädter Archivar Franz Zimmermann. Alles begann an einem Junitag des Jahres 1890 in einer geselligen Runde im Biergarten der Drei-Eichen-Brauerei. Dabei kam auch die Rede auf die Hallerwiese, die Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Bruckner in Kundenauftrag zu verkaufen hatte. Nach einer kurzen Geländebegehung – die Jikeli & Hager’sche Bierbrauerei grenzt an die erwähnte Örtlichkeit griff Archivar Franz Zimmermann, der gerade einen Baugrund suchte, zu: 12 000 Gulden für 19, 5 Joch (11,225 ha) – zweifellos ein Schnäppchen für ein ganzes künftiges Stadtviertel in bester Lage!
Wie Zimmermann ein Jahr später bekannte, hatte er das Terrain „zu dem ganz bestimmten Zwecke angekauft (...) damit diese Fläche allmählig der Verbauung zugeführt werde.“ Die bauliche Eignung der damals noch von friedlich grasenden Schafen bevölkerten Wiese hatte sich der Archivar schon kurz nach seinem Kauf vom Wiener Bauingenieur Friedrich Bömches (1829-1898) bescheinigen lassen, der sich seinerzeit mit dem neuen Hafen von Triest einen Namen gemacht hatte.

Zimmermann bewies nicht nur Weitblick bei der Planung des ersten, damals modernsten Villenviertels (sogar das Wort „Villenviertel“ war neu, der Neue Volkskalender 1894, S. 60, verwendet es noch in Anführungszeichen), sondern arbeitete sich auch schnell in die Materie ein. Musste er auch, denn noch jahrelang hatte er sich notgedrungen auch als Baugrundmakler mit potentiellen Käufern herumzuplagen. 1891 verfasste der „Hobby-Urbanist“, wie es Architekt Gerhard Schuster mal leicht flapsig formulierte, die Broschüre „Hallerwiese und Stadterweiterung. Ein Wort zur Orientierung für Baulustige und Bauunternehmer“, in der er für sein Projekt und natürlich auch für seinen frisch parzellierten Wiesengrund warb. Doch noch zehn Jahre später warb er für sein Projekt, wie dieses ganzseitige Inserat im Adressbuch von 1901 belegt: „Bauplätze in dem Villenviertel ‚Hallerwiese’, Hermannstadt, Behördlich genehmigte Bauanlage. Vorzüglicher Boden. Gute Lage. Entfernung von dem Zentrum der Stadt, dem Großen Ring, nur 700 Meter Wegeslänge. Anschluss an die Wasserleitung und das elektrische Stromnetz. Zu erfragen bei Franz Zimmermann, Hermannstadt, Hallerwiese 5.“
„Gruss von der Hallerwiese“ anno 1898. V.li.n. r. ...
„Gruss von der Hallerwiese“ anno 1898. V.li.n. r. Villa Zimmermann (1895), Villa Theis (1894, Architekt: G. Maetz?), Villa Schiel (1895, unvollendet); Mitte: Villa Copony (1892), später die Wohnung des Transsylvanica-Sammlers Carl Engber; li. unten Villa Schieb (1892). Die Villa Hallerwiese 5 (seit 1908 Friedenfelsstr. 5, später Moscovei, heute Constantin Noica 9) war lange der Treffpunkt sangesfreudiger Brukenthalschüler, die ihrem Direktor Dr. Hans „Burje“ Connert ein Ständchen brachten. Die Ansichtskarte hatte Obernotär Gustav Theis, ein Hallerwiesen-Bewohner der ersten Stunde, zum Jahreswechsel 1898/99 „hochachtungsvollst“ an „Sr. Wohlgeboren Herrn Bernhard Vogt“ in Kronstadt verschickt.
Als erster bezog Bodenkreditanstalts-„Kontrollor“ Wilhelm Copony 1892 seine Villa im neuen Stadtviertel. Bald darauf ließ sich Papier- und Maschinenfabrikant Carl Schiel (1851-1894) von Architekt Heinrich Eder eine monumentale Villa in neuklassizistischem Stil errichten (Friedenfelsstraße 6, heute 8). 1895 konnte auch Zimmermann seine von Eder im gleichen Stil erbaute Edelvilla beziehen.

Viel Spaß daran dürfte der Archivar nicht gehabt haben, denn Neid, Engstirnigkeit, Intrigen und sogar offene Feindseligkeiten begleiteten sein urbanistisches Projekt von Anfang an. Dabei dürfte sein Ärger über Lehrer E. B. noch der geringste gewesen sein, der sich entgegen des Hausplans bereits einen Schweinestall für seine Schweine („vorläufig nur drei“) in den Garten seiner Villa in der Friedenfelsstraße gebaut hatte (einen guten Einblick in den sicher manchmal auch unbequemen Mitbürger Franz Zimmermann bieten seine drei handgeschriebenen „Zeitbücher“, die freilich erst rückblickend verfasst wurden und daher nicht als echte Tagebücher bezeichnet werden können). 1905 verkaufte Franz Zimmermann seine Villa an Dr. Hans Connert, den späteren Direktor der Brukenthalschule, und bereits Frühjahr 1906 ließ er sich endgültig in Österreich nieder. 32 bewohnte Villen zählte das junge Viertel damals, dem freilich bereits scharfe Konkurrenz vom gerade entstehenden „Erlenviertel“ erwuchs. Vielleicht ist es so zu erklären, dass Zimmermann erst 1911 die letzten Bauparzellen aus seinem Besitz verkaufen konnte.

Konrad Klein

(Postkarte aus der Sammlung d. Verf.)

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Schlagwörter: Hermannstadt

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