28. Februar 2010
Deportation vor 65 Jahren: Zeitzeugin erinnert an schweres Leid und ruft zur Versöhnung auf
Durch die Veröffentlichung des Romans: „Atemschaukel“ wird die Autorin und Nobelpreisträgerin Herta Müller Sprachrohr der vor 65 Jahren unrechtkräftig und gesetzwidrig deportierten Rumäniendeutschen. Der Roman „Atemschaukel“ weckt das Interesse der Weltöffentlichkeit für begangenes Unrecht in der Kriegs- und Nachkriegszeit 1945 bis 1949, an ca. 70 000 unschuldige Menschen aus Rumänien. Vor 65 Jahren wurden Frauen zwischen 18 und 35 Jahren sowie Männer zwischen 17 und 45 Jahren, mitunter auch Jüngere oder Ältere, rechtswidrig für fünf Jahre zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert.
In Herzen und im Gepäck manch eines Verschleppten kam auch Bibel und Gesangbuch in die Deportation mit. Gottes Wort und seine Begleitung war Verzweifelten oft spürbar nahe. Lagerpfarrer trösteten und richteten verzweifelte, wunde Seelen auf, begleiteten Tote auf den Totenacker. Das erlebte große Leid der Demütigung, der immerwährende Hunger, die Angst und Sehnsucht nach den daheim verlassenen Angehörigen waren den meisten während der fünf durchlittenen Deportationsjahre tägliche Begleiter.
Erfahrenes Unrecht, fast menschenunmögliches Überleben in Hunger, Kälte und Not in den ersten drei Jahren, ist in Erinnerungen mancher Betroffenen heute noch gegenwärtig. Immer wieder gab es Menschen, die ihre Freiheit suchten in der Flucht aus dem Lager. Wehe, wenn sie aufgegriffen und bestraft wurden. Als „Gnade zu sterben“ nahm man es hin, wenn ein zum Skelett abgemagerter oder von Wassersucht geplagter, im Elend Verhungerter sein Leben aushauchte. Der Wille zum Leben erwachte mitunter und führte Menschen zu gemeinsamem Leben zusammen. Dadurch lernten sie die Wohltat menschlicher Nähe kennen, jedoch auch das brutale Eingreifen der Obrigkeit durch vorgeschriebenen gewaltsamen Abbruch der Schwangerschaft, auch noch im fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadium. Manche dieser verschwiegenen Erinnerungen schmerzen heute noch.
Das in schweren Stunden zugerufene russische Wort „Skoro damoi“ („Bald nach Hause“), auch die warme Suppe, die geschenkte Kartoffel, die seelische Zuwendung der Bevölkerung den Inhaftierten gegenüber, erleichterte vielen die Zeit der Deportation und trug zu ihrem Überleben bei. In dankbaren Erinnerungen werden Helfende bis heute erwähnt.
In den Jahren 1948 bis 1949 war das große Hungern vorbei. Die Wirtschaft des Landes blühte auf; das kam auch den Lagerinsassen zugute. In öffentlichen Ehrungen und auf Ehrentafeln las man nun Namen der zu Kräften gekommenen, fleißigen Lagerinsassen, die mit vielen Prozenten die Arbeitsnorm überboten. Die gegenseitige Achtung und Freundschaft zwischen russischen und deutschen Arbeitern festigte sich weiter. Das Lager erhielt nun ein anheimelndes Aussehen. Auf den Rabatten blühten Blumen, man hörte Lachen und Singen, die Wehmut im Herzen wurde zurückgedrängt. Das Leben erforderte sein Recht.
Die Zahl der Lagerinsassen war durch Tod und Krankentransporte gesunken, so dass nun die großen 30-Personen-Räume aufgelöst, und kleiner für 4-6 Personen angeboten wurden. Kulturelles Leben entfaltete sich, Sportler betätigten sich auch außerhalb des Lagers, für immer in Russland zu bleiben wurde von Behörden angeboten; jedoch kaum von jemandem wahrgenommen. Die bei der Heimfahrt zurückgelassenen Gräber blieben nicht vergessen, in Erinnerungen sind sie heute noch gegenwärtig.
Herta Müllers Roman „Atemschaukel“ regt zum weiteren Dokumentieren erlebter Deportationszeit an. Zeitzeugen und Besitzer von Erlebnisdokumenten werden aufgerufen, Erlebnisberichte, Tagebücher, Briefe, Gedichte, Memoiren, aufzuzeichnen, aufzubewahren, weiterzureichen, um dazu beizutragen, dass das Leben der Menschen in der Deportation, als Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges, ihren Kindern, Enkeln, der Nachwelt erhalten bleibt, dass begangenes Unrecht an den Deportierten im Sinne des Völkerrechtes aufgearbeitet und „Geschichte“ wird. Wir, die Überlebenden der Deportation, hoffen und wünschen, dass nie mehr so großes Leid der Menschheit zugefügt wird. In dem Sinne sagen wir: „Reich deine Hand zur Versöhnung, heute hast du noch Zeit“.
Erfahrenes Unrecht, fast menschenunmögliches Überleben in Hunger, Kälte und Not in den ersten drei Jahren, ist in Erinnerungen mancher Betroffenen heute noch gegenwärtig. Immer wieder gab es Menschen, die ihre Freiheit suchten in der Flucht aus dem Lager. Wehe, wenn sie aufgegriffen und bestraft wurden. Als „Gnade zu sterben“ nahm man es hin, wenn ein zum Skelett abgemagerter oder von Wassersucht geplagter, im Elend Verhungerter sein Leben aushauchte. Der Wille zum Leben erwachte mitunter und führte Menschen zu gemeinsamem Leben zusammen. Dadurch lernten sie die Wohltat menschlicher Nähe kennen, jedoch auch das brutale Eingreifen der Obrigkeit durch vorgeschriebenen gewaltsamen Abbruch der Schwangerschaft, auch noch im fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadium. Manche dieser verschwiegenen Erinnerungen schmerzen heute noch.
Das in schweren Stunden zugerufene russische Wort „Skoro damoi“ („Bald nach Hause“), auch die warme Suppe, die geschenkte Kartoffel, die seelische Zuwendung der Bevölkerung den Inhaftierten gegenüber, erleichterte vielen die Zeit der Deportation und trug zu ihrem Überleben bei. In dankbaren Erinnerungen werden Helfende bis heute erwähnt.
In den Jahren 1948 bis 1949 war das große Hungern vorbei. Die Wirtschaft des Landes blühte auf; das kam auch den Lagerinsassen zugute. In öffentlichen Ehrungen und auf Ehrentafeln las man nun Namen der zu Kräften gekommenen, fleißigen Lagerinsassen, die mit vielen Prozenten die Arbeitsnorm überboten. Die gegenseitige Achtung und Freundschaft zwischen russischen und deutschen Arbeitern festigte sich weiter. Das Lager erhielt nun ein anheimelndes Aussehen. Auf den Rabatten blühten Blumen, man hörte Lachen und Singen, die Wehmut im Herzen wurde zurückgedrängt. Das Leben erforderte sein Recht.
Die Zahl der Lagerinsassen war durch Tod und Krankentransporte gesunken, so dass nun die großen 30-Personen-Räume aufgelöst, und kleiner für 4-6 Personen angeboten wurden. Kulturelles Leben entfaltete sich, Sportler betätigten sich auch außerhalb des Lagers, für immer in Russland zu bleiben wurde von Behörden angeboten; jedoch kaum von jemandem wahrgenommen. Die bei der Heimfahrt zurückgelassenen Gräber blieben nicht vergessen, in Erinnerungen sind sie heute noch gegenwärtig.
Herta Müllers Roman „Atemschaukel“ regt zum weiteren Dokumentieren erlebter Deportationszeit an. Zeitzeugen und Besitzer von Erlebnisdokumenten werden aufgerufen, Erlebnisberichte, Tagebücher, Briefe, Gedichte, Memoiren, aufzuzeichnen, aufzubewahren, weiterzureichen, um dazu beizutragen, dass das Leben der Menschen in der Deportation, als Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges, ihren Kindern, Enkeln, der Nachwelt erhalten bleibt, dass begangenes Unrecht an den Deportierten im Sinne des Völkerrechtes aufgearbeitet und „Geschichte“ wird. Wir, die Überlebenden der Deportation, hoffen und wünschen, dass nie mehr so großes Leid der Menschheit zugefügt wird. In dem Sinne sagen wir: „Reich deine Hand zur Versöhnung, heute hast du noch Zeit“.
Rose Schmidt
Schlagwörter: Deportation, Zeitgeschichte, Zeitzeugenberichte
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